GÜTERSLOH (dpa-AFX) - Die Social-Media-Plattformen Instagram und Tiktok sind für junge Menschen die wichtigsten Vermittler politischer Inhalte. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann Stiftung hervor. Forscher kombinierten dazu eine repräsentative Online-Befragung mit der Analyse von 31.000 Kurzvideos politischer Akteure und Influencer.
Ein Ergebnis: Social Media ist der Raum, in dem junge Menschen die meisten politische Informationen aufnehmen, noch vor Familie, Schule, Freunden, Zeitung oder Fernsehen. Die Hälfte der jungen Nutzer gibt an, politische Inhalte häufig über den von Algorithmen vorsortierten Feed zu sehen. 38 Prozent der Befragten folgen demnach Parteien oder Politikern, 60 Prozent folgen politischen Influencern.
Die Wissenschaftler stellten auch fest: Fast 70 Prozent der Beiträge bestehen aus Selbstdarstellung, 35 Prozent enthalten Angriffe auf politische Gegner. Während bei Instagram die Selbstdarstellung und das Eigenlob noch um 20 Prozentpunkte häufiger sind als auf Tiktok, wird dort um 15 Prozentpunkte häufiger zur Attacke geblasen.
Angriff bringt Reichweite
Die Parteien mit der größten Beißhemmung sind dabei SPD und Volt. Bei ihnen bestehen fast 90 Prozent der Kurzvideos aus Selbstdarstellung. Die AfD nimmt dort den letzten Platz ein.
Bei den Angriffen ist es umgekehrt. Dort rangiert die AfD mit 73 Prozent auf dem ersten Platz, gefolgt von BSW (60 Prozent) und der Linken (48 Prozent). Auf den letzten Plätzen rangieren SPD und Volt. Das kostet sie deutlich Reichweite, denn angriffslustige Videoclips werden im Schnitt rund 40 Prozent häufiger gesehen. Selbstdarstellung verringert dagegen die Reichweite.
Die Befragung zeigt aber auch, dass die jungen Menschen die verbalen Angriffe in populistischen und extremen Videos durchaus kritisch sehen. Die erhitzten Diskussionen, die sich daraus in den Kommentarspalten ergeben, würden aber wiederum dafür sorgen, dass der Algorithmus sie bevorzugt.
Thema bringt auch Reichweite
Neben der Art der Präsentation spielt auch das Thema bei der Reichweite eine große Rolle. Im Befragungszeitraum Juni bis Dezember 2024 war es die Migration, die besonders Zuschauer lockte. Reichweiten-Killer waren Sozialpolitik, Umwelt und Bildung.
Während Politik-Influencer fast die Hälfte ihrer Videos im Selfie-Modus aufnehmen und dies bei den Nutzern auch gut ankommt, lassen sich die Politiker in aller Regel filmen. Nur 13 Prozent von ihnen setzt auf Selfie-Videos.
Infografiken: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Bei Infografiken äußerten sich die Befragten widersprüchlich. Obwohl sich die Hälfte von ihnen mehr Zahlen und Statistik wünschte, erzielen Videos mit Infografiken eine geringere Reichweite. Am häufigsten wurden Infografiken von den Grünen, der Linken und Volt eingesetzt, am seltensten von CDU und FDP.
Junge Menschen wünschen sich technisch einwandfreie Videos ohne Störungen und Mängel, also professionelle Kameraführung und gut verständlichen Ton. Besonders wichtig ist ihnen auch einfache und klare Sprache und "ehrliche Botschaften". Gemeint ist damit: Authentizität.
In Politik-Videos gilt: Nicht tanzen!
Ein Nebenbefund: Ein Reichweiten-Killer sind politische Videos, in denen getanzt wird. Die machen allerdings auch nur zwei Prozent des Angebots aus. Weiterer Nebenbefund: Bei Videos der Parteien mit Jugendbezug ist die AfD Schlusslicht.
Für die Studie "How to Sell Democracy Online (fast)" (Wie man Demokratie online verkauft) der Bertelsmann Stiftung und des Progressiven Zentrums, gefördert von der Stiftung Mercator, wurden in einem Zeitraum von Juni bis Dezember 2024 rund 31.000 Videos auf den Social-Media-Plattformen Tiktok und Instagram KI-gestützt ausgewertet.
Dabei wurden 1.976 politische Accounts von einem wissenschaftlichen Team der Johannes Gutenberg-Universität Mainz analysiert. Gleichzeitig basiert die Studie auf einer repräsentativen Umfrage unter 1.748 jungen Menschen zwischen 16 und 27 Jahren, die das Meinungsforschungsinstitut Pollytix erstellt hat./fc/DP/zb