Bern (ots) -
Nüsse verursachen etwa ein Viertel aller Lebensmittelallergien. Bei Kindern führen neuerdings Cashewnüsse besonders häufig zu schweren Reaktionen. Dies wohl weil sie immer öfter in Lebensmitteln verwendet werden.
Ob als salziger Snack oder versteckt in glutenfreiem Mehl und veganer Milch: Die ursprünglich aus Brasilien stammende Cashewnuss liegt im Trend. Sie ist reich an Proteinen, enthält aber im Vergleich zu anderen Nüssen weniger Fett und Kalorien. Übrigens: Cashews sind eigentlich gar keine Nüsse, sondern die Kerne einer Frucht.
Ihre wachsende Beliebtheit spiegelt sich jedoch auch in einer soeben veröffentlichten Studie zu Nussallergien wider. Die Auswertung des Europäischen Anaphylaxie-Registers ergab einen auffälligen Anstieg von schweren allergischen Reaktionen gegen Cashewnüsse bei Kleinkindern.
Für das Register melden 142 Allergiezentren aus verschiedenen Ländern regelmässig ihre Fälle von Anaphylaxien. Dies sind starke Reaktionen des Immunsystems auf bestimmte Auslöser wie Lebensmittel, Medikamente oder Insektengift. Sie führen dabei unter anderem zu Ausschlag, Schwellungen und Atemnot bis hin zum anaphylaktischen Schock, bei dem potenziell das ganze Herz-Kreislauf-System versagen kann. In Einzelfällen endet das tödlich.
Hautkontakt kann genügen
Ein internationales Forschungsteam analysierte nun alle registrierten Vorkommnisse von Anaphylaxien zwischen 2007 und 2024, die durch Lebensmittel ausgelöst wurden. Es zeigte sich, dass von den fast 6000 Fällen knapp ein Viertel durch auf Bäumen wachsende Nüsse ausgelöst wurden. Dazu gehören beispielsweise Walnüsse, Mandeln und Haselnüsse. Nicht aber Erdnüsse, die unter der Erde wachsen, aber ebenfalls häufig mit starken Anaphylaxien bei Kindern verbunden sind.
An der Studie beteiligt war auch Karin Hartmann, die vom SNF für ihre Forschung zu allergischen Erkrankungen gefördert wird. Hartmann ist Leiterin der Allergologie sowie stellvertretende Chefärztin der Dermatologie am Universitätsspital Basel. Zudem leitet sie Forschungsgruppen am Departement Klinische Forschung und am Departement Biomedizin der Universität Basel.
Die Forschenden des Europäischen Anaphylaxie-Registers nahmen etwa 1000 gut dokumentierte Fälle dieser Nussallergien genauer unter die Lupe. "Das Register ermöglicht uns, auch von nicht so häufigen Allergien eine grosse Zahl an Fällen zu sammeln. So haben wir genug Daten, um Untergruppen wie zum Beispiel Erwachsene und Kinder einzeln zu untersuchen", so Hartmann.
Das überraschendste Resultat: Bei den meistens unter fünf Jahre alten Kindern waren in über vierzig Prozent der Fälle Cashewnüsse für die anaphylaktische Reaktion verantwortlich. Jedes dritte davon reagierte schon auf Mengen von weniger als einem Teelöffel Cashewnüssen. In einer Handvoll der Fälle genügte sogar Hautkontakt oder Inhalation.
Cashew überholt einheimische Nüsse
Bisher konzentrierten sich Untersuchungen zu starken allergischen Reaktionen gegen auf Bäumen wachsende Nüsse auf einheimische Arten wie Hasel- oder Walnüsse. Diese liegen jetzt bei Kindern auf Platz zwei und drei. Sehr wahrscheinlich liegt der Anstieg bei den Cashewnüssen daran, dass sie in den letzten Jahrzehnten vermehrt konsumiert werden. Dabei werden Cashewnüsse oft versteckt, etwa in Produkten wie Pesto, oder auch bewusst als vegane Proteinquelle verwendet.
