BERLIN (dpa-AFX) - Es ist eine gigantische Summe: 5,4 Billionen Euro würde in den kommenden 25 Jahren die Energiewende kosten - falls die Politik am bisherigen Kurs festhält. Das sei viel zu teuer und eine Überforderung der Unternehmen, findet die Deutsche Industrie- und Handelskammer. "Mit der aktuellen Politik ist die Energiewende nicht zu stemmen", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Auf Basis einer Studie im DIHK-Auftrag hält er einen grundlegenden Kurswechsel für notwendig. Damit seien milliardenschwere Einsparungen möglich.
Schützenhilfe für Ministerin Reiche
Auch Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche (CDU) strebt einen Neustart in der Energiewende an - also dem schrittweisen Abschied von fossilen Energien wie Gas, Kohle und Öl. Mit Spannung werden Ergebnisse eines Monitorings im Auftrag des Ministeriums zur Energiewende erwartet. Reiche hatte bereits deutlich gemacht, die Kosten müssten runter. Umstritten sind zum Beispiel ihre Aussagen, die staatliche Förderung für neue, kleine Solaranlagen solle gestrichen werden.
Es sei sehr gut, dass Reiche sehr klar signalisiere, dass sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Grundpfeiler der Energiepolitik in den Mittelpunkt stellen wolle, sagte Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer.
Steigende Kosten
Laut der Studie der Beratungsfirma Frontier Economics im DIHK-Auftrag müssten bei einer Fortsetzung des bisherigen Kurses alleine die privaten Investitionen bei Energie, Industrie, Gebäuden und Verkehr deutlich steigen: von derzeit rund 82 Milliarden Euro im Mittel der Jahre 2020 bis 2024 auf mindestens 113 bis 316 Milliarden Euro im Jahr 2035. Kostentreiber sind etwa hohe Investitionen in den Ausbau der Stromnetze, in die Transformation industrieller Prozesse, neue Kraftwerke sowie Energieimporte.
Die Belastung von Unternehmen und Bevölkerung erreiche ein Niveau, das den Wirtschaftsstandort und damit auch die Akzeptanz der Energiewende gefährde, sagte Adrian. "Energieintensive Unternehmen verlagern ihre Produktion und damit Arbeitsplätze schon jetzt verstärkt ins Ausland."
Industrie: Politik zu kleinteilig
Die DIHK kritisiert schwer erreichbare, kleinteilige Zielsetzungen, ein technologisches "Mikromanagement" mit einseitigem Fokus auf einzelne Technologien und Energieträger sowie eine Vielzahl regulatorischer Eingriffe, die Innovationen behinderten. Der Staat müsse aber nicht alles bis ins Letzte regeln, so Dercks. In der Kritik wegen kleinteiliger Vorgaben steht auch bei anderen Verbänden das umstrittene Gebäudeenergiegesetz, oft als Heizungsgesetz bezeichnet. Die schwarz-rote Koalition strebt eine Reform an; wie diese genau aussieht, ist aber offen.
Aus DIHK-Sicht sollte stattdessen viel stärker auf Technologieoffenheit, auf Innovationen und den steigenden CO2-Preis als Leitinstrument gesetzt werden. In der Studie wird zudem ein langsamer Ausbau der Stromnetze vorgeschlagen sowie eine Verschiebung des deutschen Ziels, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Das bisherige Ziel erfordere eine "nie dagewesene Transformationsgeschwindigkeit". Ziele müssten aber realisierbar sein. Insgesamt könnten laut der Studie mit den vorgeschlagenen Maßnahmen über eine Billion Euro bis 2050 gespart werden./mah/DP/mis