(Aktualisierung: 3. bis 6. Abs.: Stimmen aus Gaza, 12. Abs.: Guterres)
TEL AVIV/WASHINGTON (dpa-AFX) - Von Hoffnung bis Ärger: In Israel hat die Zustimmung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu einem US-Friedensplan unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Der von US-Präsident Donald Trump vorgeschlagene Plan sieht unter anderem vor, dass sich die israelische Armee schrittweise aus dem Gazastreifen zurückzieht. Das Gebiet soll außerdem von einer Übergangsregierung palästinensischer Technokraten unter Aufsicht eines internationalen Gremiums regiert werden.
Aus Kreisen der Hamas hieß es, die Terrororganisation habe den Vorschlag von den katarischen und ägyptischen Vermittlern erhalten. Demnach wollen die Islamisten den Plan "sorgfältig prüfen", ehe sie eine offizielle Antwort geben.
Kriegsmüde Gaza-Einwohner sehen Hoffnungsschimmer
Bei Einwohnern des weitgehend zerstörten Gazastreifens stieß der Plan auf geteiltes Echo. Dschamil al-Masri, Vater von sieben Kindern, zurzeit in der Stadt Gaza, sagte: "Seit zwei Jahren leben wir unter unvorstellbar harten Bedingungen, als wären wir in endlosem Leid gefangen. Trumps Plan erscheint mir als einzige Option, die uns bleibt."
Die Palästinenser hätten keine Kraft mehr für Widerstand und seien müde von leeren Versprechen. "Vielleicht bringt er eine Waffenruhe oder bessere Lebensbedingungen. Jede Initiative, die unser Leiden lindern kann - von Krieg zu Krieg, von Vertreibung zu Vertreibung - wäre willkommen. Wir sind erschöpft", sagte der 52-Jährige.
Der 35-jährige Humam Obeid, Apotheker aus Chan Junis, sagte: "Selbst wenn der Plan ungerecht ist, könnten wir ihm zustimmen, wenn er das Blutvergießen stoppt." Er hoffe darauf, dass die arabischen Staaten klar Stellung beziehen. "Unser Wunsch ist schlicht: Der Krieg muss sofort enden."
Mohammad al-Masri, ebenfalls Apotheker, der in den Süden des Gazastreifens vertrieben wurde, sprach von einem "Fenster der Hoffnung". Er lehnt aber eine internationale Verwaltung Gazas ab. "Der Gazastreifen ist Teil des künftigen Staates Palästina." Er rechne mit einem "Ja, aber" als Antwort auf Trumps Plan.
Hoffnung und Skepsis bei Geisel-Angehörigen
Der US-Plan regelt auch die Freilassung der aus Israel entführten Geiseln, die innerhalb der ersten Tage erfolgen soll. Die Angehörigen der Geiseln nannten den US-Vorschlag einen Wendepunkt. In einer Stellungnahme des Forums der Geisel-Familien hieß es: "Dies ist ein historisches Abkommen, das unserem Volk Heilung, ein Ende des Krieges und eine neue Zukunft für den Nahen Osten ermöglichen wird."
Die Angehörigen mehrerer Geiseln mit deutscher Staatsbürgerschaft drängten bei einem Treffen mit Bundeskanzler Friedrich Merz unterdessen auch darauf, dass Deutschland seinen diplomatischen Einfluss auf die Türkei nutzen soll. Ankara wiederum soll die Hamas zur Annahme des Vorschlags bewegen.
Die Cousine einer israelischen Geisel sagte der italienischen Zeitung "La Repubblica": "Unsere Hoffnung ist groß, aber genauso groß ist unsere Angst." Sie erinnerte daran, dass bereits in der Vergangenheit Gaza-Abkommen gescheitert seien. Im August hatte die Hamas ein Propaganda-Video veröffentlicht, in dem der von Terroristen festgehaltene und bis auf die Knochen abgemagerte Israeli zu sehen war. In dem Video muss er in einem engen Tunnel und im Sand sein "eigenes Grab" schaufeln.
