Berlin (ots) -
Der Bundesrechnungshof (BRH) hat die Entwicklung der Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) untersucht. Nach seiner Einschätzung sind vor allem strukturelle Probleme der Grund für die fehlenden Finanzreserven der Krankenkassen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) teilt diese Einschätzung - widerspricht allerdings deutlich in einem zentralen Punkt: Die Empfehlung des BRH, sich für kurzfristige Einsparungen auf das Gutachten des Sachverständigenrats (SVR) zu stützen, ist aus Sicht der pharmazeutischen Industrie fatal: "Wer das Preisgefüge von Arzneimitteln immer weiter nach unten schraubt, schwächt nicht nur die Innovationskraft pharmazeutischer Unternehmen, sondern verkennt die volkswirtschaftlichen Folgen und gefährdet zugleich die Versorgung von Patientinnen und Patienten", warnt Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI. "Die Fehler- und Lösungssuche bei der Finanzmisere der GKV muss an anderer Stelle ansetzen", betont Joachimsen.
Nachhaltige Reform der GKV-Finanzierung ist überfällig
"Ein Beispiel für eine mangelhafte Strukturfinanzierung ist die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern - sie belastet die GKV jährlich mit rund zehn Milliarden Euro. Das ist struktur- und systemwidrig. Aktuell wird sie durch Versicherte und Arbeitgeber querfinanziert. Wie Bundesgesundheitsministerin Nina Warken richtigerweise erkannt hat, ist es dringend notwendig, die GKV von Kosten gesamtstaatlicher Aufgaben zu befreien. Diese Leistungen gehören vollständig steuerfinanziert", betont Joachimsen. "Stattdessen erleben wir nur kurzfristige Nothilfen wie rückzahlungspflichtige Darlehen, die den Druck auf das System weiter erhöhen."
Ausgabenentwicklung: Eine Frage des Kontexts
Der BRH verweist insbesondere auf steigende Ausgaben bei patentgeschützten Arzneimitteln. Der BPI betont jedoch:
"Auch wenn hochinnovative Therapien zunächst hochpreisig erscheinen, entlasten sie langfristig das Gesundheitssystem erheblich - sie führen dazu, dass tödliche Krankheitsverläufe verhindert oder schwere Leiden gelindert werden. Zum anderen trägt unsere Industrie bereits seit Jahren erheblich zur Stabilisierung der GKV bei. Trotzdem wird immer wieder der Eindruck erweckt, Arzneimittel seien das Hauptproblem - und das, obwohl ihr Kostenanteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen seit Jahren konstant bei etwa elf Prozent nach Abzug aller Handelsstufen liegt. Mehr als 35 Preisinstrumente wirken inzwischen auf unsere Branche ein - unsere Unternehmen ersticken fast im Regulierungsdickicht", kritisiert Joachimsen.
- Rabattverträge entlasten die Kassen jährlich um fast sechs Milliarden Euro.
- Durch Erstattungsbeträge (AMNOG) sind die Einsparungen von 144 Millionen Euro (2013) auf voraussichtlich 7,3 Milliarden Euro im Jahr 2024 gestiegen.
- Über Zwangsabschläge zahlte die Industrie 2023 zusätzliche 2,8 Milliarden Euro, 2024 werden es immer noch rund 1,7 Milliarden Euro sein.
- Festbeträge sorgen seit über 30 Jahren für weitere Einsparungen von rund acht Milliarden Euro jährlich.
Grafik: 30 Jahre Überregulierung der pharmazeutischen Industrie
BPI-Position zum SVR-Gutachten
"In der aktuellen Debatte liefert das Gutachten des Sachverständigenrats (SVR) zwar auch gute Impulse - etwa bei einer stärkeren Digitalisierung im Gesundheitswesen oder einer gezielten Förderung der klinischen Forschung. Doch die vielen tiefgreifenden Markteingriffe in die Arzneimittelpreisbildung konterkarieren ganz klar zentrale Zusagen im Koalitionsvertrag. Doch gerade jetzt benötigt Deutschland einen Investitionsbooster in dieser Schlüsselindustrie ", ergänzt Joachimsen.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie empfiehlt:
- Marktzugang sichern: Eine freie Preisbildung zum Launch neuer Arzneimittel ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die frühe Verfügbarkeit von neuen Arzneimitteln in Deutschland - Interimspreise würden den Zugang von Patientinnen und Patienten zu neuen Therapien verzögern.
- Planungssicherheit erhöhen: Eine verbindliche und frühzeitige Festlegung der Vergleichstherapie schafft Verlässlichkeit für Studien, Nutzenbewertungen und Preisverhandlungen.
- Menschen mit seltenen Erkrankungen nicht aus den Augen verlieren: Der Zusatznutzen von Arzneimitteln gegen seltene Leiden (Orphan Drugs) muss weiterhin automatisch anerkannt werden. Andernfalls drohen Rückschritte bei der Forschung für und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen.
