DJ MARKT-AUSBLICK/USA wecken Sorgen um Ukraine und "Nemax-500"
Von Michael Denzin
DOW JONES--Eine spannende Handelswoche steht Anlegern bevor. Wie üblich dominiert die Politik von US-Präsident Donald Trump die Schlagzeilen. Ab dem Wochenende richtet sich der Blick auf das Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Alaska. Gesprochen wird dort aber über nicht anwesende Dritte - die Ukraine. Es drängen sich Vergleiche mit den 1930er-Jahren auf: Oft zitiert wird der Verweis auf das Münchener Abkommen von 1938, wo Deutschland, Frankreich, Italien und England die Gebiete der Tschechoslowakei neu verteilten - ohne das letztere anwesend war.
Die Ängste ukrainischer Politiker sind also durchaus berechtigt. Trump könnte ukrainische Gebiete verteilen, nur um Schlagzeilen als Friedensstifter zu produzieren. Schließlich versucht der US-Präsident derzeit alles, um die US-Medien von lästigen Nachfragen abzulenken: So von seiner Verwicklung in den Epstein-Skandal.
Politisch wird US-Notenbank schwächer
Keine Ablenkungsmanöver sehen Marktteilnehmer dagegen in den ständigen Aussagen in Richtung US-Notenbank und ihrem Chef Jerome Powell. Hier werde gezielt versucht, die Fed politisch zu unterminieren und ihre Unabhängigkeit zu unterlaufen. "Schon die Aussage, die US-Administration habe 11 Kandidaten als Powell-Nachfolger im Blick, signalisiert dem Markt, dass künftig Tauben am Ruder sein werden", sagt ein Anleihe-Experte. Dadurch preise der Markt bereits jetzt Zinserleichterungen in einem Jahr und später ein, die sich noch gar nicht aus der aktuellen Fed-Politik ableiten lassen. Das Protokoll der jüngsten Fed-Sitzung am kommenden Mittwoch steht daher besonders im Fokus.
Zudem erklärt es auch die milde Reaktion der US-Börsen auf den PPI-Schock, den Inflationssprung der US-Erzeugerpreise im Juli: Angesichts der politischen Aussichten rücken Daten in den USA immer mehr in den Hintergrund. Genauer wird hingegen am Donnerstag auf die Einkaufskosten von Walmart geblickt. Denn diese sind der größte US-Importeur von China-Waren.
US-Daten könnten künftig politisch verzerrt sein
Sorgen machen sich datenbasierte Anleger ohnehin über US-Daten, nun auch noch mit Blick auf deren Qualität. Die Benennung von E.J. Antoni als künftigen Leiter der US-Statistikbehörde deutet politisch verzerrte Wirtschaftsdaten an. Er kommt von der rechtslastigen Heritage Foundation und lobt in Publikationen zum Beispiel, dass die Immigrationspolitik zu steigenden US-Gehältern führe, obgleich das Gegenteil der Fall ist. Und auch, dass die Inflation seit Januar am Sinken ist und weiter fallen wird. Tatsache ist aber, dass die Kernrate der US-Verbraucherpreise seit April steil nach oben zieht. Die Sorgen der Anleger sind berechtigt.
UBS-Chef-Volkswirt Paul Donovan merkt dazu an, dass Antoni zudem darüber nachdenke, die Veröffentlichung wichtiger Daten gleich ganz auszusetzen. Dies habe auch China bereits getan und damit Spekulationen geweckt, was wirklich in der Wirtschaft vor sich geht.
KI - Geballte US-Risiken in nur einem Thema
Sorgen machen sich Anleger dazu über die ungebremst steigenden US-Börsen. Denn der angeblich so marktbreite S&P-500 ist schon lange keine Abbild der US-Wirtschaft mehr. Rund 40 Prozent seiner Kapitalisierung liegt in den Top-10-Aktien. Und diese laufen wiederum nur mit einem Thema: KI. "Selten gab es so einen mono-thematischen Kurstreiber, der ein so immenses Cluster-Risiko darstellt", sagt ein Stratege. Man fühle sich an den Neuen Markt um das Jahr 2000 erinnert und bezeichne den US-Index hausintern gerne als "Nemax-500".
Wie übertrieben die Erwartungen von Investoren an das KI-Thema sind, demonstrierten im Wochenverlauf die Zahlen von Coreweave: Die Aktien des KI-Unternehmens brachen um 20 Prozent ein. Denn die offensichtliche Umsatzexplosion im Sektor wird nur durch massiv steigende Kosten erkauft. Sollten Kursverluste in gleicher Höhe aber bei den Top-10 der KI-Aktien auftreten, würde es den ganzen US-Markt mitreißen.
Dazu kommt eine überbordende Stimmung: "Ein 20-fach überzeichneter Börsengang, 150 Prozent Plus zur Erstnotiz in New York und eine zwischenzeitliche Bewertung von mehr als 5 Milliarden Dollar für eine Kryptobörse mit dem vielsagenden Namen 'Bullish' - wenn es noch eines Indizes bedarf, dass die Stimmung an der Börse viel zu gut ist, dann diesen", warnt Jürgen Molnar von Robomarkets.
Auch andere Experten warnen, so ist am Markt für Kreditversicherungen (CDS) gegen den Ausfall von Anleihen von Sorglosigkeit die Rede. Hedge Fonds würden daher schon short gehen.
Der echte US-Markt sieht ganz anders aus
Die Luft nach unten in den USA ist extrem dünn. Das zeigt sich beim Vergleich des publizierten S&P-500 mit dem "Equal-Weighted" S&P-500. Dieser gewichtet die Kapitalisierung aller Aktien gleich und spiegelt damit die echte Marktbreite der USA wider. Er legte auf Jahressicht um 10,7 Prozent zu, der durch KI-Aktien verzerrte S&P-500 dagegen um 18,6 Prozent. Über mehr als zehn Jahre liefen beide Indizes mehr oder weniger parallel. Der Hype um KI sorgte erst ab Anfang 2024 für eine Absetzbewegung nach oben. Damit dürfte der Umfang des Abwärtspotenzials der US-Börsen definiert werden.
Der Kalender der kommenden Woche dürfte zunächst von den Alaska-Ukraine-Diskussionen geprägt sein. Danach dürfte man sich wieder Fakten zuwenden. So erwarten Anleger Indikationen über die weltweite Konjunktur und ihre Belastung durch die Trump-Zölle mit den frischen Einkaufsmanager-Indizes (PMI). Zum Thema Inflation stehen neben dem Fed-Protokoll und Walmart zahlreiche Notenbanken rund um den Globus mit ihren Einschätzungen der Lage im Blick.
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