Mainz (ots) -
Kommunen kontrollieren so gut wie nie, ob sich Unternehmen nach einer Auftragsvergabe an geltende Arbeitnehmergesetze halten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des ARD-Politikmagazins "Report Mainz". Demnach haben im vergangenen Jahr nur vier Prozent der befragten Landkreise und kreisfreien Städte eigene Kontrollen durchgeführt, 96 Prozent verzichteten darauf. Die Antwortrate lag bei 74 Prozent.
Für die Umfrage wurden alle Kommunen jener 14 Bundesländer angefragt, in denen es Regelungen zur Tariftreue gibt (291 Landkreise und kreisfreie Städte). Nur Bayern und Sachsen haben keine spezifischen Tariftreue-Gesetze. Im Saarland führt das Arbeits- und Sozialministerium über eine eigene "Prüfbehörde Tariftreue" stellvertretend für die sechs Landkreise Kontrollen durch. So will man zum Beispiel Verstöße gegen den gesetzlichen Mindestlohn, Schwarzarbeit sowie Lohn- und Sozialdumping ahnden.
Tariftreue- und Vergabegesetze ermöglichen Kontrollen
Laut geltenden Tariftreue- und Vergabegesetzen der Bundesländer haben die Kommunen selbst die Möglichkeit, Unternehmen nach einer Auftragsvergabe noch einmal genau zu überprüfen. Sie können sich zum Beispiel Lohnabrechnungen sowie Urlaubs- und Arbeitszeiten von Mitarbeitern beauftragter Unternehmen vorlegen lassen. Auch Vor-Ort-Kontrollen auf Baustellen und in Betrieben sind möglich.
In der Umfrage hatten lediglich neun Kommunen angegeben, im Jahr 2024 schon beauftragte Unternehmen nochmals überprüft zu haben. Spitzenreiter war Berlin mit 220 Kontrollen, gefolgt von Frankfurt am Main mit 152 Vor-Ort-Kontrollen. Das Saarland gab 69 Prüfungen an, Bremen insgesamt 27 Kontrollen, davon 15 vor Ort.
Kommunen verweisen auf Personalmangel und den Zoll
Wegen des Personalmangels verzichten viele Rathäuser und Landratsämter aber darauf, bereits beauftragte Unternehmen noch einmal strenger zu durchleuchten. Auf die Frage, ob genügend personelle und finanzielle Ressourcen vorhanden seien, um das Einhalten von Arbeiternehmerrechten gemäß der jeweiligen Tariftreueregelung zu überprüfen, antworteten 35 Prozent der Kommunen mit "Ja", 65 Prozent hingegen mit "Nein". Die Antwortrate lag hier bei 62 Prozent.
In den Tariftreue- und Vergabegesetzen der Bundesländer ist meist von einer Kontroll-Möglichkeit ("dürfen") die Rede, eine Kontrollpflicht besteht lediglich in Brandenburg. Dennoch fordern Rechtswissenschaftler wie Manfred Walser von der Hochschule Mainz die Kommunen auf, in dem Bereich aktiver zu werden. "Das ist wie auf der Autobahn, wo man auch Angst davor haben muss, dass ein Blitzer kommt. Dann hält man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung", sagt der Jurist. Entscheidend sei, dass die Kommunen auch selbst kontrollierten und sich nicht allein auf den Zoll bzw. die Finanzkontrolle Schwarzarbeit verließen. "Der Zoll ist chronisch unterbesetzt, kann nicht einmal die Stellen besetzen, die ihm zustehen. Ganz abgesehen davon, dass die Auftraggeber viel besser überprüfen können, ob das plausibel ist, was sie da beauftragt haben", so Walser.
Tariftreuegesetz für Vergaben des Bundes auf dem Weg
Kritik übt der Rechtsexperte an Details zum vorliegenden Regierungsentwurf für ein bundesweites Tariftreuegesetz. Am 6. August hatte das Bundeskabinett den Entwurf verabschiedet und auf den parlamentarischen Weg gebracht. Es soll unter anderem eine "Bundesprüfstelle Tariftreue" eingerichtet werden, die Unternehmen, die vom Bund beauftragt wurden, noch einmal strenger durchleuchtet. Die Prüfstelle soll bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See angesiedelt und mit acht Vollzeitstellen ausgestattet sein. "Wenn das schon das Ende der Fahnenstange ist, dann wird das nicht reichen", meint Walser.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales teilt auf Anfrage von "Report Mainz" mit, dass die geplante "Prüfstelle Bundestariftreue" sich nicht nur auf "Buchprüfungen" beschränke, sondern auch die Möglichkeiten von Vor-Ort-Kontrollen miteinschließe. Darüber hinaus nennt das Ministerium weitere Aspekte für ein aus seiner Sicht wirkungsvolles Kontrollsystem: etwa die Möglichkeit von Vertragsstrafen und ein außerordentliches Kündigungsrecht. Zudem könnten Unternehmen, die sich nicht an die Tariftreue halten und Arbeiternehmerrechte missachten, künftig von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
Zitate gegen Quellenangabe frei.
Weitere Informationen auch auf www.reportmainz.de
Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion "Report Mainz" an, Tel.: 06131 929-33351.
