Warum Lerngeschwindigkeit für Software-Startups entscheidend ist -Martin Möllmann von HTGF über frühe Kennzahlen, nachhaltiges Wachstum und den oft fehlenden Ehrgeiz deutscher Gründer.
Während viele Gründer hoffen, dass Investoren Geduld mit unausgereiften Ideen haben, zieht Martin Möllmann eine klare Grenze: "Die Lerngeschwindigkeit entscheidet über die Trefferquote." Senior Investment Manager beim High-Tech Gründerfonds (HTGF) investiert in Software-Startups, wenn diese früh echte Probleme lösen, Kunden halten - und Fehler konsequent korrigieren.
Im Gespräch zeigt er, warum nachhaltiges Wachstum mehr ist als gut finanzierte Beschleunigung, wieso deutsche Teams beim Ehrgeiz oft zu vorsichtig bleiben und welche Hürden den Sprung über Landesgrenzen meist verhindern.
Was muss ein junges Software-Startup in der Frühphase zeigen, damit Sie sagen: Das reicht für ein Investment?
Ich will sehen, dass ein echtes Problem gelöst wird und Kundinnen und Kunden bereit sind zu zahlen. Fünfzehn bis zwanzig zahlende Betriebe oder sehr aktive Pilotkunden sind ein guter Start. Wichtig sind frühe Kennzahlen: hohe Bruttomarge, Kunden bleiben nach drei bis sechs Monaten und nutzen mehr Funktionen oder Plätze. Der Weg zu neuen Kunden sollte wiederholbar sein (klare Zielgruppe, einfacher Vertriebskanal). Und ein Team, das schnell liefert, zuhört und ändert, wenn etwas nicht funktioniert.
Was ist anspruchsvoller: Software für Unternehmen zu bauen - oder für Menschen?
Am Ende bauen wir immer für Menschen. Unternehmenssoftware ist oft anspruchsvoller, weil mehrere Rollen überzeugt werden müssen: Anwender, Entscheider, IT, Buchhaltung. Gleichzeitig braucht es Sicherheit, Rechte, Schnittstellen und trotzdem einen schnellen Nutzen nach der Einführung. Wer komplexe Abläufe in wenige klare Schritte übersetzt und messbaren Geschäftsnutzen zeigt, gewinnt.
Wenn man mit Frühphasen-Investoren spricht, hört man oft von "Team, Timing, Markt". Was ist der entscheidende vierte Faktor, der selten erwähnt wird - aber oft den Unterschied macht?
Die Lerngeschwindigkeit. Wie schnell ein Team mit Kunden spricht, Erkenntnisse sammelt und konsequent umsetzt, entscheidet über die Trefferquote. Dafür schaue ich auf Veröffentlichungsrhythmus, konkrete Nutzerinterviews pro Woche und sichtbare Produktentscheidungen daraus. Wer Irrtümer früh erkennt und korrigiert, spart Kapital und findet schneller den passenden Markt.
Wachstum ist ein zentrales Ziel in der Frühphase - ab wann sprechen Sie tatsächlich von nachhaltigem Wachstum und nicht nur von gut finanzierter Beschleunigung?
Wenn neue Kunden nicht die Abgänge verdecken, sondern die bestehenden bleiben und mehr nutzen. Dann sieht man stabile Kohorten, steigende Weiterempfehlungen und wachsende Umsätze pro Kunde. Die Gewinnungskosten werden innerhalb von zwölf bis achtzehn Monaten zurückverdient, und jeder neue Euro Umsatz braucht deutlich weniger als einen Euro zusätzlicher Vertriebsausgaben. Prozesse für Vertrieb, Einführung und Betreuung funktionieren wiederholbar - nicht nur mit Sonderaktionen.
In Deutschland wird viel über fehlenden Mut zum Gründen gesprochen - müssten wir nicht genauso häufig über fehlenden unternehmerischen Ehrgeiz beim Wachsen reden?
Ja. Zu viele Teams bleiben zu lange klein und "sauber", statt gezielt größer zu denken. Ehrgeiz heißt: klare Marktposition, früh testen in Nachbarländern, Preise selbstbewusst setzen und Schlüsselrollen rechtzeitig einstellen. Wachstum darf diszipliniert sein, aber es braucht eine echte Zielgröße und einen Plan, den Markt zu gewinnen - nicht nur mitzuspielen.
Was hindert vielversprechende Software-Startups am häufigsten daran, über die Landesgrenzen hinaus wirklich relevant zu werden?
Meist fehlt ein planbarer Vertrieb außerhalb des Heimatmarkts. Produkte sind nicht ausreichend lokalisiert (Sprache, Steuern, Regeln), es gibt keine lokalen Partner oder Referenzen, und Marketing findet nicht in gutem Englisch statt. Zudem wird zu spät in erfahrene Verkäuferinnen und Verkäufer vor Ort investiert. Besser: ein bis zwei Einstiegsmärkte wählen, klare Pakete und Preise, lokale Glaubwürdigkeit aufbauen und Support von Anfang an skalierbar organisieren.
Zum Schluss nehmen wir noch an, Sie müssten Ihre Investmententscheidungen nach klassischen Börsenkriterien wie Quartalszielen oder EBIT treffen - wie viele Ihrer bisherigen Startups würden dann noch ins Portfolio passen?
Sehr wenige. Im frühen Stadium sind operativer Gewinn (EBIT) und Quartalsziele noch nicht stabil messbar, weil erst Produkt, Vertrieb und Marktposition entstehen. Ein strenger Börsenblick würde viele künftige Gewinner aussortieren, bevor ihr Kurvenverlauf sichtbar wird. Wahrscheinlich bliebe nur ein kleiner einstelliger Anteil - die späteren, besonders kapitaleffizienten Fälle. Zum Glück dürfen wir in mehrjährigen Zeiträumen denken.
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