Berlin (ots) -
Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen im Gespräch mit Jan Komasa zum Kinostart seines neuen Films THE CHANGE, einer Dystopie über ein autoritäres Amerika.
Ein Jahr nach der Wiederwahl von Donald Trump startet heute THE CHANGE in den deutschen Kinos. Anlässlich der Deutschlandpremiere in der Astor Filmlounge Berlin sprach Regisseur Jan Komasa mit Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen vor einem gebannten Publikum über die Fragilität westlicher Werte - und darüber, wie leicht sich politische Trägheit in autoritäre Dynamik verwandeln kann. Das Politische ist in seinem Film zugleich höchst privat - und darin liegt die eindringliche Stärke von THE CHANGE, dem englischsprachigen Debüt Komasas, der mit dem Oscar®-nominierten "Corpus Christi" (2019) seinen internationalen Durchbruch feierte.
Als Pole stammt Jan Komasa aus einem Land, das die nationalsozialistische Besatzung, vier Jahrzehnte Sozialismus und zuletzt die demokratiezersetzenden Jahre der rechtspopulistischen PiS-Regierung erlebt hat. Lange sei seine Heimat ein linksgerichtetes, autoritäres Land gewesen, "in dem es bis zu einem gewissen Grad vom Staat nicht gerne gesehen wurde, in die Kirche zu gehen oder patriotisch zu sein. Manche Menschen sind dafür sogar im Gefängnis gelandet." Diese Erfahrungen prägen Komasas dystopischen Blick auf ein Amerika, das in THE CHANGE schleichend autoritäre Züge annimmt.
Mit schonungsloser Präzision zeigt Komasa am Beispiel einer liberalen Professorenfamilie, wie schnell demokratische Strukturen erodieren, wenn Angst, Bequemlichkeit und moralische Selbstgefälligkeit auf gefährliche Ideologien treffen. Die Idee dazu entstand, als er 2018 alte Familienfotos betrachtete: "Ich sah die Gesichter aus 2011, 2012, 2013 ... und dachte: Was wäre, wenn der Zuschauer nur dieses Fotoalbum hätte, ohne Kontext?" Dieselben Menschen, derselbe Raum, aber jedes Jahr eine neue Wirklichkeit. So entstand die Struktur des Films: eine Abfolge von Familienfeiern, die über mehrere Jahre hinweg immer dunkler werden - eine Erzählung, die bewusst Lücken lässt und den Zuschauer anregt, das Unsichtbare mitzudenken.
"Berlin ist wie diese Familie", stellte Komasa über den Ort der Premiere fest. "Eine Stadt, die durch die Teilung gespalten ist, nicht nur visuell, sondern auch in den Köpfen der Menschen zwischen Ost und West." Europa, so der Regisseur, habe ein kollektives Gedächtnis für ideologische Extreme: "Wir mögen keine -ismen, egal ob Kommunismus oder Faschismus, wir trauen ihnen nicht. Doch manchmal vergessen wir die Geschichte und beginnen, autoritäre Strukturen zu vermissen."
Diese historische Perspektive, ergänzte Komasa, fehle im amerikanischen Bewusstsein. "Die Amerikaner haben keine Erfahrung mit dem Kommunismus. Ihr Land wurde vor 250 Jahren gegründet und Demokratie ist das einzige System, das sie kennen." Also wollte er sehen, was passiert, wenn man diesen parasitären Gedanken in eine amerikanische Familie einpflanzt. Das ist das Fundament seines Films: ein dystopischer Blick aus mitteleuropäischer Sicht auf ein Amerika, das seinen eigenen moralischen Kompass verliert.
"Ich wurde 1981 geboren. Für meine Generation war der amerikanische Traum selbstverständlich", erinnerte sich Komasa. "Ich bin mit Sesamstraße, der NBA und Indiana Jones aufgewachsen. Amerika war das gelobte Land, das Maß für Demokratie." Heute, sagte er, habe sich dieses Bild verschoben. THE CHANGE fragt, was passiert, wenn das Experiment Demokratie, welches die USA immer noch ist, ins Autoritäre kippt - nicht als Kommentar auf Trump oder Biden, sondern als universelle Warnung.
Komasa betonte, dass THE CHANGE von Beginn an als Dystopie angelegt war: "2018 wollte ich einen dystopischen Film drehen. Ich mag Science-Fiction. Ich liebe 1984, weil es uns alle zusammenbringt, egal ob rechts oder links. Es geht um die Gefahren der Tyrannei. Dahin wollte ich auch mit THE CHANGE." Gemeinsam mit der UCLA-Professorin Lynn Babrick entwickelte er die fiktive Bewegung "The Change", die auf einem Gedanken von Sokrates basiert: "Er hielt die Demokratie für ein ungerechtes System, weil sie uns die gleiche Stimmkraft wie allen anderen gibt. Er sagte, ein gerechteres System wäre eines ohne Wahlen, in dem das Land von Experten regiert wird." Daraus formte Komasa eine Organisation, die im Film "wie eine Kirche aussieht" und "Menschen an die erste Stelle" stellt - eine populistische, technokratische Mischung, "ein Frankenstein aus verschiedenen Ideen."
