(neu: Prognose des Schätzerkreises; Reaktion gesetzliche Kassen)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Krankenkassenbeiträge für Millionen Versicherte sollen nach Plänen von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) im nächsten Jahr insgesamt stabil bleiben können. Das Kabinett brachte dazu ein Sparpaket von zwei Milliarden Euro auf den Weg, das den Druck für neue Beitragserhöhungen auflösen soll. Es sieht Ausgabenbremsen vor allem bei den Kliniken vor. Die Krankenkassen warnten jedoch schon vor weiterhin drohenden Anhebungen.
Warken sagte in Berlin: "Die Bundesregierung hat Wort gehalten." Eine ermittelte Deckungslücke von zwei Milliarden Euro für 2026 werde geschlossen. Damit durchbreche man die schon zur Gewohnheit gewordenen Erhöhungen der Zusatzbeiträge in den vergangenen Jahren. "Stabile Sozialbeiträge sind ein Beitrag zum notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung in unserem Land." Erst Anfang 2025 hatte es eine breite Erhöhungswelle gegeben. Angesichts stark steigender Ausgaben drohten zum 1. Januar 2026 die nächsten Anhebungen.
Kassen legen konkreten Zusatzbeitrag selbst fest
Direkt stabile Beiträge für alle Versicherte bei jeder einzelnen Krankenkasse festlegen kann die Politik nicht. Das Gesundheitsministerium macht jeweils zum 1. November einen "durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitrag" für das Folgejahr bekannt, der eine Orientierungsmarke darstellt. Warken sagte, dieser Wert dürfte mit dem Kabinettsbeschluss "auf dem heutigen Niveau" von 2,9 Prozent stabilisiert werden. Die Krankenkassen entscheiden dann aber noch je nach ihrer Finanzlage selbst, wie hoch sie ihre Zusatzbeiträge ansetzen, die zum allgemeinen Beitragssatz von einheitlich 14,6 Prozent hinzukommen.
Das Sparpaket wurde kurz vor der Bekanntgabe der jährlichen Finanzprognose eines zuständigen Schätzerkreises vorgestellt. Das Gremium ermittelte, dass sich für 2026 ein rechnerischer durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent ergibt, wie das Bundesamt für Soziale Sicherung nach der Beratung mitteilte. Dabei seien Veränderungen bei den Finanzreserven der Kassen nicht berücksichtigt - das heißt, wenn sie Geld verwenden, um vorgeschriebene Rücklagen zu füllen. Zunächst berichtete Politico über den Wert für 2026.
Großteil der Einsparungen bei Krankenhäusern
Konkret sollen bei den Kliniken 1,8 Milliarden Euro eingespart werden. Dafür soll der Anstieg der Vergütungen auf die tatsächlichen Kostensteigerungen der Krankenhäuser begrenzt werden. Eine Klausel, die zu höheren Zahlungen führen würde, soll demnach für 2026 ausgesetzt werden. Bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen sollen 100 Millionen Euro eingespart werden, etwa bei Porto oder Werbeaktionen. Weitere 100 Millionen Euro bringen soll eine Halbierung der Einzahlungen aus Kassenmitteln in einen Fonds zur Versorgungsforschung.
Bei den Pflegebeiträgen, die die Politik direkt festlegt, gibt es im nächsten Jahr keine Erhöhung, wie Warken deutlich machte. Mit welchen Maßnahmen eine bestehende Finanzlücke von 1,7 Milliarden Euro geschlossen werden soll, steht aber noch nicht fest. Warken kündigte eine Einigung in den nächsten Tagen an. Prinzipiell gebe es die Möglichkeit von Leitungskürzungen oder Darlehen.
Kassen: Sparpaket nur ein Notnagel
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) äußerten sich skeptisch zu den Stabilisierungseffekten. Das "Sparpaket" sei nur ein Notnagel, mit dem die aktuelle Situation verbessert, die grundlegenden Probleme aber nicht gelöst würden, sagte der Chef des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt. Auf den ersten Blick scheine die finanzielle Situation stabil. "Aber wer genauer hinschaut, erkennt, dass weiterhin Beitragsanhebungen zu erwarten sind." Denn viele Kassen müssten noch gesetzlich vorgeschriebene Rücklagen auffüllen.
Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen kritisierte: "Die vermeintliche Beitragsstabilität ist eine optische Täuschung, erkauft durch unrealistische Konjunkturannahmen und kurzfristige Buchungstricks." Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wies auf Einsparpotenziale auch bei ambulanten Behandlungen und in der Pharmaindustrie hin. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) kritisierte einen verfehlten Sparkurs zulasten der Kliniken./sam/bw/DP/jha