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ThyssenKrupp Nuceras USA-Expansion ist erstmal gescheitert, wichtige Projekte werden verschoben oder ganz gestrichen. Doch unter der Oberfläche dampft es noch. Der Konzern hält trotz allem an seiner Jahresprognose fest und zeigt bei den Neunmonatszahlen durchaus positive Signale. Die Aktie notiert derzeit bei rund 9,10 Euro - weit entfernt von früheren Höchstständen. Charttechnisch könnte sich bei einem Überwinden der 11-Euro-Marke jedoch ein Rebound entwickeln. Die Frage ist nur: Haben die Anleger noch genug Geduld für die zähe und langwierige Erholung der Wasserstoff-Branche?
Dramatischer Auftragseinbruch
Die aktuellen Quartalszahlen von ThyssenKrupp Nucera lesen sich wie ein Horrorszenario für Wasserstoff-Investoren. Der Auftragseingang ist regelrecht abgestürzt. Von 271 Millionen Euro im Vorjahr auf magere 63 Millionen Euro im dritten Quartal. Das entspricht einem Rückgang von über 75 Prozent. Besonders bitter: Im Bereich grüner Wasserstoff, der eigentlich das Wachstumssegment sein sollte, brachen die Neuaufträge um erschreckende 93 Prozent ein. Der Umsatz folgte dieser negativen Entwicklung und sank von 237 auf 184 Millionen Euro. Statt des erhofften Gewinns von 7 Millionen Euro steht nun ein Verlust von 2 Millionen Euro in den Büchern. Diese Zahlen spiegeln die harte Realität wider: Die großen Wasserstoff-Träume sind vorerst geplatzt. Projekte werden verschoben, manche sogar komplett aufgegeben. ArcelorMittal strich seine Pläne in Bremen, andere Investoren warten ab. Dennoch gibt es auch positive Signale. Auf Neunmonatsbasis konnte der Konzern seinen Umsatz um 9 Prozent auf 663 Millionen Euro steigern. Das EBIT kletterte sogar aus der Verlustzone auf 4 Millionen Euro. Diese Entwicklung zeigt, dass das bestehende Geschäft läuft, auch wenn das Neugeschäft stockt.
USA Traum ausgeträumt
Der amerikanische Traum ist für ThyssenKrupp Nucera erstmal ausgeträumt. Gesetzesänderungen bei Steuern und Subventionen haben grünen Wasserstoff in den USA wirtschaftlich unattraktiv gemacht. Der Konzern musste sich aus mehreren Projekten zurückziehen. Was ursprünglich als Sprungbrett für den globalen Markt gedacht war, entwickelte sich zum kostspieligen Rückschlag. Die Probleme in Amerika verdeutlichen ein grundsätzliches Dilemma der Branche. Wasserstoff-Technologie ist noch immer stark von politischen Rahmenbedingungen abhängig. Ändert sich die Förderkulisse, bricht oft das gesamte Geschäftsmodell zusammen. Diese Unsicherheit macht langfristige Planungen extrem schwierig. Immerhin läuft das europäische Geschäft stabiler. Die Chlor-Alkali-Sparte, die Wasserstoff als Nebenprodukt erzeugt, zeigte sich robuster als erwartet. Hier stiegen die Auftragseingänge sogar leicht an. Das traditionelle Geschäft wird damit zur Stütze in schweren Zeiten. CEO Stefan Hahn betont daher auch das "strikte Kostenmanagement" und die weiterhin positive Cashflow-Entwicklung.
Charttechnik
Nach dem Absturz von über 20 Euro im Jahr 2023 auf aktuell rund 9,10 Euro hat das Papier bereits einen weiten Weg nach unten hinter sich. Die wichtige Unterstützungszone um 8,60 Euro konnte zuletzt verteidigt werden. Der Abwärtstrend der vergangenen Monate scheint sich zu verlangsamen. Er ist in eine Art Seitwärtsphase mit einem Korridorband übergegangen. Nach oben hin wird dies begrenzt durch die Marke von 11 Euro. Das Handelsvolumen ist auch extrem zurückgegangen, was oft ein Zeichen für eine Bodenbildung ist. Entscheidend wird nun die Reaktion sein, wenn es in Richtung 11-Euro-Marke gehen sollte. Hier verläuft ein schon in der Vergangenheit wichtiger Widerstand. Ein nachhaltiger Ausbruch über dieses Niveau könnte den Startschuss für eine technische Erholung geben. Die gleitenden Durchschnitte zeigen aber ein noch negatives Bild. Sowohl der 50-Tage- als auch der 200-Tage-Durchschnitt verlaufen oberhalb des aktuellen Kursniveaus. Beim 200er SMA ist es recht knapp. Dieser liegt zur Zeit bei 9,41. Somit könnten schon 0,40 Euro Anstieg für eine Trendwende - zumindest von der Charttechnik - für den langfristigen Trend nach oben hin sorgen. Für eine echte Trendwende müssten aber beide Linien zurückerobert werden. Bis dahin bleibt das Chartbild noch angeschlagen.
Was tun?
Die aktuellen Zahlen sind ernüchternd, keine Frage. Der massive Auftragsrückgang und die gescheiterte USA-Expansion belasten die Wasserstoffbranche allgemein erheblich. Dennoch sprechen mehrere Faktoren für eine vorsichtig optimistische Bewertung. Fundamental ist das Unternehmen solide aufgestellt. Der positive Free Cashflow und die bestätigte Jahresprognose zeigen, dass das Management die Situation im Griff hat. Die Neunmonatszahlen mit Umsatzwachstum und positivem EBIT stimmen hoffnungsvoll. Das Chlor-Alkali-Geschäft entwickelt sich stabil und sorgt für Planungssicherheit. Charttechnisch könnte sich bei einem Überwinden der 11-Euro-Schwelle ein Rebound entwickeln. Die Bewertung ist nach dem langen Kursverfall auf einem attraktiven Niveau angekommen. Für geduldige Anleger, die an die langfristige Wasserstoff-Story glauben, bietet sich hier eine mögliche Einstiegsgelegenheit.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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