BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts zunehmender globaler Unsicherheiten sieht die deutsche Exportwirtschaft großes Potenzial im Handel mit Ländern in Ost- und Südosteuropa. Insbesondere die Geschäfte mit Polen entwickelten sich herausragend, teilte der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft in Berlin mit. Das deutsch-polnische Handelsvolumen kletterte demnach im ersten Halbjahr um 4,6 Milliarden Euro auf den Rekordwert von über 90 Milliarden Euro. Das waren 5,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
"Wunderbare Erfolgsgeschichte"
Während die deutschen Exporte nach Polen um über 2,6 Milliarden Euro zulegten (+5,7 Prozent), wuchsen die Einfuhren aus dem östlichen Nachbarland um zwei Milliarden Euro (+5,2 Prozent). Polen liegt als fünftwichtigster Handelspartner Deutschlands nur noch knapp hinter Frankreich. Wichtigste deutsche Handelspartner blieben im ersten Halbjahr 2025 die USA vor China und den Niederlanden, wobei die deutschen Exporte nach Polen (49,4 Mrd. Euro) die Exporte nach China (41,4 Mrd. Euro) bereits übertreffen.
Zahlen des Statistischen Bundesamts zufolge haben die aktuellen Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze zunächst keine negativen Auswirkungen auf die Handelsbilanz. Allerdings hat der Logistikverband BGL besondere Regelungen für die Abfertigung von Lastwagen gefordert, um die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft sicherzustellen. Laut Mautstatistik seien 2024 allein über 9,7 Millionen Ein- und Ausfahrten mautpflichtiger Lkw an den deutsch-polnischen Grenzübergängen registriert worden.
Die Ost-Ausschuss-Vorsitzende Cathrina Claas-Mühlhäuser betonte: "Deutschland und Polen haben seit der EU-Erweiterung 2004 gemeinsam eine wunderbare Erfolgsgeschichte geschrieben. Die Lehre daraus muss sein, dass wir bilaterale Probleme weiterhin in Ruhe besprechen und die EU im engen Schulterschluss gemeinsam weiterentwickeln."
Auch Ukraine-Exporte wachsen kräftig
Die deutschen Ausfuhren in die Ukraine legten den Angaben zufolge im ersten Halbjahr besonders stark um 30 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro zu. "Die Unterstützung und der Wiederaufbau der Ukraine bleiben zentrale Aufgaben für die europäische Politik und Wirtschaft", sagte Claas-Mühlhäuser. Sorgen bereite eine mögliche Schwächung des Antikorruptionskampfes im Land. "Privatwirtschaftliches Engagement und Kapital für den Wiederaufbau sind angewiesen auf ein rechtssicheres Umfeld. Es ist die Aufgabe der ukrainischen Politik, hier Vertrauen auf- und nicht abzubauen."
Handel mit Tschechien erholt, Russland rutscht weiter ab
Ebenfalls positiv entwickelte sich der Handel mit dem Nachbarn Tschechien, der im ersten Halbjahr um 3,4 Prozent auf 57,8 Milliarden Euro zulegen konnte. Der deutsche Export wuchs hier um 1,6 Prozent auf 26,6 Milliarden Euro, während der deutsche Import aus Tschechien um fünf Prozent auf 31,2 Milliarden anstieg. Weitgehend stabil blieb die Bilanz mit der Slowakei, während der Handel mit Ungarn laut Ost-Ausschuss unter wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung in Budapest leidet. Der deutsch-ungarische Handel büßte 3,7 Prozent auf 33,4 Milliarden Euro ein.
Dramatisch bleiben die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Im ersten Halbjahr 2025 ging der deutsch-russische Handel erneut um fast 13 Prozent zurück. Unter den 29 Osthandelsländern ist Russland nunmehr auf Platz 12 abgerutscht und wurde von Serbien, Kroatien und Litauen überholt.
Die Bedeutung der Wachstumsimpulse aus dem Osthandel für die deutsche Konjunktur erkennt man daran, dass die deutschen Exporte im ersten Halbjahr insgesamt um 0,1 Prozent auf 786 Milliarden Euro gesunken sind. Dabei wuchsen die Ausfuhren in die 29 Zielländer des Ost-Ausschusses in Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien um 2,2 Prozent auf 144 Milliarden Euro./hgo/DP/zb