BRÜSSEL (dpa-AFX) - Beim umstrittenen Lieferkettengesetz sollen nach dem Willen von EU-Parlamentariern künftig deutlich weniger europäische Unternehmen strenge Sorgfaltspflichten einhalten müssen. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments stimmte mit 17 Ja- zu 6 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen für eine Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes.
Die Regeln würden demnach nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten. Ursprünglich waren als Grenze 1.000 Mitarbeitende und eine Umsatzgrenze von 450 Millionen Euro vorgesehen. Zudem sollen Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, auf EU-Ebene keiner zivilrechtlichen mehr Haftung unterliegen.
Finale Verhandlungen stehen noch aus
Bevor die Änderungen verbindlich werden, muss noch ein finaler Kompromiss mit den EU-Staaten ausgehandelt werden. Die Gespräche darüber sollen Ende kommender Woche starten. Die EU-Staaten hatten sich schon im Juni für ähnliche Lockerungen bei dem Gesetz ausgesprochen.
Ziel der EU-Richtlinie ist der Schutz von Menschenrechten
Das europäische Lieferkettengesetz wurde eigentlich bereits vergangenes Jahr beschlossen. Ziel ist, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Nach Kritik von Unternehmen sollen Teile der Richtlinie vereinfacht werden, noch bevor sie angewendet werden.
Erpressungsvorwurf
An der Entscheidung der Parlamentarier gibt es deutliche Kritik. Die Hilfsorganisation Misereor spricht von einer Demontage des Gesetzes und einer Entrechtung der Schwächsten. "In Deutschland würden nach der Position des Rechtsausschusses nur noch etwa 120 statt bisher 2.700 Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und die Umwelt überhaupt zu achten", teilte die Organisation mit.
Zudem steht die Taktik des zuständigen Verhandlungsführers des Europaparlaments in der Kritik. Jörgen Warborn von der EVP-Fraktion, zu der auch CDU und CSU gehören, soll damit gedroht haben, durch eine Mehrheit mit rechten bis rechtsextremen Kräften noch stärkere Änderungen an dem Vorhaben zu fordern.
Auf die Kritik angesprochen, sagte Warborn bei einer Pressekonferenz: "Ich bin sehr auf die Ergebnisse fokussiert." Es sei gut, dass es nun eine Mehrheit mit Sozialdemokraten und Liberalen gebe, da sich Europa in einer problematischen Situation befinde. Viele Unternehmen entschieden sich dafür, nicht in Europa, sondern in anderen Teilen der Welt zu investieren./mjm/DP/he