GREIFSWALD (dpa-AFX) - Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer hat angesichts der in Deutschland grassierenden Geflügelpest an die Sorgfalt der Halter appelliert. "Gebt euch selbst strenge Regeln, was die Biosicherheit mit anbelangt", sagte der CSU-Politiker bei seinem Antrittsbesuch beim Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) bei Greifswald, das sich als Bundesforschungsinstitut mit Tiergesundheit befasst. Im Zuge der aktuellen Infektionswelle seien schon etwa 1,5 Millionen Tiere gekeult worden. "Das ist alles kein Spaß. Die Leute machen das nicht gern."
FLI-Präsidentin Christa Kühn hatte zuvor erklärt, dass Veterinärlabore bereits an ihre Belastungsgrenze kämen. Der Anstieg der Fälle sei steiler als 2020/2021, einem der bisher schlimmsten Geflügelpestwinter. "Trotz anhaltender Aufmerksamkeit der Geflügel-haltenden Betriebe findet das Virus anscheinend jede noch so kleine Lücke."
Täglich neue Ausbrüche in Haltungen
Laut FLI kommen täglich Ausbrüche in Geflügelhaltungen hinzu. Die seit Anfang September festgestellten Fälle lagen demnach zuletzt bei fast 100 (Stand 12.11. um 14.40 Uhr). Die Zahl der Nachweise bei Wildvögeln bewege sich Richtung 900. Die Dunkelziffer sowie die Zahl tot geborgener Wildvögel sind deutlich höher.
Entsprechend bewertet das FLI alle Risiken, die sich auf Geflügelhaltungen und Vogelbestände oder Wildvögel beziehen, als hoch. Dies umfasse etwa die Aus- und Weiterverbreitung des Virus in Wildvogelpopulationen ebenso wie den Eintrag in Geflügel- und Vogelhaltungen, etwa auch Zoos.
Die Geflügelpest, auch Vogelgrippe genannt, ist eine bei vielen Vogel- und Geflügelarten häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Vor allem unter Kranichen hat sie in Deutschland in diesem Herbst ein Massensterben ausgelöst. Aber auch bei weiteren Wildvogelarten gibt es laut FLI zunehmend Nachweise des Virus. Bei diesen sei die Mortalität vermutlich geringer, dennoch könnten diese Arten zu einer weiteren Zirkulation des Virus unter Wildvögeln und zu einem hohen Infektionsdruck in der Umwelt beitragen. "Dieser könnte unabhängig vom Vogelzug so über den Winter anhalten", teilte eine FLI-Sprecherin mit.
Unterbringung in Ställen soll vor Einträgen schützen
Ob dies auch zu weiteren Ausbrüchen in Geflügelhaltungen führe, hänge unter anderem davon ab, ob Infektionen schnell erkannt und Sicherheits- und Bekämpfungsmaßnahmen konsequent umgesetzt werden.
Im Falle eines Ausbruchs etwa in einem Geflügelbetrieb wird in der Regel der gesamte Bestand gekeult. Die Zahl der betroffenen Tiere ist dann mitunter fünf- oder gar sechsstellig. Die Unterbringung von Geflügel in Ställen soll den Kontakt mit Wildvögeln verhindern und so vor einem Eintrag schützen. "Im Bereich der Wildvögel bestehen kaum Möglichkeiten, die Ausbreitung zu stoppen und das dortige Tierleid zu mindern", erklärte die FLI-Sprecherin.
Umfrage zu möglichen Impfungen
Rainer dämpfte die Erwartungen an mögliche Impfungen. "Ich weiß, manche glauben, die Impfung ist dann am Ende der Tage die Lösung." Inwieweit Impfungen nützen, werde etwa am FLI untersucht. "Aber man darf hier das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht außer Acht lassen." Er verwies darauf, dass Impfungen teils auch mit Handelsrestriktionen einhergingen, weil bestimmte Länder geimpftes Geflügel nicht mehr abnehmen. "Aus diesem Grund starten wir gerade eine Umfrage." So solle bei Handels- und Geflügelverbänden ausgelotet werden, wie sie zu Impfungen stehen.
Laut FLI-Experten ist neben den Kosten auch die aufwendige Überwachung eine mögliche Herausforderung bei umfassenden Impfungen. So bestehe etwa die Gefahr, dass Tiere durch die Impfung augenscheinlich gesund seien, aber dennoch das Virus übertragen könnten.
Trotz vieler Ausbrüche der Geflügelpest, sieht Rainer nach eigener Aussage den Festtagsbraten nicht in Gefahr. "Ich gehe fest davon aus, dass man mit dem Weihnachtsbraten rechnen kann, wenn man denn Geflügel auf dem Tisch haben will." Die Kosten mache der Markt. "Ich gehe aber nicht davon aus, dass die Preise deshalb explodieren werden."
Rainer: FLI macht "unglaublich wichtigen Job"
Bei seinem Besuch des FLI-Hauptstandortes auf der Insel Riems bei Greifswald dankte Rainer den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zur Eindämmung von Tierseuchen beitragen. Er erhielt unter anderem Einblick in die Arbeit im dortigen Labor der höchsten Biosicherheitsstufe S4. "Sie machen einen unglaublich wichtigen Job für unser Land", sagte Rainer per Funkgerät einer Mitarbeiterin, während sich diese in einem Überdruckanzug innerhalb des Labors befand.
Neben dem Schutz vor Infektionskrankheiten und Tierseuchen, die durch Zoonosen auch dem Menschen gefährlich werden können, ist das Tierwohl landwirtschaftlicher Nutztiere ein Fokus des FLI. Rainer bezeichnete das Institut als europaweit einzigartig./chh/DP/jha