
Sind die jüngsten Kursrücksetzer europäischer Bankaktien eine attraktive Einstiegsgelegenheit, oder drohen die Probleme der US-Regionalbanken auf den Kontinent überzugreifen?
Der Auslöser für die Nervosität an den Finanzmärkten liegt einmal mehr in den USA. Meldungen von zwei US-Regionalbanken - namentlich Zions Bancorporation und Western Alliance - versetzten die Anleger in Alarmbereitschaft. Beide Institute sahen sich gezwungen, Abschreibungen auf notleidende Kredite vorzunehmen und sprachen davon, Opfer von Kreditbetrug im Zusammenhang mit gewerblichen Immobilienfonds geworden zu sein.
Der Schock erwischete den Markt kalt. Der S&P Regional Banks Select Industry Index verlor in der Folge mehr als sechs Prozent. Die Sorge bei Investoren: Handelt es sich hierbei nur um isolierte Einzelfälle, oder deuten die Probleme auf insgesamt zu laxe Kreditstandards bei kleineren US-Banken hin?
Die Pleiten zweier Autozulieferer in diesem Jahr, insbesondere im intransparenten Private-Credit-Markt, verschärften die Zweifel zusätzlich. Jamie Dimon, CEO von JPMorgan, warnte: "Wenn man eine Kakerlake sieht, gibt es meistens davon noch mehr." Zwar zeigten die Quartalszahlen der großen Wall-Street-Banken, die ihre Kreditrisikovorsorge teilweise sogar zurückfuhren, dass es sich derzeit primär um ein Problem der Regionalbanken handelt. Dennoch führte die Unsicherheit schnell zu starken Kursreaktionen.
Dominoeffekt in Europa: Anleger sichern Buchgewinne
Die Furcht vor weitergehenden Problemen ließ die Finanzwerte in Europa ebenfalls kurz vor dem Wochenende abtauchen. Da Anleger nach dem starken Lauf der Aktienmärkte in 2025 ohnehin geneigt sind, Buchgewinne zu sichern und Kasse zu machen, traf der US-Schock auf ein nervöses Sentiment.
Der Stoxx Europe 600 Banks führte das europäische Branchentableau mit einem Minus von 2,8 Prozent an. Auch die Papiere europäischer Großbanken wie BNP Paribas, Santander, ING und Unicredit fielen jeweils um mehr als drei Prozent. Trotz des Rücksetzers: Der europäische Bankenindex kommt im Jahr 2025 immer noch auf ein Jahresplus von gut 50 Prozent.
Deutsche Bank: Ist der Rücksetzer eine Kaufchance?
Die Deutsche Bank traf die Nervosität besonders empfindlich. Das Papier sackte um mehr als fünf Prozent ab und war damit klares Schlusslicht im DAX. Im Gegensatz zur Commerzbank, die "nur" 3,4 Prozent verlor, wird die Deutsche Bank stärker abgestraft. Der Grund: Das Institut ist im Gegensatz zur Commerzbank umfassend in den USA aktiv - von Investmentbanking über den Handel bis zur Vermögensverwaltung - und damit anfälliger für die aktuelle US-Ansteckungsgefahr.
Operativ gilt die Deutsche Bank langfristig jedoch als solide aufgestellt, und im Jahr 2025 verbuchte sie vor dem heutigen Einbruch Kursgewinne von gut 73 Prozent. Die positive Entwicklung wurde maßgeblich durch die Aussichten auf eine Belebung der Konjunktur im Sog milliardenschwerer Infrastruktur- und Rüstungsausgaben hierzulande gestützt.
MeinTip zur Deutschen Bank: Wer bereits investiert ist, sollte die Ruhe bewahren und mit erhöhter Volatilität rechnen. Für Anleger, die auf eine kurzfristige Beruhigung setzen und die Aktie für unterbewertet halten, bietet der Rücksetzer eine Einstiegsmöglichkeit. Hält der Kurs die Marke von 25,00 Euro, sollte dies als Signal für einen Einstieg oder eine Aufstockung gewertet werden.
Mein Tipp zur BBVA: Übernahme-Aus als Kurstreiber
Ein positiver Ausreißer in diesem negativen Umfeld war die spanische Großbank BBVA. Das Papier legte gegen den Markttrend um mehr als fünf Prozent zu. Der Grund ist nicht operativer Natur, sondern das Scheitern der geplanten Übernahme der heimischen Konkurrentin Banco Sabadell.
Die BBVA hatte ihr Übernahmeziel nicht erreicht, da nur 25,5 Prozent der Aktionäre ihre Papiere angedient hatten; 30 Prozent wären notwendig gewesen. Anleger bewerteten das Scheitern als positiv, was in erster Linie auf die geringeren Kosten und die Vermeidung von Integrationsrisiken für die BBVA hindeutet. Im Gegensatz dazu sackten die Papiere der Banco Sabadell um mehr als sechs Prozent ab.
Das Übernahme-Aus wirkt als Kurstreiber, und die Aktie zeigt sich heute extrem widerstandsfähig. Sie gilt als Kaufgelegenheit an schwachen Tagen. Analysten sehen im Durchschnitt noch rund 10 Prozent Luft nach oben beim Kurs.
Markus Weingran, Chefredakteur wallstreetONLINE Börsenlounge
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