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Der Stuttgarter Autoriese Mercedes-Benz steckt tief in der Krise. Im dritten Quartal brach der Gewinn um dramatische 70 Prozent ein.
Nur noch 750 Millionen Euro operatives Ergebnis standen am Ende zu Buche. Doch während die Zahlen schockieren, startet der Konzern ausgerechnet jetzt ein großes Aktienrückkaufprogramm. Ist das der verzweifelte Versuch, die Anleger bei Laune zu halten, denn die Probleme sind hausgemacht. In China verliert Mercedes massiv Marktanteile an die lokale Konkurrenz. Die Elektrostrategie kommt nicht voran. Und die Kunden wenden sich ab. Was ist da los beim einstigen Vorzeigekonzern? Die Antworten fallen ernüchternd aus.
China wird zum Albtraum für Mercedes
Die Zahlen aus Fernost lassen jedem Anleger das Blut in den Adern gefrieren. Im Luxussegment, dem Herzstück des Mercedes-Geschäfts, brachen die Verkäufe in China um 27 Prozent ein. Das ist nicht einfach nur ein schlechtes Quartal. Das ist eine Katastrophe. CEO Ola Källenius spricht von einer herausfordernden Preissituation. Doch das ist nur ein Euphemismus für das wahre Problem. Mercedes hat die chinesische Konkurrenz schlichtweg unterschätzt. Mehr als 100 heimische Hersteller drängen mittlerweile auf den Markt. Sie bieten attraktive Preise, moderne Technik und Qualität, die mit den Deutschen mithalten kann. Der Hochlauf der Elektroautoproduktion in China gelang in atemberaubendem Tempo. Mercedes dagegen bleibt mit seinen Elektromodellen weit hinter den Erwartungen zurück. Die Elektrifizierungsquote von 21,8 Prozent klingt erstmal nicht schlecht. Doch ein Großteil davon sind Plug-in-Hybride, nicht reine E-Autos. Das Management weigert sich, in einen Preiskrieg einzusteigen. Hohe Rabatte für hochwertige Modelle kommen nicht infrage. Diese Sturheit könnte sich als fataler Fehler erweisen. ?
Zollchaos und Chipkrise
Als wäre die China-Krise nicht genug, kommen weitere Probleme hinzu. In den USA, dem zweitwichtigsten Absatzmarkt, schlagen die Zölle voll durch. Zwar produziert Mercedes viele Fahrzeuge für den US-Markt direkt vor Ort. Doch Modelle wie die S-Klasse müssen importiert werden. Ursprünglich waren 27,5 Prozent Zölle fällig. Seit August sind es immerhin nur noch 15 Prozent. Das belastet die Marge dennoch erheblich. Europa, eigentlich die Heimatbasis, kann die Verluste nicht ausgleichen. Die Konjunktur schwächelt. Jeden Monat gehen in Deutschland 10.000 Industriearbeitsplätze verloren. Die Menschen sorgen sich um ihre Jobs. Wer kauft sich da noch einen teuren Mercedes? Dazu kommen hohe Einmalkosten durch das laufende Sparprogramm. Mercedes bietet Abfindungen für freiwillig ausscheidende Beschäftigte an. Das soll langfristig Personalkosten senken. Kurzfristig belastet es die Bilanz mit 876 Millionen Euro im dritten Quartal. Ein weiteres Damoklesschwert hängt über der gesamten Branche. China hat den Export von Halbleiter-Chips der Firma Nexperia gestoppt. Diese Chips stecken zu Hunderten in modernen Autos. Mehr als 80 Prozent der Hersteller setzen darauf. Mercedes hat zwar noch Vorräte aus der Pandemiezeit. Doch wie lange die reichen, weiß niemand. Alternative Lieferanten wie Infineon brauchen Zeit, um die Produktion hochzufahren.

Charttechnik
Bei rund 56 Euro notiert das Papier derzeit. Das sind zwar knapp 20 Prozent über dem 52-Wochen-Tief. Doch vom Jahreshoch bei 63,17 Euro im März ist die Aktie weit entfernt. Der RSI von 62 deutet auf eine leichte Euphoriewelle hin, die noch etwas laufen könnte, aber dann dürfte es wieder abwärts gehen. Der letzte Hochlauf auf 58,95 Euro wurde sofort wieder abverkauft. Da waren einige wohl froh zu diesen Kursen nochmal rauszukommen. Die Kerze hat einen langen Docht. Das ist kein gutes Zeichen. Geht es jetzt unter die 53 Euro, dann ist ein Rutsch unter die 50-Euro-Marke jederzeit möglich - wahrscheinlich sogar ein Test der 45 Euro. Darunter kommt nur noch der Nothalt bei 30 Euro. Nach oben fehlen klare Impulse.
Was tun?
Die Lage bei Mercedes ist ernst. Der operative Gewinn brach um 70 Prozent ein. In China verliert der Konzern massiv Boden. Die Elektrostrategie kommt nicht voran. Zölle und Chipkrise verschärfen die Probleme. Das Zwei-Milliarden-Euro-Rückkaufprogramm wirkt wie ein Ablenkungsmanöver. Es kaschiert die strukturellen Schwächen, löst sie aber nicht. Charttechnisch gibt es keine überzeugenden Kaufsignale. Die jüngsten Nachrichten über Führungswechsel und Sparprogramme zeugen von Hektik im Management. Für konservative Anleger ist die Mercedes-Aktie derzeit keine Option. Wer bereits investiert ist, sollte seine Position kritisch prüfen. Ein Verkauf zu aktuellen Kursen könnte sich im Nachhinein eventuell als richtig erweisen, oder aber besser abwarten, bis der Konzern beweist, dass er die Krise wirklich meistern kann.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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