BERLIN (dpa-AFX) - Der Militärhistoriker Sönke Neitzel rät als vom Verteidigungsausschuss eingeladener Sachverständiger zu entschlosseneren Schritten beim künftigen Wehrdienst. "Für einen raschen personellen Aufwuchs der Bundeswehr wäre die Einführung einer Auswahlwehrpflicht zwingend notwendig", sagte Neitzel den Fachpolitikern in einer Anhörung des Verteidigungsausschusses.
Weil dies politisch derzeit nicht durchsetzbar erscheine, meine das Verteidigungsministerium, den Aufwuchs der Bundeswehr über die Freiwilligkeit erreichen zu können, sagte Neitzel.
In seiner schriftlichen Stellungnahme verwies er zudem auf Äußerungen der Bundesregierung, dass Russland in wenigen Jahren die Nato angreifen könnte. "Das Verteidigungsministerium glaubt, einen Aufwuchs auf freiwilliger Basis bis 2035 zu erreichen. Das bedeutet, dass man sich im Schnitt einen Aufwuchs von 8.000 Mann pro Jahr zum Ziel setzt", so Neitzel. Er sagte: "Wäre die Bundeswehr bei ihrer Aufstellung im Kalten Krieg in dieser Geschwindigkeit aufgewachsen, hätte der Aufbau 60 Jahre gedauert."
Fachleute - darunter auch der Chef des Bundeswehrverbands, André Wüstner, und der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner - beantworteten am Montag Fragen von Abgeordneten.
Das Gesetz über einen neuen Wehrdienst war nach langem Streit in der Koalition Mitte Oktober zunächst in der vom Kabinett beschlossenen Fassung in den Bundestag eingebracht worden. Inhaltlich ist dieser Entwurf zwischen Union und SPD aber umstritten und wird sich im parlamentarischen Verfahren noch ändern. Es geht unter anderem um die Frage, welche Mechanismen greifen sollen, falls durch Freiwilligkeit nicht genügend Wehrdienstleistende zusammenkommen. Diskutiert wird auch über mögliche Zufalls- oder Losverfahren./cn/DP/men