PRAG (dpa-AFX) - Der Rechtspopulist und Milliardär Andrej Babis will nach seinem triumphalen Sieg bei der Parlamentswahl in Tschechien mit seiner Partei ANO allein regieren. "Wir werden uns um eine einfarbige Regierung bemühen", sagte der Ex-Regierungschef. Für Europa dürfte Babis ein schwieriger Partner werden: Im Wahlkampf versprach er einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine, die "Zerstörung" des sogenannten Green Deals - also des Programms für eine klimaneutrale EU - und ein Ende des europäischen Migrations- und Asylpakets.
Babis gilt als Freund des EU-kritischen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban und bewundert offen den US-Präsidenten Donald Trump. Seine Oppositionsbewegung ANO wurde mit knapp über 34,5 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, wie am Sonntag aus dem Endergebnis der Wahlkommission hervorging. Er strebt nun eine Minderheitsregierung an.
Noch am Wahlabend begann der 71-Jährige mit Gesprächen über eine Tolerierung mit zwei Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums, den sogenannten Motoristen und der Freiheit und direkte Demokratie von Tomio Okamura.
Erste Konsultationen beim Präsidenten
Präsident Petr Pavel empfing Babis und weitere Parteivorsitzende am Sonntag auf der Prager Burg zu ersten Gesprächen. Der Ex-Nato-General erteilte Babis aber noch nicht den Regierungsauftrag. Das wäre verfrüht, sagte er anschließend. Pavel betonte, dass die Beibehaltung der prowestlichen Orientierung seines Landes eine seiner Hauptprioritäten sei. Die Mehrheit der Bürger wünsche sich keine extremen politischen Vorstellungen.
Die ANO verfügt künftig über 80 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus. Das Mitte-Rechts-Bündnis Spolu (Gemeinsam) des liberalkonservativen Regierungschefs Petr Fiala stürzte auf 23,4 Prozent der Stimmen ab (2021: 27,8). Die bisher mitregierende Bürgermeisterpartei erhielt 11,2 Prozent und die oppositionellen Piraten kamen auf knapp neun Prozent. Die Beteiligung war mit 69 Prozent höher als bei der Parlamentswahl 2021.
Granaten-Initiative für Ukraine droht das Aus
Babis hat wiederholt einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert. Das würde das Aus für eine erfolgreiche tschechische Granaten-Initiative bedeuten. Seit dem Start des Projekts vor anderthalb Jahren wurden bereits rund 3,5 Millionen Schuss großkalibriger Munition an Kiew geliefert. Zu den Geldgebern zählt auch Deutschland.
Die Regierungsparteien hatten den Schwerpunkt ihres Wahlkampfs auf die Bedrohungen durch Russland gelegt. Doch Babis warf ihnen Panikmache vor. "Ich weiß nicht, aus welcher Richtung die russischen Panzer kommen sollten", sagte er.
Glückwünsche aus Budapest und Bratislava
Auf EU-Ebene ist die ANO von der liberalen Fraktion Renew Europe zu den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Patrioten für Europa gewechselt. Dort sitzt sie in einer Reihe mit der Fidesz von Ungarns Regierungschef Orban, der FPÖ aus Österreich und dem Rassemblement National (RN) Marine Le Pens aus Frankreich.
"Die Wahrheit hat gesiegt", schrieb Orban bei X und sprach von einem "großen Schritt" für Tschechien. Der slowakische Regierungschef Robert Fico, dem Kritiker einen zu russlandfreundlichen Kurs vorwerfen, gratulierte Babis telefonisch zu seinem Wahlsieg.
Kleinparteien als Mehrheitsbeschaffer
Offen ist, welche Zugeständnisse Babis den möglichen Königsmachern für eine Tolerierung seiner künftigen Regierung machen muss. Die Freiheit und direkte Demokratie (SPD) fordert nicht nur die Möglichkeit eines Referendums über den Austritt aus EU und Nato, was Babis ablehnt, sondern auch die Rückführung der mehr als 383.000 ukrainischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Die Partei kam auf rund 7,8 Prozent der Stimmen.
Die Motoristen verlangen ein Rückrudern beim Verbrenner-Aus ab 2035. Die neue Autofahrerpartei kam auf 6,8 Prozent.
Babis versprach niedrigere Steuern
Nach Ansicht von Beobachtern stand für viele Wähler die Sorge um den eigenen Geldbeutel im Fokus. Die jährliche Inflationsrate lag zwar zuletzt bei 2,5 Prozent, hatte aber 2023 zweistellige Werte erreicht. Die ANO versprach niedrigere Steuern und billigere Energie. "Andrej Babis wird es überhaupt nicht leicht fallen, seine Versprechen zu erfüllen, und er wird viel Geld dafür brauchen", schrieb die Zeitung "Pravo" in einem Kommentar.
Doch in der Wahlkampfzentrale des Milliardärs herrschte erst einmal ein wenig Bierzeltstimmung: "Heute werden wir feiern", sagte Babis. Dann tanzte und sang er zu den Klängen des italienischen Popsongs "Sarà perché ti amo" ("Das ist, weil ich dich liebe")./hei/DP/he