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DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der Verpackungshersteller Gerresheimer steht im Visier der BaFin. Die deutsche Finanzaufsicht hat am 18. September eine Prüfung des Konzernabschlusses 2023/24 (Ende November) und des Lageberichts eingeleitet, wie aus einer Erklärung der Behörde am Mittwoch hervorgeht. Es gebe konkrete Hinweise, dass Gerresheimer gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen habe. Der MDax -Konzern sagte seine Kooperation zu, um den Sachverhalt zu klären. Dabei vertrat Gerresheimer die Auffassung, korrekt bilanziert zu haben. An der Börse sorgten die Nachrichten für einen Kursrutsch.
Zunächst brachen die Aktien um mehr als ein Drittel ein. Nach der Stellungnahme des Unternehmens wurden die Verluste eingedämmt, und die Papiere gaben zuletzt noch um rund 15 Prozent nach. Damit hat der Kurs seit dem Jahreswechsel fast die Hälfte an Wert eingebüßt.
Konkret gehe es um Bestellungen, für die im letzten Drittel des vergangenen Geschäftsjahres mit den jeweiligen Kunden sogenannte "Bill-and-Hold"-Vereinbarungen abgeschlossen wurden, erläuterte Gerresheimer in einer Stellungnahme. Geprüft werde nun, ob diese Umsatzerlöse im Konzernabschluss des vergangenen Geschäftsjahres erfasst werden durften oder erst im laufenden Geschäftsjahr 2025.
Anders als die BaFin ist das Unternehmen der Auffassung, dass es diese Umsätze und Gewinne nach geltenden Rechnungslegungsvorschriften periodengerecht im vergangenen Geschäftsjahr bilanziert hat. Die Prüfung durch die Aufsichtsbehörde nehme Gerresheimer sehr ernst, betonte Finanzchef Wolf Lehmann. Das Unternehmen werde vollumfänglich mit der BaFin kooperieren, um eine vollständige und transparente Klärung zu ermöglichen.
Bei den sogenannten Bill-and-Hold-Vereinbarungen handelt es sich üblicherweise um Verkaufsverträge, bei dem der Verkäufer die bereits in Rechnung gestellte Ware vorerst noch zurückbehält, typischerweise auf Wunsch des Kunden. Unter bestimmten Umständen können diese Umsätze bereits vor Übergabe der Ware realisiert werden.
Die Experten von der britischen Investmentbank Barclays sehen zwar einen weiteren Vertrauensdämpfer, gehen aber von einer Kurserholung nach dem ersten Kurseinbruch aus - dessen Ausmaß sie zudem für übertrieben halten. Die Prüfung betreffe weniger als fünf Prozent der Umsätze und Profite.
Zuletzt verliefen die Geschäfte von Gerresheimer träge, vor allem im Kosmetikgeschäft verzeichnete der Verpackungshersteller eine sich abschwächende Nachfrage. Das Unternehmen musste zweimal seine Prognose für das bis Ende November laufende Geschäftsjahr senken. Im Juli kappten die Düsseldorfer auch die mittelfristigen Wachstumsziele.
Kurz danach platzten dann auch noch zuvor gehegte Übernahmeträume. Der Konzern beendete Gespräche mit Finanzinvestoren über ein mögliches Angebot, weil dies nicht im besten Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre sei. Analysten hatten daraufhin eine neue Langfristperspektive gefordert.
Anfang August kündigte Gerresheimer den Verkauf des Behälterglas-Geschäfts an, um sich auf Produkte für die Pharma- und Biotechbranche zu konzentrieren. Zudem verließ Ende August der bisherige Finanzchef Bernd Metzner das Unternehmen auf eigenen Wunsch. Nachfolger wurde Wolf Lehmann, er war zuvor Operating Partner bei der Beteiligungsgesellschaft Triton und hatte als Finanzvorstand den Börsengang des Industrierecyclers Befesa begleitet. Angesichts des Wechsels verschob Gerresheimer den für den 15. Oktober geplanten Kapitalmarkttag./mne/tav/jha/