DJ ÜBERBLICK am Mittag/Konjunktur, Zentralbanken, Politik
Die wichtigsten Ereignisse und Meldungen zu Konjunktur, Zentralbanken, Politik aus dem Programm von Dow Jones Newswires
Deutsches BIP sinkt im zweiten Quartal um 0,3 Prozent
Die deutsche Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal 2025 schwächer entwickelt als zunächst berichtet. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in zweiter Veröffentlichung mitteilte, sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) saison- und kalenderbereinigt um 0,3 Prozent. Vorläufig hatten die Statistiker nur ein Minus von 0,1 Prozent gemeldet. Im Jahresvergleich lag das BIP revidiert um 0,2 Prozent höher. Bei der vorläufigen Meldung war ein Plus von 0,4 Prozent genannt worden. Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen hatten mit einer Bestätigung der vorläufigen Zahlen gerechnet.
Handelskrieg hinterlässt starke Bremsspuren
Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW, sieht hinter der Abwärtsrevision für das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht zuletzt die Auswirkungen des Handelskonflikts. "Der Rückgang des BIP im zweiten Quartal fiel dann doch etwas stärker aus als ursprünglich gemeldet. Zwar scheint die Volatilität der Quartalszahlen im Moment sehr hoch zu sein, aber das Ergebnis deutet auch tiefere Bremsspuren des Handelskriegs an als zunächst vermutet", schreibt Schumacher in einem Kommentar. Dies spiegelt sich auch in einem deutlichen Rückgang der Industrieproduktion im zweiten Quartal wider."
Wachstumsbelebung war nur ein Strohfeuer
Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe, ist sehr überrascht von den nach unten revidierten Zahlen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal. "Diese Konjunkturnachricht zieht einem schon am frühen Morgen die Schuhe aus", sagte Krüger. "Die Wachstumsbelebung zu Jahresbeginn war nur ein Strohfeuer, mehr nicht. Das fette Minus bei den Exporten ist das Ergebnis des zollgehemmten Handels. Der Privatkonsum hält sich zwar, er wird aber auch durch Spargroschen gefüttert. Der Zoll-Deal mit den USA wird erst einmal Wachstumspunkte kosten."
BIP-Revision noch kein Zeichen für Wirtschaftseinbruch
Die Commerzbank sieht in den schwachen Daten zum deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch kein Anzeichen für einen erneuten Einbruch der Wirtschaft. "Das Minus im zweiten Quartal ist wohl zum Teil eine Gegenbewegung zu der recht positiven Entwicklung zu Jahresbeginn, wobei die späte Lage des Osterfestes und Vorzieheffekte angesichts der drohenden US-Zölle eine Rolle gespielt haben dürften", erklärt Ökonom Ralph Solveen in einem Kommentar. "Darum sollte jetzt nicht von einem neuerlichen Einbruch die Rede sein."
Deutschlands Erholung lässt auf sich warten
Deutschlands wirtschaftliche Erholung rückt laut Carsten Brzeski von ING weiter in die Ferne. Die wichtigste Volkswirtschaft Europas ist den aktuellen Daten zufolge im zweiten Quartal um 0,3 Prozent geschrumpft. Dies ist eine Revision gegenüber der vorherigen Schätzung einer leichten Schrumpfung von 0,1 Prozent. Mit Blick auf die Zukunft würden Zölle die exportorientierte deutsche Wirtschaft belasten, meint Brzeski. "Es könnte bis zum nächsten Jahr dauern, bevor eine substanziellere Erholung einsetzt", warnt er die Anleger in einer Researchnote.
EZB: Anstieg der Tariflöhne beschleunigt sich im zweiten Quartal
Der Anstieg der Tariflöhne im Euroraum hat sich im zweiten Quartal beschleunigt. Der von der Europäischen Zentralbank (EZB) erhobene Tariflohnindikator stieg mit einer Jahresrate von 3,95 Prozent. Für das erste Quartal meldete die EZB einen Zuwachs von 2,46 Prozent. Die EZB beobachtet die Lohnentwicklung genau, weil sie Rückschlüsse auf die Verbraucherpreisentwicklung vor allem im Dienstleistungssektor zulässt.