- Keine verdeckte Rationierung durch Schwellenwerte: Kosten-Nutzwert-Bewertungen nur gezielt einsetzen - routinemäßige Anwendungen schaffen Hürden.
- Preisverhandlungen ausbalancieren: Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln dürfen nicht allein beim GKV-Spitzenverband liegen (bspw. durch Rücktritt während laufender Verhandlungen) - Verhandlungsposition der Hersteller muss vielmehr gestärkt werden.
- Innovationsfreundliche Vergütung anstreben: Schrittinnovationen müssen honoriert und Preismodelle für spezifische Therapierichtungen, wie zum Beispiel Pay for Performance, gesetzlich verankert werden.
- Re-Evaluationen des Zusatznutzens mit Augenmaß: Gesetzliche Möglichkeiten bestehen bereits - permanente Neubewertungen sind weder für Unternehmen noch für Behörden leistbar.
- Keine Arzneimittelbudgets: Sie würden Innovationsanreize hemmen, das AMNOG entwerten und implizit zur Rationierung von Patienten und Patientinnen führen.
- Flexible Preisanpassungen bereits möglich: Das Preisbildungssystem erlaubt heute schon dynamische Anpassungen, zusätzliche Instrumente sind unnötig.
- Standort stärken: Bürokratie abbauen, digitale Forschungsinfrastruktur ausbauen, steuerfinanzierte Förderung sichern.
- Pharma als Leitindustrie anerkennen: Arzneimittel nicht nur als Kosten, sondern als Investition in Gesundheit und Wirtschaft verstehen.
Pharmadialog als Schlüssel für tragfähige Lösungen
"Wichtig für unsere Industrie ist jetzt, dass der Pharmadialog nach der parlamentarischen Sommerpause zügig fortgesetzt wird. Wir erhoffen uns, dass dann weitere Vorhaben mit Tempo und klaren Prioritäten umgesetzt werden. Denn Deutschland braucht eine faire Preisgestaltung für Arzneimittel - nur so können Unternehmen auch Forschung und Produktion hierzulande refinanzieren und die Politik wiederum Herausforderungen durch eine alternde Gesellschaft, steigende Kosten und wachsender Versorgungsbedarfe meistern", sagt Joachimsen.
Pressekontakt:
Laura Perotti (Stellvertretende Pressesprecherin),
Tel. 030 27909-131, lperotti@bpi.de
Original-Content von: BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/21085/6103462
Der Bundesrechnungshof (BRH) hat die Entwicklung der Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) untersucht. Nach seiner Einschätzung sind vor allem strukturelle Probleme der Grund für die fehlenden Finanzreserven der Krankenkassen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) teilt diese Einschätzung - widerspricht allerdings deutlich in einem zentralen Punkt: Die Empfehlung des BRH, sich für kurzfristige Einsparungen auf das Gutachten des Sachverständigenrats (SVR) zu stützen, ist aus Sicht der pharmazeutischen Industrie fatal: "Wer das Preisgefüge von Arzneimitteln immer weiter nach unten schraubt, schwächt nicht nur die Innovationskraft pharmazeutischer Unternehmen, sondern verkennt die volkswirtschaftlichen Folgen und gefährdet zugleich die Versorgung von Patientinnen und Patienten", warnt Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI. "Die Fehler- und Lösungssuche bei der Finanzmisere der GKV muss an anderer Stelle ansetzen", betont Joachimsen.
Nachhaltige Reform der GKV-Finanzierung ist überfällig
"Ein Beispiel für eine mangelhafte Strukturfinanzierung ist die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern - sie belastet die GKV jährlich mit rund zehn Milliarden Euro. Das ist struktur- und systemwidrig. Aktuell wird sie durch Versicherte und Arbeitgeber querfinanziert. Wie Bundesgesundheitsministerin Nina Warken richtigerweise erkannt hat, ist es dringend notwendig, die GKV von Kosten gesamtstaatlicher Aufgaben zu befreien. Diese Leistungen gehören vollständig steuerfinanziert", betont Joachimsen. "Stattdessen erleben wir nur kurzfristige Nothilfen wie rückzahlungspflichtige Darlehen, die den Druck auf das System weiter erhöhen."
Ausgabenentwicklung: Eine Frage des Kontexts
Der BRH verweist insbesondere auf steigende Ausgaben bei patentgeschützten Arzneimitteln. Der BPI betont jedoch:
"Auch wenn hochinnovative Therapien zunächst hochpreisig erscheinen, entlasten sie langfristig das Gesundheitssystem erheblich - sie führen dazu, dass tödliche Krankheitsverläufe verhindert oder schwere Leiden gelindert werden. Zum anderen trägt unsere Industrie bereits seit Jahren erheblich zur Stabilisierung der GKV bei. Trotzdem wird immer wieder der Eindruck erweckt, Arzneimittel seien das Hauptproblem - und das, obwohl ihr Kostenanteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen seit Jahren konstant bei etwa elf Prozent nach Abzug aller Handelsstufen liegt. Mehr als 35 Preisinstrumente wirken inzwischen auf unsere Branche ein - unsere Unternehmen ersticken fast im Regulierungsdickicht", kritisiert Joachimsen.