Katar blickt vorsichtig optimistisch auf Trumps Gaza-Plan
Der Golfstaat Katar, der zusammen mit Ägypten und den USA in dem Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas vermittelt, blickt mit vorsichtigem Optimismus auf den Friedensplan. "Es ist zu früh, um über Antworten zu sprechen, aber wir sind optimistisch über den Plan", sagte der katarische Außenamtssprecher Madschid al-Ansari. Der Plan biete eine umfassende Perspektive für ein Ende des Kriegs in Gaza.
Die Rolle Katars schien unklar, nachdem Israel das Golfemirat direkt angegriffen hatte mit dem erklärten Ziel, in Doha die Führungsspitze der Hamas zu treffen. Später stellte Katar klar, an den diplomatischen Bemühungen festhalten zu wollen.
Die Hamas sei nun dabei, den Plan zu prüfen, sagte al-Ansari. Heute sei zudem noch ein Treffen mit Vertretern der Türkei geplant, um darüber zu beraten. "Unser Ziel heute ist, diesen tragischen Krieg zu beenden."
UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte Trumps Friedensvorschlag. Er würdige auch "die wichtige Rolle arabischer und muslimischer Staaten" dabei, sagte Guterres laut Mitteilung in New York. "Es ist jetzt entscheidend, dass alle Beteiligten sich zu einer Vereinbarung und ihrer Umsetzung verpflichten." Priorität müsse haben, das Leid der Menschen zu beenden. Die Vereinten Nationen stünden jederzeit zur Unterstützung bereit.
Wie reagieren Hardliner in der Regierung?
Kritik an Trumps Friedensplan kam erwartungsgemäß von Netanjahus rechtsextremen Koalitionspartnern, die gegen ein Ende des Krieges sind, solange die Hamas nicht zerschlagen ist. Möglich ist, dass sie wegen Netanjahus Zustimmung zum Vorschlag die Regierung verlassen.
Finanzminister Bezalel Smotrich äußerte die Hoffnung, dass die "Hartnäckigkeit der Hamas" Israel vielleicht noch vor sich selbst retten werde - also dass der Plan wegen eines Neins der Terrororganisation nicht umgesetzt wird. Zu möglichen Konsequenzen seiner Partei sagte er zunächst nichts.
Für die Hardliner dürften zudem ihre Träume von der Annexion sowie der Wiederbesiedlung des Gazastreifens platzen. "Israel wird Gaza weder besetzen noch annektieren", heißt es in einem vom Weißen Haus veröffentlichten Dokument des 20-Punkte-Plans. Israel zog sich vor 20 Jahren aus Gaza zurück. Rechtsextreme Politiker in Israel drängen auch auf eine Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens in andere Länder. Von dieser Idee ist der US-Präsident wohl auf Druck seiner arabischen Partner inzwischen abgerückt.
Opposition sieht Friedensplan als notwendige Maßnahme
Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid begrüßte Trumps Plan. Er will Netanjahu ein "Sicherheitsnetz" garantieren für den Fall, dass die ultrarechten Koalitionspartner jetzt aus Protest die Regierung verlassen. Trumps Plan zur Beendigung des Gaza-Krieges sei "nicht perfekt, aber die beste Option", sagte Lapid.
Der frühere Ministerpräsident und Netanjahu-Gegner Naftali Bennett sprach von "einem schwierigen, aber notwendigen Schritt". Bennett, der aus dem national-religiösen Lager kommt, plant Berichten zufolge ein politisches Comeback, nachdem er sich aus der Politik zurückgezogen hat. In einigen Wahl-Umfragen erhält seine Partei mehr Stimmen als Netanjahus Likud.
Palästinensische Autonomiebehörde lobt den Plan
Auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die Teile des Westjordanlandes verwaltet, lobte den US-Friedensplan. Ein umfassendes Abkommen zur Beendigung des Gaza-Kriegs werde auch den Weg zu einer Zweistaatenlösung ebnen, teilte die PA mit. Israels Regierung lehnt diese mit der Begründung ab, ein palästinensischer Staat gefährde Israels Existenz.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas leitet sowohl die PA als auch die Fatah-Bewegung. Die islamistische Hamas hatte 2007 die rivalisierende Fatah aus dem Gazastreifen vertrieben./cir/DP/stk