BERLIN (dpa-AFX) - Nach der bislang größten deutschen Demonstration gegen den Gaza-Krieg planen die Veranstalter weitere Aktionen. "Unser Protest wird weitergehen, so lange es nötig ist", kündigte Organisator Basem Said an. Amnesty International und Medico International, die die Kundgebung "All Eyes on Gaza" mitgetragen hatten, appellierten in ihrer Abschlusserklärung erneut an die Bundesregierung: Sie solle sich stärker für die Palästinenser einsetzen und der israelischen Regierung die Unterstützung für den Krieg entziehen.
Im Sommer hatte die bis dahin größte Gaza-Demonstration etwa 50.000 Menschen nach Berlin gebracht. Nun gingen - knapp zwei Jahre nach Beginn des Gazakriegs - laut Polizei am Samstag etwa 60.000 Menschen in Berlin-Mitte gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen auf die Straße. Die Veranstalter schätzten sogar 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
"Absolut friedlicher Verlauf"
Polizeisprecherin Anja Dierschke sprach anschließend von einem "absolut friedlichen Verlauf bei der Masse Mensch". 34 Personen wurden demnach zeitweise festgehalten. 20 von ihnen wird Sachbeschädigung vorgeworfen, weil sie vor der Demonstration Slogans auf den Boden gemalt hatten. Die Polizei hatte nach eigenen Angaben im ganzen Berliner Stadtgebiet etwa 1.800 Beamte im Einsatz.
Die Demonstranten forderten unter anderem den sofortigen Stopp deutscher Waffenexporte an Israel, Zugang für humanitäre Hilfe nach Gaza sowie EU-Sanktionen gegen Israel. Sie warfen der israelischen Regierung einen "Genozid" - also Völkermord - an den Palästinensern vor. "Die Bundesregierung darf sich nicht länger mitschuldig machen", erklärte Amnesty-Referentin Katja Müller-Fahlbusch, die gegen Ende der Kundgebung an der Siegessäule im Tiergarten sprach.
Den Vorwurf des Völkermords erhebt auch der jüdische Musiker Michael Barenboim, einer der Initiatoren der Demonstration. Bei der Schlusskundgebung traten diverse Musiker auf, darunter die Hiphopper K.I.Z.
Israelische Regierung weist Kritik zurück
Die israelische Regierung weist den Genozid-Vorwurf strikt zurück. Auslöser des Gaza-Kriegs war der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Die israelische Regierung reagierte mit großflächigen Bombardements und einer Bodenoffensive. Tausende Menschen wurden getötet.
Internationale Organisationen und die Vereinten Nationen haben für Teile des Gazastreifens eine Hungersnot erklärt und immer wieder direkt Israels Abriegelung des Gebiets für den Mangel an Nahrung verantwortlich gemacht. Israels Regierung sagt dagegen, es würden ausreichend Lebensmittel in den Gazastreifen gebracht und wirft der Hamas vor, humanitäre Hilfe abzugreifen.
Gegendemonstranten an der Strecke
Auf der Großdemo, die nachmittags vom Roten Rathaus zur Abschlusskundgebung führte, wurde in Sprechchören "Free, free Palestine" und "Viva Palestina" skandiert. Auf Plakaten standen Forderungen wie "Gaza - Stoppt das Massaker", "Nie wieder für alle" und "Freiheit für Palästina". Viele trugen rote Fahnen und palästinensische Flaggen. Auf Bildern von der Strecke waren Gegendemonstrationen mit Israel-Fahnen zu sehen. Auf der Plattform X warfen einige Nutzerinnen und Nutzer den Teilnehmern der Großdemo Antisemitismus vor.
Die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner sagte zum Auftakt, der Protest richte sich gegen die israelische Regierung. Zugleich übe man Solidarität mit den Menschen auch in Israel, die sich gegen "die extrem rechte Regierung stellen". Schwerdtner hatte nach Angaben ihres Sprechers zunächst Schwierigkeiten, für ihre Rede auf die Laderampe eines Lastwagens zu kommen, der als Bühne diente. Drei Frauen hätten sich in den Weg gestellt. Die Situation habe sich aber rasch geklärt.
Demos auch in Düsseldorf und in Kreuzberg
Auch in Düsseldorf gingen am Samstag nach Angaben der Polizei rund 12.000 Menschen auf die Straße, um auf die Situation der Palästinenser im Gazastreifen aufmerksam zu machen. An einer Gegenversammlung nahmen demnach 110 Menschen teil. Die Versammlungen seien weitestgehend friedlich verlaufen, hieß es.
Anders sah es bei einer kleineren Nahost-Demo mit etwa 1.200 Menschen in Berlin-Kreuzberg aus, die unabhängig von der Großveranstaltung in der Innenstadt lief. Sie wurde nach Angaben der Polizei wegen Straftaten aufgelöst. 34 Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzte die Polizei zeitweise fest. Es seien auch "Zwangsmaßnahmen" genutzt worden, sagte Polizeisprecherin Dierschke. Sieben Einsatzkräfte seien verletzt worden./vsr/DP/he