US-Zinsen dürften trotz Powell-Rede sinken
Die Fed könnte in den nächsten 18 Monaten sechs Zinssenkungen um einen Viertelprozentpunkt vornehmen und den Leitzins so bis Ende 2026 auf 3,0 Prozent senken, meint Phil Orlando, Chef-Marktstratege bei Federated Hermes. Der US-Arbeitsmarkt habe sich deutlich verlangsamt, und die Inflation sei viel besser als vor drei Jahren, fügt er hinzu. Angesichts der Aufnahme von Stephen Miran in den Gouverneursrat der US-Notenbank und eines neuen Fed-Vorsitzenden, der Amtsinhaber Jerome Powell bis Mai ersetzen werde, dürften die Zinsen in den nächsten 18 Monaten sinken, glaubt Orlando.
Glaubwürdigkeit der Fed im Fokus
Obwohl das durchschnittliche US-Stellenwachstum der letzten drei Monate jetzt bei nur 35.000 liegt, würden die stimmberechtigten Mitglieder der Fed - insbesondere jene, die sich mehr Sorgen darüber machen, dass sich die Kerninflation (PCE) weiter von ihrem 2-Prozent-Ziel entfernt - vor einer vorsorglichen Zinssenkung einen weiteren schwachen Arbeitsmarktbericht am 5. September sehen wollen, meint Chris Weston, Head of Research bei Pepperstone. Die Glaubwürdigkeit der Fed stehe klar im Fokus, fügt er hinzu.
Fed dürfte keine geldpolitische Wende signalisieren
Die Vorsitzenden der US-Notenbank haben das jährliche Symposium in Jackson Hole bereits in der Vergangenheit genutzt, um wichtige Weichenstellungen zu kommunizieren, aber in diesem Jahr sei dies unwahrscheinlich, schreibt Christoph Rieger von der Commerzbank in einem Kommentar. "Obwohl wir keine größere Wende erwarten, wäre es im Einklang mit früheren Äußerungen [dass die Fed auf weitere Daten wartet] konsequent, die Tür für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte im September zu öffnen", so der Leiter des Bereichs Rates and Credit Research.
Harte Landung der US-Wirtschaft wahrscheinlicher
Schroders sieht eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine "harte Landung" der US-Wirtschaft, wie der Anleihestratege James Bilson in einer Research Note schreibt. Möglich sei eine plötzliche Verlangsamung der Wirtschaft oder sogar eine Rezession. Schroders sieht für dieses Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent, deutlich mehr als die geschätzten 10 Prozent im Juli. Zudem sieht Schroders eine viel geringere Wahrscheinlichkeit (10 Prozent gegenüber 25 Prozent im Juli) für ein "No Landing"-Szenario, bei dem die Wirtschaft trotz sinkender Inflation weiter wächst. Die allgemeine Einschätzung von Schroders sei aber, dass die US-Wirtschaft "sich 'durchwurstelt', mit einem Wachstum, das positiv ist, wenn auch wenn es nicht besonders stark", schreibt Bilson.
Britische Inflation stellt Verbrauchervertrauen auf Probe
Die Stimmung der britischen Haushalte dürfte durch die steigende Inflation belastet werden, schreibt Elliott Jordan-Doak von Pantheon Macroeconomics. Das Verbrauchervertrauen ist laut einem am Freitag von der Forschungsgruppe GfK veröffentlichten Index im August auf minus 17 von minus 19 im Juli gestiegen. Die jüngste Zinssenkung der Bank of England habe die Stimmung etwas aufgehellt. Die Zentralbank dürfte die Zinsen jedoch für den Rest des Jahres nicht weiter senken. Da aber die Inflation steige und in den nächsten Monaten wahrscheinlich hoch bleiben werde, dürfte das Verbrauchervertrauen auf eine Probe gestellt werden, meint Jordan-Doak.
Erstmals im Nahen Osten: Hungersnot in Gaza-Stadt festgestellt
Internationale Experten für Lebensmittelsicherheit haben festgestellt, dass im Gebiet von Gaza-Stadt eine Hungersnot herrscht. Dies ist die erste Feststellung dieser Art im Nahen Osten und erhöht den Druck auf Israel, das sich darauf vorbereitet, den Krieg inmitten einer katastrophalen humanitären Situation auszuweiten. Die Integrated Food Security Phase Classification (IPC), ein weltweites Gremium, das mit der Bewertung von Hungersnöten betraut ist, weist schon seit langem auf Hunger und Unterernährung im Gazastreifen hin, erklärte aber jetzt, dass die Lebensmittelknappheit in und um Gaza-Stadt im Norden des Streifens so stark zugenommen hat, dass die Situation nun die offiziellen Kriterien einer Hungersnot erfüllt. Derartige Erklärungen sind selten.
DJG/DJN/apo
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August 22, 2025 07:30 ET (11:30 GMT)
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