"Dadurch kommen wohl im Vergleich zu früher viel mehr Kinder schon früh mit Cashewnüssen in Kontakt", so Hartmann. Der Auslöser der Allergie ist wie bei vielen Nussallergien ein in grossen Mengen enthaltenes Speichereiweiss.
Bisherige Untersuchungen bestätigen, dass das Immunsystem von Kindern auf dieses Eiweiss der Cashewnuss besonders heftig reagiert. Es kommt dabei sogar häufiger zu Anaphylaxien als bei einer Erdnussallergie. Und auch noch geringere Mengen als bei der Erdnuss können einen Anfall triggern.
Bei den Erwachsenen hingegen spielten Allergien gegen Cashewnüsse in den vom Anaphylaxie-Register dokumentierten Fällen kaum eine Rolle. Das reife Immunsystem ist offensichtlich weniger anfällig dafür. Die häufigsten Auslöser waren hier die Haselnuss, nämlich in über vierzig Prozent der Fälle, gefolgt von Walnüssen und Mandeln.
Adrenalinspritzen zugänglicher machen
Aus Angst vor einer anaphylaktischen Reaktion sollte aber niemand von vorneherein Kinder von Cashewnüssen fernhalten, so Hartmann. "Aus ernährungsmedizinischer Sicht sind Nüsse ein wertvolles und nährstoffreiches Lebensmittel." Weniger als ein Prozent der europäischen Bevölkerung entwickelt eine Allergie gegen auf Bäumen wachsende Nüsse. Und nur bei einem Bruchteil kommt es zu starken Reaktionen wie einer Anaphylaxie.
Bei Verdacht auf Nussallergie rät Hartmann zu einer medizinischen Abklärung. Fachleute können bestimmen, welche Art und Menge an Nüssen eine Reaktion auslösen und personalisierte Ratschläge für den Umgang damit geben. Es wird nicht empfohlen, dass Eltern selbst versuchen, ohne medizinische Abklärung einen Ernährungsplan für ihre Kinder aufzustellen. Das könne bis zu Mangelerscheinungen führen. Bei schweren Fällen sei es manchmal auch eine Option, eine Immuntherapie durchzuführen. Dabei wird der Körper unter Aufsicht schrittweise an immer grössere Dosen des Allergie-auslösenden Proteins gewöhnt.
Wenn es doch zu einem anaphylaktischen Schock kommt, hilft der möglichst rasche Einsatz von Adrenalinfertigspritzen. Hier weisen die Ergebnisse der Studie auf Verbesserungspotential hin: Denn bei weniger als der Hälfte der Personen, die bereits eine Verschreibung dafür hatten, wurden diese dann im Notfall auch eingesetzt. Die Gründe dafür konnte die Studie nicht eruieren - eine Rolle spielt aber vielleicht die Angst von medizinischen Laien, sich selbst oder anderen eine Spritze zu setzen.
Doch dafür soll es bald Abhilfe geben. Gemäss Hartmann kommt demnächst ein Adrenalin-Nasenspray auf den Markt, das laut Studien vergleichbar gut wirkt. Dies könnte die Hemmschwelle für die Anwendung senken. Und würde den Nussallergien noch mehr von ihrem Schrecken nehmen.
(*) V. Höfer et al.: A Growing Concern for Cashew and an Unexpected Risk From Almonds: Data From the Anaphylaxis Registry. Allergy (2025) (https://doi.org/10.1111/all.16619)
Der Text dieser News und weitere Informationen stehen auf der Webseite (https://www.snf.ch/de/1MOmthaNz0O8Hq5n/news/immer-mehr-kinder-sind-allergisch-auf-cashewnuesse) des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung.