Zu Beginn des Films hält Hauptdarstellerin Diane Lane an der Georgetown University eine Vorlesung über den russischen Schriftsteller Tschechow - ein bewusster Verweis, wie Komasa erklärte: "Tschechows 'Drei Schwestern' war eine der Inspirationsquellen. Auch im Film sind es drei Schwestern sowie ein Bruder, und der Bruder bringt seine Verlobte mit nach Hause, die daraufhin das Haus übernimmt." Komasa nutzt diese Konstellation als Sinnbild für die gesellschaftliche Verschiebung: "Tschechow sagte, dass er weder liberal noch konservativ sei. Ich denke, dass wir Künstler die Ersten sind, die spüren, dass Veränderungen bevorstehen. Und wenn wir dann in Deutschland oder Polen erfahren, dass es gefährlich wird, Witze zu machen, ist das wahrscheinlich die rote Linie. Denn dann stirbt der Sinn für Humor. Und dann, glaube ich, stirbt die Gesellschaft." Im Film wird das Verschwinden der mittleren Schwester, einer Stand-up-Comedienne, zum Wendepunkt der Geschichte. Sie wird mundtot gemacht, eine schmerzlich aktuelle Parallele zu den Entwicklungen des Jahres 2025 rund um die Late-Night-Talker Jimmy Kimmel und Stephen Colbert.
Mit THE CHANGE legt Jan Komasa einen hochbrisanten, formal gewagten und emotional aufgeladenen Thriller vor - einen Film, der nicht predigt, sondern beobachtet. Ob er Angst vor den Reaktionen aus den USA hätte, wurde er aus dem Publikum gefragt. Davor, dass sein Film verboten werden könnte. Komasa darauf trocken: "Wir haben darüber gescherzt, dass mein Visum für die Vereinigten Staaten nach dem Kinostart dieses Films plötzlich abgelaufen sein könnte. [...] Ich hätte nicht gedacht, dass es heutzutage ein Akt der Courage ist, einen Film herauszubringen."
THE CHANGE startet am 6. November bundesweit in den Kinos. Mehr Infos und ausführliches Pressematerial zum Film unter: https://presse.tobis.de
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Presseabteilung, Uta Peleikis
Kurfürstendamm 68, 10707 Berlin
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Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen im Gespräch mit Jan Komasa zum Kinostart seines neuen Films THE CHANGE, einer Dystopie über ein autoritäres Amerika.
Ein Jahr nach der Wiederwahl von Donald Trump startet heute THE CHANGE in den deutschen Kinos. Anlässlich der Deutschlandpremiere in der Astor Filmlounge Berlin sprach Regisseur Jan Komasa mit Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen vor einem gebannten Publikum über die Fragilität westlicher Werte - und darüber, wie leicht sich politische Trägheit in autoritäre Dynamik verwandeln kann. Das Politische ist in seinem Film zugleich höchst privat - und darin liegt die eindringliche Stärke von THE CHANGE, dem englischsprachigen Debüt Komasas, der mit dem Oscar®-nominierten "Corpus Christi" (2019) seinen internationalen Durchbruch feierte.
Als Pole stammt Jan Komasa aus einem Land, das die nationalsozialistische Besatzung, vier Jahrzehnte Sozialismus und zuletzt die demokratiezersetzenden Jahre der rechtspopulistischen PiS-Regierung erlebt hat. Lange sei seine Heimat ein linksgerichtetes, autoritäres Land gewesen, "in dem es bis zu einem gewissen Grad vom Staat nicht gerne gesehen wurde, in die Kirche zu gehen oder patriotisch zu sein. Manche Menschen sind dafür sogar im Gefängnis gelandet." Diese Erfahrungen prägen Komasas dystopischen Blick auf ein Amerika, das in THE CHANGE schleichend autoritäre Züge annimmt.
Mit schonungsloser Präzision zeigt Komasa am Beispiel einer liberalen Professorenfamilie, wie schnell demokratische Strukturen erodieren, wenn Angst, Bequemlichkeit und moralische Selbstgefälligkeit auf gefährliche Ideologien treffen. Die Idee dazu entstand, als er 2018 alte Familienfotos betrachtete: "Ich sah die Gesichter aus 2011, 2012, 2013 ... und dachte: Was wäre, wenn der Zuschauer nur dieses Fotoalbum hätte, ohne Kontext?" Dieselben Menschen, derselbe Raum, aber jedes Jahr eine neue Wirklichkeit. So entstand die Struktur des Films: eine Abfolge von Familienfeiern, die über mehrere Jahre hinweg immer dunkler werden - eine Erzählung, die bewusst Lücken lässt und den Zuschauer anregt, das Unsichtbare mitzudenken.
