BERLIN (dpa-AFX) - Erbschaften und Schenkungen richtig großer Vermögen bleiben in Deutschland oft steuerfrei. 463-mal wechselten in den vergangenen zehn Jahren 100 Millionen Euro oder mehr den Besitzer. In mindestens 258 Fällen, also mehr als der Hälfte, flossen dafür keine Steuern. Das geht aus der Antwort des Finanzministeriums auf eine Frage des Linken-Haushälters Dietmar Bartsch hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Steuerbefreiungen gibt es laut Gesetz zum Beispiel, wenn Betriebsvermögen, landwirtschaftliche Betriebe oder Anteile an Kapitalgesellschaften vererbt oder verschenkt werden. Damit will man vermeiden, dass Betriebe aufgegeben werden müssen, weil die neuen Besitzer die Erbschaftsteuer aus dem Privatvermögen nicht zahlen können. Im Subventionsbericht des Bundes werden diese Ausnahmen als größte aller Steuervergünstigungen aufgelistet: Dem Staat entgingen dadurch Einnahmen von 8,8 Milliarden Euro im Jahr.
Bartsch: "Rechtlich legal, politisch skandalös"
Für Linken-Haushälter Bartsch ist die Erbschaftsteuer "die ungerechteste Steuer des Landes". "Wer die größten Vermögen geschenkt bekommt oder erbt, spart Steuern - wer arbeitet, zahlt sie", beklagte er. Rechtlich sei es legal, dass auf große Vermögen oft keine Steuern anfielen, doch politisch sei das skandalös. "Steuerschlupflöcher bei der Erbschaftsteuer sollten geschlossen, Vergünstigungen für Unternehmensvermögen abgeschafft werden", forderte er. Wer die Erbschafts- und Vermögensbesteuerung nicht reformiere, müsse auch zu Sozialkürzungen schweigen.
Tatsächlich wird angesichts von Milliardenlücken in der Finanzplanung des Bundes aktuell sowohl über Sozialreformen als auch über eine Reform der Erbschaftsteuer debattiert. Das Steueraufkommen aus der Erbschaftsteuer geht allerdings an die Länder. CSU-Chef Markus Söder schlug vor, auch die Steuerhöhe in die Hände der Länder zu legen - was Kanzler Friedrich Merz (CDU) als unrealistisch zurückwies. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach sich dafür aus, Ausnahmen zu streichen. "Man kann 26 Millionen Euro oder 300 Wohnungen erben, ohne einen Cent Erbschaftssteuer zu zahlen", beklagte sie neulich.
Auch der Ökonom Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, hat durchaus Sympathien dafür, Erbschaften stärker besteuern. Viel zu holen sei damit jedoch nicht, sagte er im Podcast "Ronzheimer": "Die Beträge, die man damit realistischerweise bekommt, sind leider nicht so groß, wie man das häufig vermutet." Man bewege sich da in einer groben Dimension von fünf Milliarden Euro.
Rekordsummen festgesetzt
Trotz der geltenden Ausnahmen haben die Finanzämter im vergangenen Jahr so viel Erbschaft- und Schenkungsteuer eingefordert wie nie zuvor: insgesamt 13,3 Milliarden Euro. Das sind 12,3 Prozent mehr als im Jahr davor. 8,5 Milliarden Euro entfielen auf Erbschaften, 4,8 Milliarden Euro auf Schenkungen.
Diesen Berechnungen zugrunde liegen Erbschaften und Schenkungen von rund 113,2 Milliarden Euro, die über den Freigrenzen lagen. In den meisten Fällen ging es dabei um Summen unter einer Million, 27 Mal wechselten 100 Millionen oder mehr den Besitzer.
Steuern sparen durch Schenken statt Vererben
Die großen Vermögen werden der Statistik zufolge deutlich häufiger verschenkt als vererbt. In beiden Fällen gelten die gleichen Steuersätze und Freibeträge: Ein Ehepartner darf Erbschaften oder Schenkungen im Wert von bis zu 500.000 Euro erhalten, ohne Steuern zu zahlen. Für Kinder sind 400.000 Euro steuerfrei, bei Enkeln sind es 200.000 Euro. Trotzdem lassen sich durch geschickte Schenkungen zu Lebzeiten Steuern sparen - denn der Freibetrag kann alle zehn Jahre erneut genutzt werden. Wer also früh genug anfängt, kann enorme Summen übertragen, ohne den Staat zu beteiligen./tam/DP/men