Pressekontakt:
Karin Hartmann
Leiterin Allergologie
Stv. Chefärztin Dermatologie
Universitätsspital Basel
Burgfelderstrasse 101
4055 Basel
Tel.: +41 61 265 40 98
E-Mail: allergologie@usb.ch
Original-Content von: Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100933717
Nüsse verursachen etwa ein Viertel aller Lebensmittelallergien. Bei Kindern führen neuerdings Cashewnüsse besonders häufig zu schweren Reaktionen. Dies wohl weil sie immer öfter in Lebensmitteln verwendet werden.
Ob als salziger Snack oder versteckt in glutenfreiem Mehl und veganer Milch: Die ursprünglich aus Brasilien stammende Cashewnuss liegt im Trend. Sie ist reich an Proteinen, enthält aber im Vergleich zu anderen Nüssen weniger Fett und Kalorien. Übrigens: Cashews sind eigentlich gar keine Nüsse, sondern die Kerne einer Frucht.
Ihre wachsende Beliebtheit spiegelt sich jedoch auch in einer soeben veröffentlichten Studie zu Nussallergien wider. Die Auswertung des Europäischen Anaphylaxie-Registers ergab einen auffälligen Anstieg von schweren allergischen Reaktionen gegen Cashewnüsse bei Kleinkindern.
Für das Register melden 142 Allergiezentren aus verschiedenen Ländern regelmässig ihre Fälle von Anaphylaxien. Dies sind starke Reaktionen des Immunsystems auf bestimmte Auslöser wie Lebensmittel, Medikamente oder Insektengift. Sie führen dabei unter anderem zu Ausschlag, Schwellungen und Atemnot bis hin zum anaphylaktischen Schock, bei dem potenziell das ganze Herz-Kreislauf-System versagen kann. In Einzelfällen endet das tödlich.
Hautkontakt kann genügen
Ein internationales Forschungsteam analysierte nun alle registrierten Vorkommnisse von Anaphylaxien zwischen 2007 und 2024, die durch Lebensmittel ausgelöst wurden. Es zeigte sich, dass von den fast 6000 Fällen knapp ein Viertel durch auf Bäumen wachsende Nüsse ausgelöst wurden. Dazu gehören beispielsweise Walnüsse, Mandeln und Haselnüsse. Nicht aber Erdnüsse, die unter der Erde wachsen, aber ebenfalls häufig mit starken Anaphylaxien bei Kindern verbunden sind.
An der Studie beteiligt war auch Karin Hartmann, die vom SNF für ihre Forschung zu allergischen Erkrankungen gefördert wird. Hartmann ist Leiterin der Allergologie sowie stellvertretende Chefärztin der Dermatologie am Universitätsspital Basel. Zudem leitet sie Forschungsgruppen am Departement Klinische Forschung und am Departement Biomedizin der Universität Basel.
Die Forschenden des Europäischen Anaphylaxie-Registers nahmen etwa 1000 gut dokumentierte Fälle dieser Nussallergien genauer unter die Lupe. "Das Register ermöglicht uns, auch von nicht so häufigen Allergien eine grosse Zahl an Fällen zu sammeln. So haben wir genug Daten, um Untergruppen wie zum Beispiel Erwachsene und Kinder einzeln zu untersuchen", so Hartmann.
Das überraschendste Resultat: Bei den meistens unter fünf Jahre alten Kindern waren in über vierzig Prozent der Fälle Cashewnüsse für die anaphylaktische Reaktion verantwortlich. Jedes dritte davon reagierte schon auf Mengen von weniger als einem Teelöffel Cashewnüssen. In einer Handvoll der Fälle genügte sogar Hautkontakt oder Inhalation.
Cashew überholt einheimische Nüsse
Bisher konzentrierten sich Untersuchungen zu starken allergischen Reaktionen gegen auf Bäumen wachsende Nüsse auf einheimische Arten wie Hasel- oder Walnüsse. Diese liegen jetzt bei Kindern auf Platz zwei und drei. Sehr wahrscheinlich liegt der Anstieg bei den Cashewnüssen daran, dass sie in den letzten Jahrzehnten vermehrt konsumiert werden. Dabei werden Cashewnüsse oft versteckt, etwa in Produkten wie Pesto, oder auch bewusst als vegane Proteinquelle verwendet.
