DJ Alterung, KI und ein Revival der Industriepolitik - strukturelle Umbrüche führen zu einer Neuordnung der Weltwirtschaft, sagt Swiss Re Institute
Swiss Re Ltd / Schlagwort(e): Marktbericht/Research Update
Alterung, KI und ein Revival der Industriepolitik - strukturelle Umbrüche führen zu einer Neuordnung der
Weltwirtschaft, sagt Swiss Re Institute
2025-11-19 / 10:00 CET/CEST
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. Erhöhte Staatsausgaben, Industriepolitik, alternde Bevölkerungen und künstliche Intelligenz verändern die
Weltwirtschaft und die Risikolandschaft
. Wachstum des globalen BIP stabilisiert sich 2026 und 2027 bei 2,5% bzw. 2,6%; Inflation dürfte in den
Industrieländern oberhalb von 2% verharren
. Weltweite Versicherungsprämien dürften real um 2,3% jährlich wachsen; Lebensversicherungsprämien dürften bis 2027
auf 4,1 Bio. USD steigen
London, 19. November 2025 - Die Weltwirtschaft tritt in eine Phase ein, die von erhöhten Staatsausgaben und
industriepolitischer Dominanz geprägt ist. Eine lockere Fiskal- und Geldpolitik schützt das Wachstum vor den
Auswirkungen von Handelszöllen, allerdings um den Preis einer strukturell höheren Inflation und einer steigenden
Schuldenlast, wie das Swiss Re Institute feststellt. Laut der jüngsten sigma-Studie «Shifting Sands» dürfte das reale
Wachstum des globalen BIP ab 2025 stabil bleiben, aber unterhalb der Marke von 3,1% aus den zehn Jahren vor der
Pandemie.
«Die Industriepolitik schreibt das Drehbuch der Wirtschaft um, KI ist auf dem Vormarsch, und das Wachstum wirkt stark.
Doch wie solide es wirklich ist, wird der Kreditzyklus zeigen. Die Bemühungen um Reindustrialisierung und die
technologische Transformation kurbeln die Wirtschaft an und stützen den Kern des Versicherungsgeschäfts, aber hinter
den Zahlen zum Wirtschaftswachstum verbergen sich tiefer liegende strukturelle Schwächen, die zum Vorschein kommen
werden, sobald der Kreditzyklus kippt. Kurzfristig erwarten wir eine wirtschaftliche Schwächephase, in der die Zölle
weiterhin in den USA die Preise treiben und weltweit die Exporte belasten», so Jérôme Jean Haegeli, Group Chief
Economist von Swiss Re und Leiter des Swiss Re Institute.
Einer der strukturellen Umbrüche, die sich längerfristig durchsetzen werden, ist die wirtschaftspolitische
Akzentverschiebung in Richtung Industriepolitik. Das erhöhte Risiko einer fiskalischen Dominanz - bei der die
Zentralbanken mehr Wert auf Schuldenstabilität als auf Preisstabilität legen - und anhaltende Industrieausgaben werden
dazu führen, dass die Inflation nicht unter das Niveau sinkt, das vor 2020 die Norm war, und die Renditen langlaufender
Anleihen erhöht bleiben.
In den USA wird sich das reale BIP-Wachstum 2026 auf 2% und 2027 auf 1,9% abschwächen, während der Euroraum von
staatlichen Finanzpaketen profitiert, insbesondere dem deutschen Investitionsprogramm in Höhe von 1 Bio. EUR (2026:
1,3%; 2027: 1,5%). In China wird das Wachstum aufgrund des immer noch schwachen Binnenkonsums und der Belastung durch
Immobilienanlagen sowie trotz einer gelockerten Geldpolitik 2026 auf 4,5% und 2027 auf 4,2% sinken. Die asiatischen
Schwellenländer werden sich mit ihrer flexiblen Geldpolitik weiterhin als robust erweisen und davon profitieren, dass
die Fragmentierung der Welt zu einer Verlagerung der Handelsströme führt.
Strukturelle Umbrüche verändern die Versicherungslandschaft
Industriepolitik ist heute wieder ein zentraler Aspekt nationaler Wirtschaftsstrategien. Die Zahl der staatlichen
Eingriffe in verschiedene Industriezweige hat sich seit 2012 verdreifacht, und es entstand ein globaler Wettlauf um die
Führung im Technologiesektor und im verarbeitenden Gewerbe.
Die wirtschaftspolitische Akzentverschiebung in Richtung Industriepolitik führt zu mehr Inlandsinvestitionen,
insbesondere in Halbleiter, KI-Infrastruktur und Verteidigung, erhöht aber auch das Fragmentierungs- und
Konzentrationsrisiko. Die Industriepolitik soll die Widerstandsfähigkeit fördern, birgt aber auch die Gefahr der
Ineffizienz, wenn Unternehmen die regionale Verlagerung von Lieferketten, Produktionsabläufen und Beschaffung
beschleunigen. Für Versicherer bedeutet dies mehr Möglichkeiten in den Engineering-, Sach- und Haftpflichtsparten, aber
auch eine stärkere Korrelation der Exponierungen, wenn es zu Schocks kommt.
