BERLIN (dpa-AFX) - Handwerkspräsident Jörg Dittrich sieht die sozialen Sicherungssysteme in ernsthaften Schwierigkeiten. "Wir sitzen in einem Schiff, das am Rumpf ein Leck hat. Und wenn wir dieses nicht bald abdichten, wird der Kahn komplett untergehen", sagte Dittrich der Deutschen Presse-Agentur. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) sprach sich angesichts steigender Sozialabgaben für grundlegende Reformen aus. Das Bürgergeld dürfe keine "Wahlleistung" sein, kritisierte er.
Zweifel am Reformwillen - "butterweiche Aussagen"
Zu den dringend nötigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme gebe es im Koalitionsvertrag nur "butterweiche Aussagen", kritisierte Dittrich. Mit Blick auf die ausgebliebene Stromsteuersenkung für alle sagte er: "Nach dem, was wir erlebt haben, wächst bei mir die Sorge, dass jetzt wieder lange geredet, aber letztlich nicht gehandelt wird. Aber das geht nicht mehr." Durch die Einsetzung von Kommissionen versuche die Bundesregierung offenkundig, sich um unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen herumzudrücken.
Dittrich: Abschlagsfreie Rente mit 63 gehört auf den Prüfstand
"Wir brauchen endlich ein tragfähiges Gesamtkonzept und eine ehrliche Betrachtung", sagte der Handwerkspräsident. "Eine immer kleinere Gruppe der Jüngeren kann nicht alleine dafür geradestehen, dass es zu wenig Kinder gab und nun zu viele Rentner." Deswegen gehöre unter anderem die abschlagsfreie Rente mit 63 auf den Prüfstand. "Zu viele Menschen nutzen sie und die fehlen in der Folge im Arbeitsprozess. Statt einer starren pauschalen Altersgrenze für alle wären vermutlich flexiblere Lösungen basierend auf den Erwerbsbiografien gerechter." Im Sinne der kleiner werdenden Gruppe junger Menschen sollte in der Gesellschaft auch noch einmal bei steigender Lebenserwartung über das Renteneintrittsalter gesprochen werden, sagte er.
"Bürgergeld darf keine Wahlleistung sein"
Der Handwerkspräsident forderte auch eine Reform des Bürgergelds: "Das Bürgergeld darf keine Wahlleistung sein. Die Menschen, die es brauchen, sollen es bekommen, aber es muss klar an die Bedürftigkeit geknüpft sein." Das müsse "gesellschaftlich deutlich kommuniziert" werden.
Er sagte weiter: "Es gibt zu viele Menschen, die den Eindruck haben, dass man wählen und sich aussuchen kann: arbeiten gehen oder Bürgergeld beziehen, je nachdem, was mehr bringt." Das sorge bei vielen schwer arbeitenden Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern im Handwerk für Unmut und untergrabe das Prinzip der Eigenverantwortung. "Das sagen mir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inzwischen."/hoe/DP/zb