ADDIS ABEBA (dpa-AFX) - Im vergangenen Jahr haben weltweit rund 673 Millionen Menschen an Hunger gelitten - etwa 22 Millionen weniger als im Jahr zuvor. Damit geht die Zahl der von Hunger betroffenen Menschen auf der Welt erneut zurück, wie aus dem aktuellen Welternährungsbericht hervorgeht, den fünf UN-Agenturen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba vorstellten. In einzelnen Regionen hat sich die Lage aufgrund von humanitären Krisen jedoch verschärft.
Entsprechend der von den Vereinten Nationen genutzten Klassifizierung von Ernährungslagen (IPC - Integrated Food Security Phase Classification) waren 2024 mehr als 35 Millionen Menschen von einem Ernährungsnotstand (Stufe 4 von 5) und fast zwei Millionen von Ernährungsmangel katastrophalen Ausmaßes betroffen (Stufe 5, Hungersnot-ähnliche Zustände) - vor allem im Gazastreifen, dem Südsudan, dem Sudan, Haiti und dem Jemen.
Hunger bleibt ein Problem in Afrika
Das Ziel, keinen Hunger mehr auf der Welt zu haben, rückt trotz mancher Erfolge nicht näher - 8,2 Prozent der Menschheit konnten sich dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr nicht satt essen. Während in Südasien, Südostasien und Südamerika die Ernährungslage der Menschen 2024 besser geworden ist, ist die Zahl hungriger Menschen in Afrika und im westlichen Asien gestiegen.
Während bis zum Jahr 2030 ein Rückgang der unterernährten Menschen erwartet werde, sind den Berechnungen zufolge zu diesem Zeitpunkt noch 512 Millionen Menschen von Hunger bedroht - davon 60 Prozent in Afrika. Im vergangenen Jahr sei etwa ein Fünftel der Menschen in Afrika von chronischem Hunger betroffen gewesen.
Hohe Lebensmittelpreise sind für viele ein Problem
Etwa 2,3 Milliarden Menschen auf der Welt lebten dem Bericht zufolge 2024 unter mittlerer bis schwerer Nahrungsmittelunsicherheit. Das bedeutet, sie verfügten entweder nicht über ausreichende Nahrungsmittel oder nicht über Nahrungsmittel ausreichender Qualität. Steigende Lebensmittelpreise trugen zudem dazu bei, dass sich viele Menschen manche Lebensmittel nicht leisten konnten - vor allem hochwertige und gesunde. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung habe sich 2024 keine gesunde Ernährung leisten können.
Anstieg der stark Übergewichtigen
Nicht nur Hunger gefährdet die Gesundheit der Menschen - auch falsche Ernährung. Dem Bericht zufolge stieg der Anteil der stark übergewichtigen Menschen weltweit von 12,1 Prozent der Erwachsenen im Jahr 2012 auf 15,8 Prozent im Jahr 2022. Der Verbrauch hochverarbeiteter Lebensmittel - sogenannter Ultra-Processed Foods - habe zugenommen, so der Bericht. Hierzu könnten auch die niedrigeren Preise für diese Lebensmittel beigetragen haben.
Alabali Radovan: Kampf gegen Hunger bleibt Schwerpunkt
Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan nannte es inakzeptabel, dass viele Menschen an Hunger litten in einer Welt, in der es eigentlich genug Essen für alle gäbe. "Fast eine halbe Million Menschen in Gaza sind vom Verhungern bedroht, Kinder sterben", sagte sie. "Im Sudan spielt sich die größte humanitäre Krise der Welt ab, jeder zweite Mensch dort hungert." Der Kampf gegen Hunger bleibe ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit, versicherte sie in einer Stellungnahme zum Welternährungsbericht.
Warnung vor Mittelkürzungen bei Ernährungssicherheit
"Die rückläufigen Zahlen beim weltweiten Hunger sind ein positives Signal, dass internationale und nationale Bemühungen Wirkung zeigen", sagte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, zu dem Bericht. "Insgesamt sind die globalen Fortschritte aber gering und regional ungleich verteilt."
Mogge sah die Gefahr, dass die rückläufigen Zahlen als Vorwand genutzt werden könnten, um die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Ernährungssicherheit und Transformation der Ernährungssysteme weiter zu kürzen. "Das ohnehin zu geringe politische Engagement in diesen Bereichen könnte dadurch weiter ins Wanken geraten - ein riskanter Kurs, denn die erzielten Verbesserungen sind fragil und nicht nachhaltig abgesichert", betonte er. "Gerade jetzt wäre es notwendig, positive Entwicklungen zu konsolidieren und insbesondere in Afrika gegen rückläufige Trends entschieden vorzugehen."
"Wir können nicht von Fortschritten sprechen, während Millionen Menschen zurückgelassen werden", sagte Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger. "Hunger ist nicht unvermeidlich, sondern eine direkte Folge politischer Entscheidungen." Doch die internationale Hilfe stehe an einem Wendepunkt, da die verfügbaren Mittel nach dem offiziellen Ende der US-Entwicklungsagentur und Kürzungen wichtiger Geberländer massiv sinken würden./czy/DP/jha