- Rabattverträge entlasten die Kassen jährlich um fast sechs Milliarden Euro.
- Durch Erstattungsbeträge (AMNOG) sind die Einsparungen von 144 Millionen Euro (2013) auf voraussichtlich 7,3 Milliarden Euro im Jahr 2024 gestiegen.
- Über Zwangsabschläge zahlte die Industrie 2023 zusätzliche 2,8 Milliarden Euro, 2024 werden es immer noch rund 1,7 Milliarden Euro sein.
- Festbeträge sorgen seit über 30 Jahren für weitere Einsparungen von rund acht Milliarden Euro jährlich.
Grafik: 30 Jahre Überregulierung der pharmazeutischen Industrie
BPI-Position zum SVR-Gutachten
"In der aktuellen Debatte liefert das Gutachten des Sachverständigenrats (SVR) zwar auch gute Impulse - etwa bei einer stärkeren Digitalisierung im Gesundheitswesen oder einer gezielten Förderung der klinischen Forschung. Doch die vielen tiefgreifenden Markteingriffe in die Arzneimittelpreisbildung konterkarieren ganz klar zentrale Zusagen im Koalitionsvertrag. Doch gerade jetzt benötigt Deutschland einen Investitionsbooster in dieser Schlüsselindustrie ", ergänzt Joachimsen.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie empfiehlt:
- Marktzugang sichern: Eine freie Preisbildung zum Launch neuer Arzneimittel ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die frühe Verfügbarkeit von neuen Arzneimitteln in Deutschland - Interimspreise würden den Zugang von Patientinnen und Patienten zu neuen Therapien verzögern.
- Planungssicherheit erhöhen: Eine verbindliche und frühzeitige Festlegung der Vergleichstherapie schafft Verlässlichkeit für Studien, Nutzenbewertungen und Preisverhandlungen.
- Menschen mit seltenen Erkrankungen nicht aus den Augen verlieren: Der Zusatznutzen von Arzneimitteln gegen seltene Leiden (Orphan Drugs) muss weiterhin automatisch anerkannt werden. Andernfalls drohen Rückschritte bei der Forschung für und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen.
- Keine verdeckte Rationierung durch Schwellenwerte: Kosten-Nutzwert-Bewertungen nur gezielt einsetzen - routinemäßige Anwendungen schaffen Hürden.
- Preisverhandlungen ausbalancieren: Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln dürfen nicht allein beim GKV-Spitzenverband liegen (bspw. durch Rücktritt während laufender Verhandlungen) - Verhandlungsposition der Hersteller muss vielmehr gestärkt werden.
- Innovationsfreundliche Vergütung anstreben: Schrittinnovationen müssen honoriert und Preismodelle für spezifische Therapierichtungen, wie zum Beispiel Pay for Performance, gesetzlich verankert werden.
- Re-Evaluationen des Zusatznutzens mit Augenmaß: Gesetzliche Möglichkeiten bestehen bereits - permanente Neubewertungen sind weder für Unternehmen noch für Behörden leistbar.
- Keine Arzneimittelbudgets: Sie würden Innovationsanreize hemmen, das AMNOG entwerten und implizit zur Rationierung von Patienten und Patientinnen führen.
- Flexible Preisanpassungen bereits möglich: Das Preisbildungssystem erlaubt heute schon dynamische Anpassungen, zusätzliche Instrumente sind unnötig.
- Standort stärken: Bürokratie abbauen, digitale Forschungsinfrastruktur ausbauen, steuerfinanzierte Förderung sichern.
- Pharma als Leitindustrie anerkennen: Arzneimittel nicht nur als Kosten, sondern als Investition in Gesundheit und Wirtschaft verstehen.
Pharmadialog als Schlüssel für tragfähige Lösungen
"Wichtig für unsere Industrie ist jetzt, dass der Pharmadialog nach der parlamentarischen Sommerpause zügig fortgesetzt wird. Wir erhoffen uns, dass dann weitere Vorhaben mit Tempo und klaren Prioritäten umgesetzt werden. Denn Deutschland braucht eine faire Preisgestaltung für Arzneimittel - nur so können Unternehmen auch Forschung und Produktion hierzulande refinanzieren und die Politik wiederum Herausforderungen durch eine alternde Gesellschaft, steigende Kosten und wachsender Versorgungsbedarfe meistern", sagt Joachimsen.
Pressekontakt:
Laura Perotti (Stellvertretende Pressesprecherin),
Tel. 030 27909-131, lperotti@bpi.de
Original-Content von: BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/21085/6103462
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