BERLIN (dpa-AFX) - Es könnte eines der heikelsten Vorhaben der schwarz-roten Koalition werden: die Reform des umstrittenen Heizungsgesetzes. Wie weitreichend sollen die Änderungen gehen, und inwiefern kommt es bei der staatlichen Förderung zu Kürzungen? "Es ist unsere Verantwortung als Koalition, die Debatte wieder auf produktive Bahnen zu lenken und die Fehler der letzten Legislatur nicht zu wiederholen", sagte der zuständige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Armand Zorn.
Wie die Koalition das Gesetz ändern will - und was der Branche dabei wichtig ist.
Reform nach langen Kontroversen
Es war umstritten wie kaum ein anderes Vorhaben der früheren Regierung: Vor zwei Jahren, am 8. September 2023, verabschiedete der Bundestag die Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), oft als Heizungsgesetz bezeichnet. Vorausgegangen waren kontroverse Debatten in der Öffentlichkeit und ein langes Ringen innerhalb der Ampel aus SPD, Grünen und FDP.
Die Reform trat Anfang 2024 in Kraft. Ziel ist mehr Klimaschutz im Gebäudebereich durch einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen. Funktionierende Heizungen können weiter betrieben werden. Das Gesetz sieht im Kern vor, dass jede neu eingebaute Heizung mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Das gilt aber vorerst nur für Neubaugebiete. Eine wichtige Rolle für Bestandsbauten spielt eine kommunale Wärmeplanung. Hausbesitzer sollen entscheiden können, was sie machen - ob sie sich etwa an ein Wärmenetz anschließen lassen oder eine Wärmepumpe oder eine andere klimafreundlichere Heizung einbauen. Die kommunale Wärmeplanung soll in Kommunen über 100.000 Einwohnern ab Mitte 2026 und für die restlichen Kommunen ab Mitte 2028 vorliegen.
Neue Regierung plant Reform
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: "Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen." Das neue GEG solle technologieoffener, flexibler und einfacher werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung solle zur zentralen Steuerungsgröße werden.
Doch was bedeutet das konkret? Eine Sprecherin des Wirtschafts- und Energieministeriums sagte dazu lediglich, Ziel der Bundesregierung sei es, so bald wie möglich einen Gesetzentwurf für das GEG vorzulegen. Zur Umsetzung gehöre die Akzeptanz von Effizienzmaßnahmen, keine Überregulierung.
Zur Zeitplanung zählt auch, dass Deutschland bis Ende Mai 2026 Vorgaben der europäischen Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie umsetzen muss.
Klimaziele im Gebäudesektor
Das Gebäudeenergiegesetz sei ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung, so Zorn. Da etwa 40 Prozent der deutschen CO2-Emissionen im Wärmemarkt entstehen, sei dieser Bereich für die Klimaziele essentiell. "Die Debatte um das GEG hat in den vergangenen Jahren sehr unschöne Züge angenommen." Entscheidend bei den aktuellen Reformdebatten sei die schnelle Wiederherstellung von Planungssicherheit, damit Investitionen schnell erfolgten.
Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft werden immer noch drei Viertel aller Wohnungen in Deutschland mit Öl oder Gas beheizt. Zwar hat der Absatz von Wärmepumpen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, von früheren politischen Zielen ist man aber weit entfernt. Seit Jahresbeginn ist der Heizungsmarkt insgesamt eingebrochen, so der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie. Es sei daher dringend erforderlich, dass die Bundesregierung zeitnah für klare und verlässliche Rahmenbedingungen sorge.
Ein berüchtigter Paragraf
Im Zentrum der Kritik beim GEG stand von Anfang an der Paragraf 71 - der Kern des "Heizungsgesetzes" mit der 65-Prozent-Vorgabe und mit vielen Anforderungen. Hier vor allem dürfte die Koalition ansetzen. Das Gesetz müsse technologieoffen, pragmatisch und möglichst einfach gestaltet werden, sagte Andreas Lenz, energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. "Die derzeit sehr kleinteiligen und komplexen Regelungen lassen viel Skepsis gegenüber zahlreichen Wärmeversorgungsoptionen erkennen und diskriminieren einzelne Technologien."
