
Bombastische Zahlen - und dennoch Panik: Die Nvidia-Zahlen konnten die Laune an den Märkten nur kurz heben. Die Anleger flohen trotzdem aus KI-Werten. Platzt die KI-Blase gerade oder ist es nur ein kurzer Abverkauf?
Die veröffentlichten Nvidia-Zahlen sind beeindruckend: Der Chiphersteller verbuchte im dritten Quartal einen Rekordumsatz von 57 Milliarden Dollar, was einer Steigerung von 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Nettogewinn wuchs um 65 Prozent auf 32 Milliarden Dollar.
Nvidias Ausblick ist noch optimistischer: Für das vierte Quartal wird ein Umsatzanstieg auf 65 Milliarden Dollar erwartet, womit die Schätzungen der Analysten von etwa 62 Milliarden Dollar übertroffen werden. Dies untermauert die weiterhin enorme Cash-Generierungskraft des global führenden Unternehmens im KI-Markt.

Ein ungewöhnlich euphorischer Jensen Huang
Der Nvidia-Chef kommentierte die starke Nachfrage nach zwei wichtigen Chiptypen euphorisch: "Blackwell-Verkäufe sind außergewöhnlich, und Cloud-GPUs sind ausverkauft." Er fasste die aktuelle Situation mit den Worten zusammen: "KI ist überall, macht alles, gleichzeitig."
Angesichts der angespannten Lage an den Märkten ist diese Wortwahl für eine Pressemitteilung schon überaus euphorisch und fast schon übertrieben optimistisch. Jensen Hung wollte die Anleger wohl beruhigen, aber am Ende ging der Versuch ins Leere.
Als erste Reaktion auf die Ergebnisse schnellte die Nvidia-Aktie nach Börsenschluss um 5 Prozent nach oben, wodurch die Marktkapitalisierung binnen Minuten um rund 225 Milliarden Dollar zulegte und Nvidia wieder ganz nah an eine Marktkapitalisierung von 5 Billionen US-Dollar brachte. Im regulären Handel kamen die Sorgen über die hohe Bewertung aber wieder hoch und der Kurs drehte ins Minus. Insgesammt gewann der Abverkauf der Techwerte wieder deutlich an Dynamik. Aktien wie Micron oder Softbank wurden zweistellig in die Tiefe gerissen.
Nvidias Quartalsbericht enthält auch Schwächen
Die jüngsten Quartalszahlen verdeutlichen ein wachsendes Klumpenrisiko im Konzern, der im Zentrum des globalen KI-Booms steht. Im dritten Quartal entfielen 61 Prozent des Gesamtumsatzes auf nur vier Schlüsselkunden - ein deutlicher Anstieg gegenüber den bereits hohen 56 Prozent im Vorquartal. Zudem ein hohes Risiko, wenn einer der Kunden wegfällt.
Und das führt zum nächsten Problem: die Ungewissheit über die Rentabilität. Es ist noch unklar, wann - und ob überhaupt - sich diese massiven Ausgaben in Form von Produktivitätsgewinnen oder neuen KI-Dienstleistungen amortisieren werden. Es handelt sich um gigantische Wetten auf die Zukunft der künstlichen Intelligenz.
Die erhofften Produktivitätsgewinne könnten die immensen Ausgaben zwar rechtfertigen, doch mit steigenden Investitionssummen wächst auch die Hürde für die Profitabilität. Damit steigt gleichzeitig das Risiko, dass die Investoren Hyperscalern und Cloud-Konzernen die Geduld verlieren, bevor die Kapitalrendite sichtbar wird. Die Wette ist groß, und damit auch die Gefahr des Scheiterns.
Bleiben die Gewinne aus, steigt die Gefahr, dass Bestellungen bei Nvidia & Co. ausbleiben oder Kunden sogar ganz wegfallen. Wir hatten schon Anfang des Monats darauf hingewiesen, dass in diesem gefährlichen Domino-Spiel ChatGPT ein ganz entscheidender Faktor ist und Anleger, die ihr Depot daraufhin etwas diversifizierter Aufgestellt haben, dürften zum Ende der vergangenen Woche nicht ganz so schlimm erwischt worden sein.
Immer mehr Fakten schüren die Sorgen
Zunächst wurde Michael Burry nur müde belächelt, als er bekanntgab, dass er Palantir und Nvidia geshortet habe. Er entfachte aber damit eine Diskussion, die immer mehr Futter bekam. Kurz darauf wurde bekannt, dass Tech-Miliardär Peter Thiel bei Nvidia komplett ausgestiegen ist und nur kurze Zeit später folgte auch die japanische Beteiligungsgesellschaft Softbank diesem Beispiel. Als dies befeuerte die Befürchtungen, dass KI ein teures Spiel ist - vielleicht sogar ein zu teures Spiel.
Die Nervosität an den Märkten bezüglich des KI-Hypes wird schon spürbarer. Eine aktuelle Erhebung der Bank of America unter Fondsmanagern im November verdeutlicht eine klare Verschiebung in der Investorenstimmung. Demnach bewertet eine deutliche Mehrheit der Befragten die sogenannten "Magnificent Seven"-Titel, zu denen auch Nvidia zählt, als einen "überlaufenen Trade".