Die Alterung der Bevölkerung verändert die Arbeitsmärkte, den Konsum und den Absicherungsbedarf. Die Nachfrage
verlagert sich von der Absicherung der Familie hin zu Lösungen im Bereich Langlebigkeit, Alterseinkommen und
Gesundheit, und dies zwingt die Versicherer zu Innovationen und zur Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf eine
längere Lebensspanne. Die demografische Alterung verändert zudem die Dynamik des Asset-Liability-Managements, führt zu
längeren Durationsanforderungen und erhöht die Bedeutung einer langfristigen Solvabilitätsplanung bei den Versicherern.
KI als Chance und Herausforderung
KI verändert die Arbeitsabläufe in den Wertschöpfungsketten in der Nichtleben- und Lebensversicherung. Das Swiss Re
Institute schätzt, dass Versicherer im Jahr 2025 weltweit 3-8% ihres IT-Budgets für die Entwicklung von KI-Fähigkeiten
aufwenden, um betriebliche Vorteile in Form von Effizienzsteigerungen, Zeitersparnis und optimierten Arbeitsabläufen zu
erzielen. Dem sigma-Bericht zufolge haben sich bisher jedoch weniger als 5% der Versicherer zu den finanziellen
Auswirkungen geäussert (basierend auf einer Stichprobe von 187 grossen Versicherern).
In naher Zukunft erwarten die sigma-Autoren keine KI-bedingten Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt, weil es den meisten
Versicherern eher um die Unterstützung der menschlichen Arbeitskräfte geht als um die vollständige Automatisierung von
Prozessen. Eine der grössten Herausforderungen für die Versicherer wird darin bestehen, Risiken zu modellieren und zu
bewerten, für die es keine historischen Präzedenzfälle gibt, und gleichzeitig das Potenzial der KI zu nutzen, um
Underwriting, Schadenbearbeitung und Produktivität zu optimieren.
Profitabilität der Versicherungsmärkte bleibt robust
Trotz dieser Herausforderungen geht die globale Versicherungswirtschaft diese neue Ära aus einer Position der Stärke
an. Die strukturell positiven Effekte der hohen langfristigen Zinsen, des demografischen Wandels und der
technologischen Innovation werden die Profitabilität weiterhin unterstützen. Zudem ist die Branche mit
Solvabilitätsquoten von über 200% und hohen Liquiditätspuffern nach wie vor gut kapitalisiert und widerstandsfähig.
Die weltweiten Versicherungsprämien dürften 2026 und 2027 real um 2,3% zunehmen. Im Nichtlebengeschäft wird das
weltweite reale Prämienwachstum laut Prognose zunächst auf 1,7% sinken und 2027 dann auf 2,5% steigen. Dank strukturell
hoher Anlagerenditen (4,3%) und diszipliniertem Underwriting wird die Profitabilität mit einer Eigenkapitalrendite von
rund 10,5% solide bleiben.
Im Lebengeschäft wird das weltweite Prämienvolumen um 2,5% pro Jahr steigen, verglichen mit 2,2% im Jahr 2025. Höhere
Renditen langfristiger Anleihen werden die Kapitalerträge stützen und die Profitabilität stärken, wobei sich die
Rendite auf Kapitalanlagen im Lebengeschäft bis 2027 auf 4% erhöhen wird. Das weltweite Volumen der
Lebensversicherungsprämien dürfte bis 2027 auf 4,1 Bio. USD steigen, was einem Anteil von 44% der gesamten Marktprämien
entspricht.
Tabelle 1: Prognosen für reales BIP-Wachstum und VPI-Inflation, 2024 bis 2027P
2024 2025P 2026P 2027P
Weltweit 2,9% 2,6% 2,5% 2,6%
USA 2,8% 2,0% 2,0% 1,9%
Grossbritannien 1,1% 1,3% 1,2% 1,5%
Reales BIP-Wachstum, Jahresdurchschnitt
Euroraum 0,8% 1,3% 1,3% 1,5%
Japan 0,2% 1,2% 0,7% 0,9%
China 5,0% 4,8% 4,5% 4,2%
Weltweit 5,1% 3,5% 3,0% 2,7%
USA 3,0% 2,8% 2,8% 2,3%
Grossbritannien 2,5% 3,4% 2,5% 2,3%
Inflation (Gesamt-VPI), Jahresdurchschnitt
Euroraum 2,4% 2,1% 1,8% 2,2%
Japan 2,7% 3,0% 1,8% 2,0%
China 0,2% 0,2% 0,5% 1,0%
P = Prognosen. Daten per 6. November 2025. Quelle: Swiss Re Institute, Bloomberg
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