HANNOVER (dpa-AFX) - Der Rückversicherer Hannover Rück muss wie Weltmarktführer Munich Re nach Jahren voller Preiserhöhungen mit weniger auskommen. Bei der jüngsten Vertragserneuerung im Geschäft mit Erstversicherern sanken die Preise bereinigt um Inflation und veränderte Risiken um fast drei Prozent. Dennoch sieht der neue Vorstandschef Clemens Jungsthöfel die Hannover Rück in diesem Jahr weiter auf Kurs zu einem Rekordgewinn von rund 2,4 Milliarden Euro.
An der Börse überwog jedoch die Enttäuschung: Die Hannover-Rück-Aktie gehörte am Nachmittag mit einem Kursverlust von 2,2 Prozent zu den größten Verlierern im Dax . Die Gewinne im laufenden Jahr schrumpften auf nur noch 7,5 Prozent.
Für Analyst Mandeep Jagpal von der kanadischen Bank RBC ist der Kursrückgang keine Überraschung: So würden die Hannover-Rück-Aktien im Vergleich zu anderen Branchenwerten immer noch mit einem deutlichen Aufschlag gehandelt, schrieb er am Morgen.
Im zweiten Quartal steigerte die Hannover Rück ihren Gewinn im Jahresvergleich um 38 Prozent auf 833 Millionen Euro und übertraf damit die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten. Nach dem ersten Halbjahr steht damit ein Gewinn von rund 1,3 Milliarden Euro in den Büchern, obwohl die Hannover Rück im ersten Jahresviertel mehr als 600 Millionen Euro für die Schäden durch die verheerenden Waldbrände in Los Angeles zurückgelegt hatte.
Allerdings profitierte der Konzern von günstigen Währungseffekten zwischen Euro und Dollar sowie einer geringeren Steuerlast. Vor Zinsen und Steuern fiel das Ergebnis etwas schwächer aus als erwartet. Branchenexperte Philip Kett vom Analysehaus Jefferies zeigte sich besonders von der Lebensrückversicherung enttäuscht - zumal die Hannover Rück in diesem Segment nicht zum ersten Mal die Erwartungen verfehlt habe.
Im Schaden- und Unfallgeschäft verbuchte die Hannover Rück im zweiten Quartal Großschäden von lediglich 211 Millionen Euro. Wegen der hohen Belastung durch die Kalifornien-Feuer im ersten Jahresviertel summieren sich die gesamten Großschäden des ersten Halbjahres bei dem Konzern jedoch auf 976 Millionen Euro und liegen damit immer noch über dem Budget von 935 Millionen, das der Vorstand eigentlich für die ersten sechs Monate veranschlagt hatte.
Neben den Waldbränden im ersten Quartal kamen das Unternehmen der Brand einer Öl-Raffinerie im US-Bundesstaat Texas, das Erdbeben in Myanmar sowie Tornados im Mittleren Westen der USA mit zusammen 185 Millionen Euro teuer zu stehen.
Trotz Naturkatastrophen scheinen die Jahre vorerst vorbei, in denen Unternehmen wie Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück von Erstversicherern wie Allianz und Generali immer höhere Preise für die Übernahme von Risiken verlangen konnten.
Bei der Neuverhandlung von Verträgen zum 1. Juni und 1. Juli sanken die erzielten Preise der Hannover Rück um 2,9 Prozent, wenn man Inflation und veränderte Risiken herausrechnet. Die Hannover Rück fuhr ihr Geschäft deshalb um 2,1 Prozent zurück. Zu diesen Terminen werden traditionell Teile des Nordamerikageschäfts erneuert, darunter besonders Naturkatastrophenrisiken. Außerdem steht Geschäft aus Australien und Neuseeland sowie im Bereich Kredit und Kaution zur Neuverhandlung an.
"Die Preise und Konditionen am Markt für Rückversicherung befinden sich nach wie vor auf einem auskömmlichen Niveau", sagte Jungsthöfel, der im April vom Finanzchef zum Vorstandvorsitzenden aufgestiegen war. So hatten die Rückversicherer in den vergangenen Jahren teils so kräftig an der Preisschraube gedreht, dass sich Erstversicherer entschieden, mehr Risiken in den eigenen Büchern zu behalten.
Der neue Finanzvorstand Christian Hermelingmeier sprach in einer Telefonkonferenz von weiter sehr attraktiven Preisen für Rückversicherer. Rechne man die Vertragserneuerungen seit dem 1. Januar zusammen, liege der Preisrückgang bei der Hannover Rück bei etwas über zwei Prozent.
Munich-Re-Chef Joachim Wenning hatte für den Weltmarktführer bereinigt insgesamt sogar nur 1,2 Prozent niedrigere Preise gemeldet./stw/mis/jha/