WARSCHAU/MOSKAU (dpa-AFX) - Nach dem Sprengstoffanschlag auf eine strategisch wichtige Bahnstrecke in Polen haben Ermittler zwei Verdächtige ausgemacht. Beide seien ukrainische Staatsbürger, die seit längerem mit dem russischen Geheimdienst zusammengearbeitet hätten, sagte Regierungschef Donald Tusk vor dem Parlament in Warschau.
Bei einem Tatverdächtigen handelt es sich demnach um einen Mann, der im Mai in seinem Heimatland von einem Gericht in Lwiw wegen Sabotage verurteilt wurde und sich später in Belarus aufhielt. Der andere Verdächtige stammt aus dem Donbass. Beide sollen im Herbst gemeinsam aus Belarus nach Polen eingereist sein. Nach dem Anschlag hätten beide über den Grenzübergang Terespol Polen Richtung Belarus verlassen, sagte Tusk.
Kreml: Russophobie blüht in voller Pracht
Der Kreml wies die Anschuldigungen Tusks zurück. "Russland wird für alle Erscheinungsformen des hybriden und direkten Krieges verantwortlich gemacht", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem russischen Staatsfernsehen. Es wäre aus seiner Sicht seltsam, wenn Russland diesmal nicht gleich beschuldigt worden wäre. Polen sei da immer vorn dabei. "In dieser Hinsicht blüht die Russophobie dort natürlich in voller Pracht", sagte Peskow.
Zugleich meinte der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin, es sei doch bemerkenswert, dass "wieder einmal Bürger der Ukraine in Sabotage- und Terrorakte gegen kritische Infrastruktureinrichtungen verwickelt sind". Auch nach den Sprengungen an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 zeigten damals viele auf Russland. Unter Sabotageverdacht stehen aber auch hier ukrainische Staatsbürger. Ein polnisches Gericht hatte erst im Oktober mit dem Segen Warschaus die Auslieferung eines festgenommenen Ukrainers an Deutschland verhindert. Der russische Auslandsgeheimdienst SWR hatte in der Vergangenheit wiederholt davor gewarnt, Ukrainer könnten Sabotageakte verüben, um sie Moskaus Staatsführung anzulasten.
Sprengladung detonierte bei Durchfahrt eines Güterzugs
Am Sonntagmorgen hatte der Lokführer eines Zuges auf der Strecke von Warschau nach Lublin bei der Ortschaft Mika ein stark beschädigtes Gleisstück bemerkt. Er alarmierte die Leitstelle, die den Zugverkehr vorübergehend einstellte. Weder Fahrgäste noch Zugpersonal wurden verletzt. Auch an weiteren Streckenabschnitten wurden Beschädigungen entdeckt.
Wie Tusk nun bekanntgab, war die am Gleis angebrachte Sprengladung nach Erkenntnissen der Ermittler bereits am Samstagabend gegen 21 Uhr bei der Durchfahrt eines Güterzugs explodiert. Es sei aber nicht zur Entgleisung gekommen, sondern nur zur leichten Beschädigung eines Waggons. "Der Lokführer hat diesen Vorfall beim Durchfahren nicht einmal bemerkt."
Tusk: Russland will anti-ukrainische Stimmung in Polen schüren
Die militärische Sprengladung vom Typ C4 sei mit Hilfe eines Zünders über ein 300 Meter langes Elektrokabel gezündet worden, sagte Tusk weiter. Am Ort des Geschehens habe man auch Sprengstoff sichergestellt, der nicht detoniert sei, sagte der Regierungschef. Bereits zuvor sei an der gleichen Strecke eine Klemme montiert worden - ebenfalls mit dem Ziel, einen Zug entgleisen zu lassen. Die Klemme habe sich aber als wirkungslos erwiesen.
Tusk betonte, der russischen Führung gehe es nicht nur um die unmittelbaren Auswirkungen solcher Aktionen, sondern auch um die sozialen und politischen Folgen. "Das heißt: Desorganisation, Chaos, Panik, Spekulationen, Unsicherheit." Die Anwerbung von Ukrainern zur Ausführung von Sabotageakten habe außerdem das Ziel, anti-ukrainische Stimmung in Polen zu schüren./dhe/DP/jha