(neu: Aktualisiert.)
KIEL (dpa-AFX) - Nach Drohnensichtungen über einer Werft, Militär- und anderen Einrichtungen in Norddeutschland ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft auf Hochtouren. Bei einem Großteil der Sichtungen in der Nacht auf Freitag konnten Experten illegale, kritische Drohnen-Überflüge mittlerweile aber ausschließen, wie Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags sagte. "Dazu gehören zum Beispiel Flugzeuge, Hubschrauber und auch legale Drohnen."
Einige dieser Sichtungen, auch über militärische Einrichtungen, konnten bislang jedoch nicht verifiziert werden. Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Wegen der teilweise im Verbund erfolgten Drohnenüberflüge liege der Anfangsverdacht einer Straftat des sicherheitsgefährdenden Abbildens vor, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp im Ausschuss.
Günther: Nicht verunsichern lassen
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte, "es ist klar, dass die Drohnenüberflüge in verschiedenen EU-Staaten, Deutschland und bei uns in Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem der Verunsicherung und Destabilisierung dienen soll. Genauso wie Desinformationen im Internet, Spionage- und Sabotageversuche, sind das Mittel der hybriden Kriegsführung."
Auf diese Angriffe müsse Europa entschieden und mit Stärke beantworten, sagte Günther. "Deshalb brauchen wir auch in Deutschland so schnell wie möglich eine effektive und funktionierende Drohnenabwehr, zum Schutz unserer kritischen Infrastruktur und der Bevölkerung."
Interner Vermerk
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte zuvor unter Hinweis auf einen internen Vermerk über die Drohnensichtungen Ende vergangener Woche in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern berichtet. Demnach wurden am Donnerstag kurz nach 21 Uhr zunächst zwei kleine Drohnen über dem Werksgelände der Marinesparte von Thyssenkrupp in Kiel beobachtet.
Ein Werftsprecher bestätigte der Deutschen Presse-Agentur die Drohnen-Sichtungen. "Über die Herkunft haben wir keine Kenntnis." Zu möglichen Abwehrmaßnahmen wollte das Unternehmen keine Angaben machen.
Laut Magazin wurde auch über dem Universitätsklinikum ein "Drohnenverbund mit Mutterdrohne" gesichtet. Zudem sei eine ähnliche Formation über dem Kieler Gaskraftwerk und am Nord-Ostsee-Kanal gesichtet worden. Außerdem wurden später eine große stationäre Drohne und mehrere kleine Flugobjekte über der Kieler Förde beobachtet. Auch über der Raffinerie in Heide gab es Sichtungen. In dem Vermerk ist laut "Spiegel" davon die Rede, dass die Drohnen in parallelen Bahnen flogen, offenbar um die Einrichtungen am Boden genau zu vermessen.
Wie das Nachrichtenmagazin berichtet, sollen Drohnen jüngst auch im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern über einem Bundeswehrstandort in Sanitz, über dem Marinekommando in Rostock und über dem dortigen Überseehafen gesichtet worden sein.
Einen Bericht der "Bild"-Zeitung darüber, dass die Drohnen nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden von einem Schiff unter fremder Flagge in der Ostsee gestartet sind, das in Richtung Russland unterwegs war, wollte Schleswig-Holsteins Innenministerin weder bestätigen noch dementieren. Laut dem Blatt soll es sich um ein Schiff der sogenannten Schattenflotte handeln, mit der Russland Sanktionen etwa gegen Ölexporte umgehen will.
Unterschiedliche Art und Größe
Sütterlin-Waack spricht von vielen Drohnen unterschiedlicher Größe. Nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Sicherheitsbehörden lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt keine qualitativ gesteigerte und konkrete Gefährdungslage ableiten. Die jüngsten Vorkommnisse in Dänemark und anderen Ländern hätten das Ziel, die Öffentlichkeit zu verunsichern und die Situation in Europa zu destabilisieren, sagt die CDU-Politikerin.
Die Situation sei laut der Innenministerin seit August 2024 unverändert. Es könne daher nicht von einer sich "verschärfenden" Sicherheitslage gesprochen werden. Vor gut einem Jahr hatte es auch in Schleswig-Holstein bereits Drohnensichtungen gegeben.
Bundeswehr
Ministerpräsident Günther begrüßte Pläne der Bundesregierung, bei der Drohnenabwehr aufzurüsten und die Befugnisse der Bundeswehr zu erweitern. "In Schleswig-Holstein, mit unserer Lage als Drehkreuz im Ostseeraum, sind wir längst aktiv geworden: Wir haben bereits 2024 Geräte zur Drohnenabwehr beschafft, unsere Landespolizei hat ein Konzept zur Drohnenabwehr entwickelt."
Mehrfach hatten Drohnen in der vergangenen Woche den Luftverkehr in Dänemark gestört und für Verunsicherung und Chaos gesorgt. Drohnen, die bei sogenannten hybriden Angriffen verwendeten werden, haben sich in der Vergangenheit als teils unempfindlich gegen elektronische Störmaßnahmen erwiesen.
Beim Abschuss stehen die Sicherheitsbehörden und das Militär vor einer schwierigen Abwägung: Welche Gefahr ist größer, die des Waffeneinsatzes gegen die Drohne oder die Bedrohung durch die Drohne selbst? Schließlich könnte der Flugkörper über besiedeltem Gebiet abstürzen und Schäden verursachen.
Unter dem Eindruck der jüngsten Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets und Kamikaze-Drohnen wollten die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder in Kopenhagen über gemeinsame Anstrengungen für bessere Abschreckung und Verteidigung beraten. Bereits auf dem Tisch liegen Pläne für einen sogenannten Drohnenwall, der mit modernster Technik das Erkennen, Verfolgen und Abfangen von unbemannten Flugkörpern ermöglichen soll. Er soll möglichst schnell an der Ostflanke der EU aufgebaut werden./akl/DP/men