DJ Mehr EZB-Ratsmitglieder sahen Abwärtsrisiken für Inflation - Protokoll
Von Hans Bentzien
DOW JONES--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seinen Leitzins im September wegen der anhaltenden hohen Unsicherheit des Inflationsausblicks unverändert gelassen. Wie aus dem Protokoll der Beratungen vom 11./12. September hervorgeht, wurde das Risiko eines mittelfristigen Unterschreitens des Zielwerts von 2 Prozent aber als etwas höher eingestuft als das Risiko eines Überschreitens. Der EZB-Rat als Ganzes gibt seit längerem keine Einschätzung mehr zur Balance der Inflationsrisiken ab.
Nach ihrer überarbeiteten geldpolitischen Strategie muss die EZB nicht nur das Basisszenario des Inflationsausblicks beachten, sondern auch die es umgebenden Risiken. "Mehrere Mitglieder sahen die Inflationsrisiken mittelfristig eher nach unten gerichtet", heißt es in dem Dokument. Überwiegend nach unten gerichteten Inflationsrisiken sahen dagegen nur "ein paar" Mitglieder.
EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte kürzlich gesagt: "Wenn es einen Anstieg bei der Wahrscheinlichkeit oder Intensität von Abwärtsrisiken gibt, dann bedeutet das, dass ein leicht niedrigerer Leitzins besser geeignet wäre, das mittelfristige Inflationsziel zu verteidigen."
Euro-Aufwertung könnte fundamental ungerechtfertigt sein
Die Verfechter abwärts gerichteter Inflationsrisiken sahen vor allem die Gefahr, dass die Aufwertung des Euro ein exogener Schock gewesen sein könnte, der nicht mit der wirtschaftlichen Lage im Euroraum zusammenhänge und dessen inflationsdämpfender Effekt damit stärker als in den Projektionen unterstellt sein könnte.
Zudem sei eine weitere Aufwertung angesichts der zunehmenden Erwartungen von Zinssenkungen durch die Fed möglich. Es wurde auch argumentiert, dass Handelsspannungen und Unsicherheit weiterhin Abwärtsrisiken für die Inflation darstellten. Insbesondere wurde angedeutet, dass eine zunehmende Umleitung von Waren aus China und anderen Ländern mit Überkapazitäten in den Euroraum sich in niedrigeren Exportpreisen manifestieren und zu einer geringeren Inflation führen könnte.
Außerdem könnten die Auswirkungen der fiskalischen Expansion auf Wachstum und Inflation geringer als erwartet sein und die inflationstreibende Wirkung des Emissionshandelssystems ETS2 könnte schwächer als gedacht ausfallen.
Inflationsprognosen des EZB-Stabs eher niedrig
Die in der Minderheit befindlichen Verfechter aufwärts gerichteter Inflationsrisiken verweisen unter anderem darauf, dass externe Inflationsprognosen für die Jahre 2026 und 2027 über denen des EZB-Stabs gelegen hätten. Die Geldpolitik habe zwar den Disinflationsprozess unterstützt, der Rückgang der Inflation auf den Zielwert sei aber auch teilweise auf volatile Entwicklungen bei den Energiepreisen und dem Wechselkurs zurückzuführen, die sich leicht umkehren könnten.
Darüber hinaus könnte die Weitergabe niedrigerer Inputkosten, die mit einem stärkeren Wechselkurs oder sinkenden Importpreisen zusammenhängen, geringer ausfallen als in den Projektionen angenommen. Importeure könnten aufgrund von Preisrigiditäten nach unten weniger bereit sein, niedrigere Kosten an die Verbraucher weiterzugeben, insbesondere angesichts der robusten Binnennachfrage und des Bestrebens der Unternehmen, ihre Gewinnmargen wieder aufzubauen.
Allgemein wurde darauf hingewiesen, dass sich die Wirtschaft widerstandsfähiger erweise als erwartet, was ein nachhaltiges Unterschreiten der Inflation zunehmend unwahrscheinlich mache. Es wurde auch argumentiert, dass Zölle in den Simulationen des EZB-Stabs eher inflationär als disinflationär wirkten, wenn die Projektionsmodelle Produktionsnetzwerke berücksichtigten.
Der Preisdruck nach oben könnte sich verstärken, wenn eine Fragmentierung der globalen Lieferketten die Importpreise in die Höhe treibe und die Kapazitätsengpässe in der heimischen Wirtschaft verschärfe.
Der EZB entscheidet das nächste Mal am 30. Oktober über den Leitzins, Analysten erwarten überwiegend, dass die EZB stillhalten wird.
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October 09, 2025 08:35 ET (12:35 GMT)
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