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Pressekontakt: Sibylle Schreckenberger, Tel.: 06131 / 929-32755, sibylle.schreckenberger@swr.de
Original-Content von: SWR - Das Erste, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/75892/6100119
Kommunen kontrollieren so gut wie nie, ob sich Unternehmen nach einer Auftragsvergabe an geltende Arbeitnehmergesetze halten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des ARD-Politikmagazins "Report Mainz". Demnach haben im vergangenen Jahr nur vier Prozent der befragten Landkreise und kreisfreien Städte eigene Kontrollen durchgeführt, 96 Prozent verzichteten darauf. Die Antwortrate lag bei 74 Prozent.
Für die Umfrage wurden alle Kommunen jener 14 Bundesländer angefragt, in denen es Regelungen zur Tariftreue gibt (291 Landkreise und kreisfreie Städte). Nur Bayern und Sachsen haben keine spezifischen Tariftreue-Gesetze. Im Saarland führt das Arbeits- und Sozialministerium über eine eigene "Prüfbehörde Tariftreue" stellvertretend für die sechs Landkreise Kontrollen durch. So will man zum Beispiel Verstöße gegen den gesetzlichen Mindestlohn, Schwarzarbeit sowie Lohn- und Sozialdumping ahnden.
Tariftreue- und Vergabegesetze ermöglichen Kontrollen
Laut geltenden Tariftreue- und Vergabegesetzen der Bundesländer haben die Kommunen selbst die Möglichkeit, Unternehmen nach einer Auftragsvergabe noch einmal genau zu überprüfen. Sie können sich zum Beispiel Lohnabrechnungen sowie Urlaubs- und Arbeitszeiten von Mitarbeitern beauftragter Unternehmen vorlegen lassen. Auch Vor-Ort-Kontrollen auf Baustellen und in Betrieben sind möglich.
In der Umfrage hatten lediglich neun Kommunen angegeben, im Jahr 2024 schon beauftragte Unternehmen nochmals überprüft zu haben. Spitzenreiter war Berlin mit 220 Kontrollen, gefolgt von Frankfurt am Main mit 152 Vor-Ort-Kontrollen. Das Saarland gab 69 Prüfungen an, Bremen insgesamt 27 Kontrollen, davon 15 vor Ort.
Kommunen verweisen auf Personalmangel und den Zoll
Wegen des Personalmangels verzichten viele Rathäuser und Landratsämter aber darauf, bereits beauftragte Unternehmen noch einmal strenger zu durchleuchten. Auf die Frage, ob genügend personelle und finanzielle Ressourcen vorhanden seien, um das Einhalten von Arbeiternehmerrechten gemäß der jeweiligen Tariftreueregelung zu überprüfen, antworteten 35 Prozent der Kommunen mit "Ja", 65 Prozent hingegen mit "Nein". Die Antwortrate lag hier bei 62 Prozent.
In den Tariftreue- und Vergabegesetzen der Bundesländer ist meist von einer Kontroll-Möglichkeit ("dürfen") die Rede, eine Kontrollpflicht besteht lediglich in Brandenburg. Dennoch fordern Rechtswissenschaftler wie Manfred Walser von der Hochschule Mainz die Kommunen auf, in dem Bereich aktiver zu werden. "Das ist wie auf der Autobahn, wo man auch Angst davor haben muss, dass ein Blitzer kommt. Dann hält man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung", sagt der Jurist. Entscheidend sei, dass die Kommunen auch selbst kontrollierten und sich nicht allein auf den Zoll bzw. die Finanzkontrolle Schwarzarbeit verließen. "Der Zoll ist chronisch unterbesetzt, kann nicht einmal die Stellen besetzen, die ihm zustehen. Ganz abgesehen davon, dass die Auftraggeber viel besser überprüfen können, ob das plausibel ist, was sie da beauftragt haben", so Walser.
Tariftreuegesetz für Vergaben des Bundes auf dem Weg
Kritik übt der Rechtsexperte an Details zum vorliegenden Regierungsentwurf für ein bundesweites Tariftreuegesetz. Am 6. August hatte das Bundeskabinett den Entwurf verabschiedet und auf den parlamentarischen Weg gebracht. Es soll unter anderem eine "Bundesprüfstelle Tariftreue" eingerichtet werden, die Unternehmen, die vom Bund beauftragt wurden, noch einmal strenger durchleuchtet. Die Prüfstelle soll bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See angesiedelt und mit acht Vollzeitstellen ausgestattet sein. "Wenn das schon das Ende der Fahnenstange ist, dann wird das nicht reichen", meint Walser.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales teilt auf Anfrage von "Report Mainz" mit, dass die geplante "Prüfstelle Bundestariftreue" sich nicht nur auf "Buchprüfungen" beschränke, sondern auch die Möglichkeiten von Vor-Ort-Kontrollen miteinschließe. Darüber hinaus nennt das Ministerium weitere Aspekte für ein aus seiner Sicht wirkungsvolles Kontrollsystem: etwa die Möglichkeit von Vertragsstrafen und ein außerordentliches Kündigungsrecht. Zudem könnten Unternehmen, die sich nicht an die Tariftreue halten und Arbeiternehmerrechte missachten, künftig von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
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