"Berlin ist wie diese Familie", stellte Komasa über den Ort der Premiere fest. "Eine Stadt, die durch die Teilung gespalten ist, nicht nur visuell, sondern auch in den Köpfen der Menschen zwischen Ost und West." Europa, so der Regisseur, habe ein kollektives Gedächtnis für ideologische Extreme: "Wir mögen keine -ismen, egal ob Kommunismus oder Faschismus, wir trauen ihnen nicht. Doch manchmal vergessen wir die Geschichte und beginnen, autoritäre Strukturen zu vermissen."
Diese historische Perspektive, ergänzte Komasa, fehle im amerikanischen Bewusstsein. "Die Amerikaner haben keine Erfahrung mit dem Kommunismus. Ihr Land wurde vor 250 Jahren gegründet und Demokratie ist das einzige System, das sie kennen." Also wollte er sehen, was passiert, wenn man diesen parasitären Gedanken in eine amerikanische Familie einpflanzt. Das ist das Fundament seines Films: ein dystopischer Blick aus mitteleuropäischer Sicht auf ein Amerika, das seinen eigenen moralischen Kompass verliert.
"Ich wurde 1981 geboren. Für meine Generation war der amerikanische Traum selbstverständlich", erinnerte sich Komasa. "Ich bin mit Sesamstraße, der NBA und Indiana Jones aufgewachsen. Amerika war das gelobte Land, das Maß für Demokratie." Heute, sagte er, habe sich dieses Bild verschoben. THE CHANGE fragt, was passiert, wenn das Experiment Demokratie, welches die USA immer noch ist, ins Autoritäre kippt - nicht als Kommentar auf Trump oder Biden, sondern als universelle Warnung.
Komasa betonte, dass THE CHANGE von Beginn an als Dystopie angelegt war: "2018 wollte ich einen dystopischen Film drehen. Ich mag Science-Fiction. Ich liebe 1984, weil es uns alle zusammenbringt, egal ob rechts oder links. Es geht um die Gefahren der Tyrannei. Dahin wollte ich auch mit THE CHANGE." Gemeinsam mit der UCLA-Professorin Lynn Babrick entwickelte er die fiktive Bewegung "The Change", die auf einem Gedanken von Sokrates basiert: "Er hielt die Demokratie für ein ungerechtes System, weil sie uns die gleiche Stimmkraft wie allen anderen gibt. Er sagte, ein gerechteres System wäre eines ohne Wahlen, in dem das Land von Experten regiert wird." Daraus formte Komasa eine Organisation, die im Film "wie eine Kirche aussieht" und "Menschen an die erste Stelle" stellt - eine populistische, technokratische Mischung, "ein Frankenstein aus verschiedenen Ideen."
Zu Beginn des Films hält Hauptdarstellerin Diane Lane an der Georgetown University eine Vorlesung über den russischen Schriftsteller Tschechow - ein bewusster Verweis, wie Komasa erklärte: "Tschechows 'Drei Schwestern' war eine der Inspirationsquellen. Auch im Film sind es drei Schwestern sowie ein Bruder, und der Bruder bringt seine Verlobte mit nach Hause, die daraufhin das Haus übernimmt." Komasa nutzt diese Konstellation als Sinnbild für die gesellschaftliche Verschiebung: "Tschechow sagte, dass er weder liberal noch konservativ sei. Ich denke, dass wir Künstler die Ersten sind, die spüren, dass Veränderungen bevorstehen. Und wenn wir dann in Deutschland oder Polen erfahren, dass es gefährlich wird, Witze zu machen, ist das wahrscheinlich die rote Linie. Denn dann stirbt der Sinn für Humor. Und dann, glaube ich, stirbt die Gesellschaft." Im Film wird das Verschwinden der mittleren Schwester, einer Stand-up-Comedienne, zum Wendepunkt der Geschichte. Sie wird mundtot gemacht, eine schmerzlich aktuelle Parallele zu den Entwicklungen des Jahres 2025 rund um die Late-Night-Talker Jimmy Kimmel und Stephen Colbert.
Mit THE CHANGE legt Jan Komasa einen hochbrisanten, formal gewagten und emotional aufgeladenen Thriller vor - einen Film, der nicht predigt, sondern beobachtet. Ob er Angst vor den Reaktionen aus den USA hätte, wurde er aus dem Publikum gefragt. Davor, dass sein Film verboten werden könnte. Komasa darauf trocken: "Wir haben darüber gescherzt, dass mein Visum für die Vereinigten Staaten nach dem Kinostart dieses Films plötzlich abgelaufen sein könnte. [...] Ich hätte nicht gedacht, dass es heutzutage ein Akt der Courage ist, einen Film herauszubringen."
THE CHANGE startet am 6. November bundesweit in den Kinos. Mehr Infos und ausführliches Pressematerial zum Film unter: https://presse.tobis.de
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