Der Paragraf 71 sei extrem kompliziert. "Er stellt in vielen Fällen eine Vorfestlegung für die Wärmepumpe dar." Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sprach bereits von einem "Zwang zur Wärmepumpe".
Ziel einer Reform müssten einfache, verständliche und praxistaugliche Regelungen sein, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae. "Es muss gekürzt und klar formuliert werden, damit auch private Hauseigentümer das Gesetz verstehen können. Gerade für den Gebäudebestand müssen individuelle Lösungsmöglichkeiten mit klarer Zielvorgabe möglich sein."
Bleibt die 65-Prozent-Vorgabe bestehen?
Zorn sagte, eine Reform sollte ein hohes Ambitionsniveau beibehalten und auf Technologieoffenheit setzen. "Verschiedene Lösungen wie Wärmepumpen, Geothermie, Biogas, Pelletheizungen oder andere innovative Technologien müssen gleichberechtigt möglich sein - entscheidend ist die klimafreundliche Wirkung, nicht die Technologie an sich."
Die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien bei neuen Heizungen sollte beibehalten werden, sagte Zorn. "Ein Rückschritt an dieser Stelle würde das Ziel der Klimaneutralität im Gebäudesektor gefährden." Auch Andreae sagte, die Vorgabe sollte nicht gestrichen werden. "Ohne die 65 Prozent zu starr zu handhaben, muss klar sein, dass bis Mitte des Jahrhunderts auch unsere Gebäude klimaneutral sein sollen. "
Künftige Förderung
Bei der milliardenschweren staatlichen Förderung des Heizungstauschs zeichnen sich Veränderungen ab. Vor allem in der Union dringen Politiker wie CSU-Chef Markus Söder angesichts von Milliardenlücken in der Finanzplanung des Bundes auf Kürzungen. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sprach sich bereits für eine sozial stärker gestaffelte Förderung aus. Zorn sagte: "Viele Haushalte sind durch die oft großen Investitionen, welche beim Heizungstausch nötig sind, überfordert - es ist entscheidend, so viel wie nötig zu unterstützen, ohne wiederum die Staatskasse zu überfordern."
Der CSU-Politiker Lenz sagte: "Ich glaube, dass man das Förderregime "smarter" ausgestalten kann. Über die Zeit ist es auch denkbar, die Anreize abzuschmelzen. Bei Privathaushalten mit hohen Einkommen wäre die Umstellung von Zuschüssen auf eine steuerliche Abschreibungsmöglichkeit sinnvoll, wodurch auch die Fördersummen geringer ausfielen." Um keine zu große Verunsicherung in den Markt zu bringen, sollte schnell ein tragfähiges Gesamtkonzept erarbeitet werden.
Bisher ist beim Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung eine staatliche Förderung von maximal 70 Prozent möglich. Neben einer Grundförderung gibt es einen Klimageschwindigkeitsbonus und einen Einkommensbonus, wenn das Haushaltsjahreseinkommen maximal 40.000 Euro beträgt. Der maximal erhältliche Investitionskostenzuschuss für den Heizungstausch beträgt 21.000 Euro.
Heizungsbranche für verlässliche Anreize
"Die bisherigen Förderprogramme haben maßgeblich dazu beigetragen, moderne und effiziente Heiztechnologien - insbesondere auf Basis erneuerbarer Energien - im Markt zu etablieren und Millionen Tonnen CO2 einzusparen", so der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie. Für viele Verbraucher sei die Investition in eine neue Heizung finanziell herausfordernd. "Verlässliche Anreize bleiben daher entscheidend, um bei den Menschen Planungssicherheit zu schaffen und die Verunsicherung in den Haushalten nicht noch weiter zu verstärken."/hoe/DP/zb