Dies deutet darauf hin, dass die breite Anlegerschaft die Attraktivität dieser Mega-Cap-Werte als begrenzt ansieht. Parallel dazu wird in diesen Aktien auch das größte Marktrisiko, in der Möglichkeit einer sich aufbauenden KI-Blase, gesehen. Die Kapitalmanager scheinen ihre Geduld allmählich zu verlieren und erkennen eine erhöhte Gefahr für eine Korrektur.
Tim Garratt, Partner bei Baillie Gifford, bringt es im Interview mit dem manager magazin auf den Punkt: "Als Investor müssen Sie sich fragen, ob wir bei KI langfristig eine Korrektur bekommen oder ob es plötzlich knallt".
Es gibt noch andere Probleme!
"Nvidia ist Marktführer, aber das KI-Ökosystem geht über Nvidia hinaus", erklärt Omar Aguilar, Chief Investment Officer bei Schwab Asset Management, im manager magazin. "Der Kreditmarkt scheint ein Barometer dafür zu sein, dass sich Risiken am Horizont abzeichnen könnten.". Hier haben wir das nächste Feld, das Anlegern Kopfschmerzen bereitet.
Die Finanzierung des massiven Ausbaus der KI-Infrastruktur durch Tech-Giganten erfolgt zunehmend über größere und komplexere Kreditgeschäfte. Die wachsende Nervosität im Hinblick auf diese Finanzierungsmodelle und die zugrunde liegenden Risiken lässt sich auch in konkreten Zahlen beziffern:
Die führenden Cloud-Computing- und KI-Plattformbetreiber, bekannt als "Hyperscaler", treiben ihre Infrastrukturausgaben mit einem beispiellosen Tempo voran - finanziert durch massive Anleiheemissionen. Seit September haben vier der größten Akteure insgesamt fast 90 Milliarden US-Dollar durch die Ausgabe von Unternehmensanleihen am öffentlichen Markt aufgenommen.
Die Berechnungen von Reuters, basierend auf öffentlich verfügbaren Daten, zeigen, dass der Google-Eigentümer Alphabet mit Abstand am stärksten betroffen ist. Die Verteilung der jüngsten Kapitalbeschaffung verdeutlicht die enormen Beträge: Meta Platforms beschaffte 25 Milliarden US-Dollar, Oracle nahm 30 Milliarden US-Dollar auf und Amazon investierte zuletzt 15 Milliarden US-Dollar.
Interessanterweise sticht Microsoft heraus, das in den vergangenen Wochen keine neuen Anleihen zur Finanzierung seiner Investitionen am Markt platziert hat. Diese Welle von Kapitalmarkttransaktionen unterstreicht den enormen finanziellen Appetit der Tech-Giganten, um ihre Position im harten Wettbewerb um die Vorherrschaft bei der KI-Rechenleistung zu sichern.
Laut einem Bericht des Wall Street Journal, der sich auf Daten des Anbieters Solve stützt, sind die Kosten für Credit Default Swaps (CDS) - also die Versicherung gegen den Ausfall von Anleihen - für den US-Konzern Oracle seit Mitte Oktober um fast 50 Prozent angestiegen.
Oracle wird von der Zeitung als ein zentraler Lieferant von Rechenleistung für führende KI-Labore hervorgehoben. Der starke Anstieg der CDS-Kosten signalisiert, dass Investoren die Ausfallwahrscheinlichkeit bei einem Schlüsselakteur in der KI-Lieferkette als deutlich höher einschätzen.
Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass die Kreditmärkte die mit dem schnellen und kapitalintensiven KI-Wachstum verbundenen Risiken zunehmend kritisch bewerten und höhere Risikoprämien für die Absicherung verlangen.
Platzt die Blase gerade?
Fest steht, die Zahlen von Nvidia haben am Markt keine "Buy the dip" Mentalität ausgelöst, sondern die Sorgen um das Platzen einer KI-Blase etwas erhöht. Diese dürfte allerdings erst wirklich platzen, wenn ein systemrelevanter Player umkippt und das KI-Dominospiel in Gang bringt. Dann dürfte es wirklich schnell und kräftig bergab gehen.
Aktuell sehen wir "nur" Sorgen wegen der hohen Bewertung vieler KI-Player. Die wird jetzt vom Markt ein gutes Stück bereinigt wird. Da allerdings noch viele der betroffenen Aktien nicht im überverkauften Bereich angekommen sind, könnte es für Nvidia und Co. noch ein gutes Stück nach unten gehen.
Daher ergeben sich für die Anleger eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Sie sitzen den deutlichen Rücksetzer aus oder sie verkaufen ihre Position und versuchen sie in den kommenden Wochen wieder günstiger einzusammeln. Wer sein Depot gut diversifiziert hat, der sollte auf die erstere Variante zurückgreifen.
Anleger, deren KI-Anteil im Depot viel zu hoch ist, sollten Variante zwei umsetzen und beim Rückkauf genau überlegen, welche Titel wieder ins Depot aufgenommen werden.

Markus Weingran, Chefredakteur wallstreetONLINE Börsenlounge
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