"Dadurch kommen wohl im Vergleich zu früher viel mehr Kinder schon früh mit Cashewnüssen in Kontakt", so Hartmann. Der Auslöser der Allergie ist wie bei vielen Nussallergien ein in grossen Mengen enthaltenes Speichereiweiss.
Bisherige Untersuchungen bestätigen, dass das Immunsystem von Kindern auf dieses Eiweiss der Cashewnuss besonders heftig reagiert. Es kommt dabei sogar häufiger zu Anaphylaxien als bei einer Erdnussallergie. Und auch noch geringere Mengen als bei der Erdnuss können einen Anfall triggern.
Bei den Erwachsenen hingegen spielten Allergien gegen Cashewnüsse in den vom Anaphylaxie-Register dokumentierten Fällen kaum eine Rolle. Das reife Immunsystem ist offensichtlich weniger anfällig dafür. Die häufigsten Auslöser waren hier die Haselnuss, nämlich in über vierzig Prozent der Fälle, gefolgt von Walnüssen und Mandeln.
Adrenalinspritzen zugänglicher machen
Aus Angst vor einer anaphylaktischen Reaktion sollte aber niemand von vorneherein Kinder von Cashewnüssen fernhalten, so Hartmann. "Aus ernährungsmedizinischer Sicht sind Nüsse ein wertvolles und nährstoffreiches Lebensmittel." Weniger als ein Prozent der europäischen Bevölkerung entwickelt eine Allergie gegen auf Bäumen wachsende Nüsse. Und nur bei einem Bruchteil kommt es zu starken Reaktionen wie einer Anaphylaxie.
Bei Verdacht auf Nussallergie rät Hartmann zu einer medizinischen Abklärung. Fachleute können bestimmen, welche Art und Menge an Nüssen eine Reaktion auslösen und personalisierte Ratschläge für den Umgang damit geben. Es wird nicht empfohlen, dass Eltern selbst versuchen, ohne medizinische Abklärung einen Ernährungsplan für ihre Kinder aufzustellen. Das könne bis zu Mangelerscheinungen führen. Bei schweren Fällen sei es manchmal auch eine Option, eine Immuntherapie durchzuführen. Dabei wird der Körper unter Aufsicht schrittweise an immer grössere Dosen des Allergie-auslösenden Proteins gewöhnt.
Wenn es doch zu einem anaphylaktischen Schock kommt, hilft der möglichst rasche Einsatz von Adrenalinfertigspritzen. Hier weisen die Ergebnisse der Studie auf Verbesserungspotential hin: Denn bei weniger als der Hälfte der Personen, die bereits eine Verschreibung dafür hatten, wurden diese dann im Notfall auch eingesetzt. Die Gründe dafür konnte die Studie nicht eruieren - eine Rolle spielt aber vielleicht die Angst von medizinischen Laien, sich selbst oder anderen eine Spritze zu setzen.
Doch dafür soll es bald Abhilfe geben. Gemäss Hartmann kommt demnächst ein Adrenalin-Nasenspray auf den Markt, das laut Studien vergleichbar gut wirkt. Dies könnte die Hemmschwelle für die Anwendung senken. Und würde den Nussallergien noch mehr von ihrem Schrecken nehmen.
(*) V. Höfer et al.: A Growing Concern for Cashew and an Unexpected Risk From Almonds: Data From the Anaphylaxis Registry. Allergy (2025) (https://doi.org/10.1111/all.16619)
Der Text dieser News und weitere Informationen stehen auf der Webseite (https://www.snf.ch/de/1MOmthaNz0O8Hq5n/news/immer-mehr-kinder-sind-allergisch-auf-cashewnuesse) des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung.
Pressekontakt:
Karin Hartmann
Leiterin Allergologie
Stv. Chefärztin Dermatologie
Universitätsspital Basel
Burgfelderstrasse 101
4055 Basel
Tel.: +41 61 265 40 98
E-Mail: allergologie@usb.ch
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