FRANKFURT/WASHINGTON (dpa-AFX) - Aus Sorge um den Arbeitsmarkt hat die US-Notenbank zum zweiten Mal in diesem Jahr den Leitzins gesenkt. Sie setzte das Zinsniveau um 0,25 Punkte herab auf eine Spanne von 3,75 bis 4,0 Prozent, wie der Zentralbankrat der Federal Reserve (Fed) am Mittwoch in Washington mitteilte. Die meisten Volkswirte hatten das so erwartet. Zugleich verunsicherte Notenbank-Präsident Jerome Powell Analysten und Märkte: "Eine weitere Senkung des Leitzinses bei der Dezember-Sitzung ist alles andere als sicher". Analysten waren von einer weiteren Senkung zum Jahresende ausgegangen.
Einschätzungen von Ökonomen im Überblick:
Bernd Weidensteiner, Ökonom bei der Commerzbank:
"Die wesentliche Erkenntnis der Pressekonferenz der Fed nach der Sitzung war, dass eine weitere Zinssenkung auf der kommenden Sitzung im Dezember keineswegs eine ausgemachte Sache ist. Auf diesen Punkt wies Powell wiederholt hin, darunter bereits in seinen Eingangsbemerkungen, und seine Ausführungen gingen deutlich über die übliche Anmerkung hinaus, dass die Fed von Sitzung zu Sitzung entscheidet. Dies war auch insofern ungewöhnlich, als Powell normalerweise auf Fragen zu den kommenden Sitzungen ausweichend antwortet.
(...) Letztlich werden die Daten über die Leitzinsen entscheiden. Wir gehen zwar weiterhin von einer erneuten Senkung im Dezember aus, die Risiken für diese Prognose haben sich nach den recht deutlichen Warnungen Powells aber erhöht."
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank:
"Fed-Chef Jerome Powell überraschte derweil während der Pressekonferenz: Eine Zinssenkung im Dezember sei keine abgemachte Sache. Der Notenbanker verwies dabei auf die geringe Anzahl von Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe. Darüber hinaus stochert die Fed aufgrund des Regierungsstillstandes im Nebel. Es fehlen die relevanten Daten für die Ausrichtung der Geldpolitik. Jerome Powell verwies auch auf die unterschiedlichen Meinungen zur Ausrichtung des geldpolitischen Kurses im Offenmarktausschuss. Die fehlenden Daten machen den Währungshütern das Leben derzeit schwer. Es scheint so, dass die Fed im Zweifelsfalle wohl lieber auf eine Zinssenkung im Dezember verzichtet als aufgrund einer unzureichenden Datenlage eine falsche Entscheidung zu treffen."
Paul Ashworth, Chefvolkswirt Nordamerika bei Capital Economics:
"Die Fed hat heute ihren Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 3,75 Prozent bis 4,00 Prozent gesenkt, aber die Abstimmung fiel etwas ausgewogener aus als wir erwartet hatten, mit Gegenstimmen in beide Richtungen. Der Vorsitzende Jerome Powell warnte in seiner Pressekonferenz, dass eine weitere Senkung im Dezember nicht garantiert sei."
Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust:
"Eine verhältnismäßig stabile Inflationsrate von 3 Prozent im September hat der Fed den Spielraum gegeben, um die Zinsen weiter zu senken und ihren Fokus auf die Stabilisierung des Arbeitsmarktes zu richten. Aufgrund der nun schon wochenlang anhaltenden US-Haushaltssperre ist die Datenverfügbarkeit stark eingeschränkt. Klar ist jedoch, dass die Freistellung öffentlich Bediensteter zu Einkommenseinbußen bei den Betroffenen führt und die Konjunktur schwächt. Die Produktionsverluste durch den Shutdown werden nach dem Ende der Haushaltssperre erfahrungsgemäß zu einem Großteil wieder aufgeholt." /jsl/zb