WARSCHAU (dpa-AFX) - Seine erste Auslandsreise im neuen Amt führt Polens Staatschef Karol Nawrocki zu US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus. Wichtigstes Thema des Treffens sind die Bemühungen um einen Waffenstillstand in der Ukraine.
Der Rechtskonservative Nawrocki ist erst seit vier Wochen im Amt. Angesichts der geopolitischen Lage hätte man es in anderen europäischen Hauptstädten lieber gesehen, wenn der Politik-Neuling vor seiner Reise nach Washington Gespräche mit anderen EU- und Nato-Partnern geführt hätte. Doch dies stand für Nawrocki nicht auf dem Plan.
Der 42 Jahre alte Historiker ist erklärter Trump-Fan. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die beiden persönlich begegnen. Bereits im Mai, während des polnischen Präsidentenwahlkampfs, gewährte Trump dem von der rechtskonservativen PiS unterstützten Kandidaten eine Audienz im Oval Office. Das Weiße Haus postete danach Bilder von beiden Männern mit hochgereckten Daumen, was der Wahlkampagne des damals wenig bekannten Nawrocki mächtig Schwung verlieh.
Trägt Polens Präsident Trumps Agenda nach Europa?
Nun gibt es bei anderen EU-Ländern mit Blick auf die Ukraine-Gespräche die Sorge, dass Nawrocki von seinem Besuch in Washington Trumps Agenda zurück nach Europa bringen könnte. Zumindest innerhalb Polens zeigt Nawrocki enorme Ambitionen. Er will den Präsidentenpalast zum neuen Machtzentrum machen und streitet mit Regierungschef Donald Tusk um die außenpolitische Linie des Landes. Gerade hat er ein Gesetz über Sozialleistungen für Ukraine-Flüchtlinge per Veto gekippt.
Der von der Oppositionspartei PiS gestützte Nawrocki und der in der EU angesehene Regierungschef Tusk sind Vertreter der beiden verfeindeten politischen Lager in Polen. Doch durch den Streit zwischen Präsident und Regierung könnte Polen sich in seiner neugewonnenen Rolle als wichtiger Spieler in Europa bald aus dem Rennen nehmen. Auch für die Ukraine hätte das Folgen.
Nawrocki setzt auf Stimmungsmache gegen Ukraine-Flüchtlinge
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist das EU- und Nato-Mitglied Polen einer der wichtigsten politischen und militärischen Verbündeten seines Nachbarlandes. Es hat 989.000 Kriegsflüchtlinge von dort aufgenommen und fungiert als wichtige logistische Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens. Das Land fühlt sich auch selbst von Russland bedroht und rüstet massiv auf.
Doch nach dreieinhalb Jahren Krieg dreht sich in Polen die Stimmung gegenüber den Geflüchteten aus der Ukraine. Nawrocki, der seinen Wahlsieg auch den Stimmen ultrarechter Wähler verdankt, weiß das. Vor wenigen Tagen stoppte er per Veto ein Gesetz, das die Verlängerung der Zahlung von Kindergeld und weitere Sozialleistungen für die Kriegsflüchtlinge nach dem 1. Oktober regeln sollte. Er sei überzeugt, dass nur diejenigen sie erhalten sollen, die auch in Polen Arbeit hätten, sagte er zur Begründung. Es könnte auch nicht sein, dass Flüchtlinge bei der staatlichen Gesundheitsversorgung bevorzugt würden, sagte Nawrocki: "Polen zuerst, die Polen zuerst."
Veto des Präsidenten mit schwerwiegenden Folgen
Die polnische Verfassung gibt dem Präsidenten die Macht, fast jedes Gesetz mit Veto zu blockieren. Im Parlament braucht es eine Dreifünftelmehrheit, um das präsidiale Veto aufzuheben. Doch der Präsident kann nur ganze Gesetze stoppen, nicht Teile davon.
Deshalb könnte Nawrockis Veto bald schwerwiegende Folgen für die knappe Million Geflüchteter in Polen haben, und das nicht nur beim Kindergeld. Weil die Ausnahmeregelungen wegfallen, stehen die erwerbstätigen Ukraine-Flüchtlinge bald ohne Arbeitserlaubnis da. Dabei ist die Integration in den Arbeitsmarkt sehr hoch, wie eine Studie des UN-Flüchtlingswerks zeigt: 69 Prozent der Ukraine-Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter haben Arbeit, im Vergleich zu 75 Prozent der Polen.
Polens Regierung warf dem Präsidenten zudem vor, er haben mit seinem Veto auch die Finanzierung für den Satelliten-Kommunikationsdienst Starlink in der Ukraine gekappt, die den Menschen dort Zugang zum Internet gewährt. Polen finanziert dies nach Regierungsangaben mit 43 Millionen Euro jährlich.
Ukraine investiert in andere Partner in Europa
Angesichts des Hickhacks in Warschau hat sich die Führung der Ukraine bislang mit Kritik zurückgehalten. In Statements wurde stets die Solidarität zwischen beiden Ländern betont. Doch hinter den Kulissen sieht es offenbar anders aus.
Der ehemalige ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte dem Magazin "Polityka", man sei sich der zunehmenden antiukrainischen Stimmung in Polen bewusst, weshalb die Leute von Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht mehr so viel Energie in die Beziehungen zu Warschau investieren wie früher. Viel wichtiger seien jetzt die nordischen Länder, besonders Finnland, sowie Frankreich und Deutschland.
Mehr als drei Jahre lang habe Polen die Rolle eines wirksamen Fürsprechers der Ukraine gespielt und gleichzeitig den anderen europäischen Ländern bewiesen, dass es recht hatte, als es seine Verteidigungsausgaben erhöhte und vor dem Moskaus Imperialismus warnte, resümierte die "Polityka" die Lage. "All dies wird nun in rasantem Tempo verspielt."/dhe/DP/zb