FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Dax hat nach dem lethargischen September einen mustergültigen Start in den Oktober hingelegt. Nicht wenige hoffen nun, dass er damit vielleicht die Basis für eine Jahresendrally legt. Die Hoffnung auf weitere US-Zinssenkungen sorge an den Börsen für neue Kursdynamik, kommentierte Finanzmarktexperte Andreas Lipkow. Gefragt seien derzeit vor allem Aktien mit einem Bezug zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Zuletzt erhielt der Megatrend durch die Meldung neue Nahrung, dass der ChatGPT-Anbieter OpenAI bei der Platzierung von Belegschaftsanteilen an Investoren eine Bewertung von rund einer halben Billion US-Dollar erreicht hat.
Die "imposanten" Prognosen einiger Wall-Street-Banken für den marktbreiten US-Index S&P 500, die die hohen Bewertungen offensichtlich als neue Norm betrachteten, "dokumentieren einen festen Glauben in die unendlichen Weiten der Künstlichen Intelligenz", konstatierte Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Dies nütze nicht nur den Halbleitergiganten wie etwa Nvidia - auch Anbietern von Cloud-Diensten und KI-Infrastruktur, Software- und Dienstleistungsunternehmen sowie Datenspeicheranbietern komme die hohe Nachfrage nach Rechenzentrumskapazitäten zugute.
Der vorab viel beschworene "Shutdown" in den USA, der nun tatsächlich eingetreten ist, konnte der wieder guten Stimmung am deutschen Aktienmarkt bisher nichts anhaben. Diese hatte dem Dax zuletzt erstmals seit einem Monat über die Marke von 24.000 Punkten verholfen. Im bisherigen Jahresverlauf steht für den deutschen Leitindex ein Kursplus von deutlich über 20 Prozent zu Buche. Das Rekordhoch von 24.639 Punkten aus dem Juli rückt wieder zunehmend in den Blick.
Ob der Schwung anhält, ist allerdings abzuwarten. Denn wegen des Arbeitsstillstands bei etlichen Regierungsbehörden werden bis auf Weiteres keine Konjunkturdaten mehr von US-Regierungsbehörden veröffentlicht, wie die Statistikabteilungen des Arbeitsministeriums und des Handelsministeriums mitteilten. Dies gilt auch für den eigentlich an diesem Freitag anstehenden, monatlichen Arbeitsmarktbericht, der ein wichtiger Faktor für die Geldpolitik der US-Notenbank Fed ist.
An den Finanzmärkten gilt eine weitere Leitzinssenkung der Fed um 0,25 Prozentpunkte Ende Oktober eigentlich als so gut wie sicher. Ohne Wirtschaftsdaten fehle den Währungshütern aber ebenso wie den Anlegern "eine wichtige Grundlage für Entscheidungen", schrieb Analystin Birgit Henseler im Kapitalmarktausblick der DZ Bank. Zudem sei ein Shutdown "ein sichtbares Symbol politischer Dysfunktion und erinnert Investoren daran, dass die US-Politik nicht einmal grundlegende Verwaltungsaufgaben zuverlässig erfüllt". Angesichts der hohen Aktienbewertungen und niedriger Risikoprämien könnte dies stärker auf die Stimmung drücken als in anderen Marktphasen.
Allerdings verwies Henseler ähnlich wie andere Experten darauf, dass die Börsen Shutdown-Phasen in der Vergangenheit letztlich problemlos verkraftet haben. Dies gelte auch für den mit mehr als einem Monat bisher längsten Shutdown zum Jahreswechsel 2018/19, während der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump.
Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets erinnerte daran, dass die jüngsten US-Arbeitsmarktdaten wie etwa der Monatsbericht des Dienstleisters ADP zur Privatwirtschaft allesamt schwach ausgefallen seien, was zumindest nicht gegen eine weitere Zinssenkung spreche. "Bezieht die Fed das schwächere Wachstum durch den Stillstand im Regierungsapparat mit in ihre Entscheidung ein, können Investoren sogar dem Shutdown etwas Gutes abgewinnen", so seine Einschätzung. Zudem verwies Molnar darauf, dass die Anleger zu Beginn des stärksten Börsenquartals im Jahr auch andere Risiken wie die US-Zollpolitik und kriegerische Auseinandersetzungen ignorierten.
Unternehmensseitig zeichnet sich eine übersichtliche Nachrichtenlage ab. Am Mittwoch veranstaltet der Kupferkonzern Aurubis einen Kapitalmarkttag. Zwei Tage später stehen der Quartalsbericht des Pharmaverpackungsherstellers Gerresheimer sowie die Auslieferungszahlen des Volkswagen -Konzerns für das dritte Quartal auf der Agenda.
Kursbewegende Konjunkturnachrichten sind angesichts fehlender US-Daten noch weniger in Sicht. Derzeit steht es in den Sternen, wann die ausgefallenen Veröffentlichungen nachgeholt werden. In Europa sind für diesen Freitag immerhin Einkaufsmanagerdaten aus der Dienstleistungsbranche sowie Inflationsdaten aus der Eurozone angekündigt./gl/tih/he
--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---