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MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft bleiben trotz des angekündigten Konjunkturpakets der Bundesregierung durchwachsen. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten zwar eine Belebung in den kommenden beiden Jahren, doch die mittelfristigen Perspektiven bleiben unerfreulich.
Das Münchner Ifo-Institut, das IfW Kiel, RWI Essen und IWH Halle senkten ihre Konjunkturprognosen für dieses und das kommende Jahr. Demnach wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr mit einem Mini-Wachstum von 0,1 bis 0,2 Prozent de facto stagnieren.
2026 erwarten die Ökonomen dann zwischen 0,8 (IWH) und maximal 1,3 Prozent (Ifo und IfW) Wachstum und damit weniger als noch im Sommer erhofft. Laut Ifo-Prognose könnte die Arbeitslosenquote in diesem Jahr auf 6,4 Prozent steigen und in den nächsten beiden Jahren wieder sinken.
Die Schwäche könnte chronisch werden
Ohne grundlegende Reformen der Bundesregierung jedoch wird das schuldenfinanzierte 500-Milliarden-Euro-Paket der Bundesregierung nach Einschätzung von Ifo-Präsident Clemens Fuest und Konjunkturchef Timo Wollmershäuser ein Strohfeuer bleiben. "Das Wachstum wird wahrscheinlich wieder auf Null sinken", sagte Fuest. "Dann besteht einfach die Gefahr, dass es vielleicht sogar zu einer Schrumpfung kommt, denn wir haben eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung, wir haben Lasten im Rentensystem, im Krankenversorgungssystem."
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer zähen Krise. In den vergangenen beiden Jahren war Europas größte Volkswirtschaft geschrumpft.
Steuererhöhungen, wie sie Finanzminister Lars Klingbeil und andere SPD-Politiker diskutieren, wären nach Fuests Einschätzung der falsche Weg: "Wenn wir Steuern erhöhen, geht die Schrumpfung noch schneller." Das Programm wird nach Ifo-Einschätzung auch 2026 ohnehin einen geringeren Effekt auf die Wirtschaft haben als zunächst angenommen.
"Schulden machen ist leicht"
Zu den Reformvorschlägen der beiden Ökonomen gehören eine schnellere Digitalisierung und bessere Steuerbedingungen für Innovationen, aber auch mehrere Punkte, die SPD und Gewerkschaften ablehnen. "Wir brauchen Reformen am Arbeitsmarkt bei den Arbeitskosten", sagte Fuest. "Und insbesondere müssen wir verhindern, dass in den kommenden Jahren durch den demografischen Wandel die Sozialversicherungsbeiträge immer weiter ansteigen."
Für hochqualifizierte Arbeitnehmer sei auch der Kündigungsschutz in seiner jetzigen Form nicht notwendig. Schulden machen sei leicht, sagte der Ifo-Präsident. "Das kann eigentlich jeder." Die Bundesregierung müsse jetzt zeigen, "dass sie eben nicht nur den leichten Teil kann, sondern auch den anspruchsvollen".
Unternehmen investieren zu wenig
Mit seinem Ruf nach Strukturreformen steht das Ifo-Institut nicht allein, vom IfW Kiel und dem RWI Essen kamen nahezu gleichlautende Einschätzungen. "Strukturelle Wettbewerbsprobleme werden durch die expansive Finanzpolitik nicht gelöst, sondern lediglich überlagert", hieß es in der Mitteilung des RWI Essen.
Als großes Problem sehen die Ökonomen fehlende Investitionen der deutschen Unternehmen. Das RWI nannte hohe Energiekosten, Bürokratie und mangelnde digitale Infrastruktur als Bremsfaktoren. "Wenn sich der wirtschaftspolitische Stillstand fortsetzt, den wir seit Jahren erlebt haben, dann drohen dem Land weitere Jahre der wirtschaftlichen Lähmung und der Erosion des Unternehmensstandorts", sagte Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser.
Trump und Technologie
Eine Belastung für die deutsche Wirtschaft bleibt nach übereinstimmender Einschätzung der Ökonomen auch die Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump. Doch negativ wirkt sich auch aus, dass die deutsche Industrie in manchen Branchen mittlerweile technisch nicht mehr an der Spitze steht.
Auch aus technologischen Gründen büßten die Exporte ihre Zugkraft ein, hieß in der Mitteilung des IWH Halle. "Auch die zunehmende Konkurrenz durch chinesische Produkte auf den Absatzmärkten macht den deutschen Exporteuren zu schaffen", sagte IfW-Präsident Moritz Schularick.
Weniger düster sind die Aussichten in Sachen Arbeitslosigkeit. Im August war die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit zehn Jahren über die Schwelle von drei Millionen gestiegen, die Quote lag bei 6,4 Prozent. Bis 2027 Jahr wird die Erwerbslosenquote nach den Prognosen der Institute jedoch wieder auf unter sechs Prozent zurückgehen./cho/DP/nas