BERLIN (dpa-AFX) - Gut drei Wochen vor der Weihnachtspause bleiben die Positionen im Rentenstreit in der Koalition verhärtet. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag erneuerte der Unionsnachwuchs seine Kritik am geplanten Reformentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Ohne Stimmen der jungen CDU/CSU-Abgeordneten fehlt der Koalition eine eigene sichere Mehrheit im Bundestag.
Bas, zugleich Parteichefin, und ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil bekräftigten daraufhin ihr Nein zu den geforderten Korrekturen. Damit bleibt unklar, ob und wie Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Union den Konflikt über das Gesetz gelöst bekommen, das Schwarz-Rot im Dezember im Bundestag beschließen will.
"Wenn die SPD sagt: Wir sind da nicht gesprächsbereit, dann muss ich sagen: Es ist nicht nur unser Recht als Abgeordnete, sondern auch unsere Pflicht als Abgeordnete, miteinander zu sprechen", sagte der Chef der Jungen Union (JU), Johannes Winkel (CDU). Er beschrieb sich in dem Streit als von innerer Überzeugung angetrieben. "Wenn man selbst intrinsisch motiviert und felsenfest überzeugt vom Argument ist, dann lässt sich so eine Debatte auch sehr gut führen."
SPD bleibt hart
Klingbeil hielt der Forderung nach einer Nachbesserung des Gesetzentwurfs im parlamentarischen Verfahren entgegen: "Ich bin sehr klar darin, dass wir dieses Gesetz jetzt beschließen sollten, wie wir es vorgelegt haben." Bas verwies auf die weiteren Rentenvorhaben der Koalition. Sie stehe komplett zum Gesamtpaket. "Ich erwarte am Ende natürlich auch, dass diese Verlässlichkeit und Vertragstreue eben auch für alle Beteiligten gilt."
JU-Chef Winkel bekräftigte, dass ihm ein von Merz vorgeschlagener Entschließungsantrag in unverbindlicher Form zum aktuellen Gesetzentwurf nicht reicht, in dem den Bedenken Rechnung getragen werden soll. "Es geht am Ende des Tages darum, Verbindlichkeit zu schaffen. Erst zu sagen: Verbindlichkeit gilt nur für das Geld, aber nicht für die Reformen, ist eben schwierig." Neu sei die Kritik nicht. "Unsere Einwände sind nicht fünf vor zwölf erhoben worden, sondern im Juni dieses Jahres." Zunächst sei dies intern "in jedem denkbaren Gremium" geschehen. "Jetzt sind wir natürlich in einer Situation, in der wir miteinander sprechen müssen."
Die Blicke im politischen Berlin richten sich auf den Koalitionsausschuss an diesem Donnerstag. Dort wollen die Spitzen der Koalition neben anderen Themen voraussichtlich auch über den Rentenstreit beraten. Winkel forderte mit Blick auf die SPD generell Kompromissfähigkeit.
Was der Unionsnachwuchs will
In dem umstrittenen Gesetzentwurf ist eine Stabilisierung des Sicherungsniveaus der Rente bis 2031 bei 48 Prozent und eine Ausweitung der Mütterrente vorgesehen. Die Junge Gruppe der Unionsfraktion lehnt ab, dass das Rentenniveau auch in den Jahren nach 2031 ein Punkt höher liegen soll als ohne Gesetz. Der CDU/CSU-Nachwuchs kritisiert dadurch entstehende Milliardenkosten.
Klingbeil entgegnete, es gehe darum, dass diejenigen, die fleißig gearbeitet hätten, eine auskömmliche Rente bekämen. "Das haben wir stundenlange in den Koalitionsverhandlungen besprochen." Bas sagte, es gehe um ein "Grundversprechen unseres Sozialstaats". Sie warf Kritikern der Stabilisierung des Rentenniveaus vor, die Debatte zerstöre Vertrauen der Menschen. "Sie verlieren Vertrauen in die soziale Sicherheit und überhaupt in den Staat."
Hilft der Blick auf die Rentenkommission?
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte auf die Kritik aus seinen Reihen auf ein Vorziehen der geplanten Rentenkommission verwiesen. Dies sei auch ein Erfolg der jungen Abgeordneten. Es gebe "echten Reformdruck". In der Kommission sollen Weichen für die Zukunft der Rente über die aktuelle Debatte hinaus gestellt werden. Vorschläge sollen bis Sommer vorliegen.
Hier versicherten Klingbeil und Bas ihren Reformwillen. Klingbeil sagte: "Da kommt alles auf den Tisch." Bas sagte, sie sei "sehr offen" für weitere Diskussionen. Sie habe Kanzler Friedrich Merz (CDU) zugesagt, dass auch die SPD den festen Willen zu Reformen hin zu einem eigenen mutigen Rentensystem für Deutschland habe. "Ich bin dazu bereit."
Merz, Spahn, Klingbeil und Bas wollen, dass das Rentengesetz noch im Dezember im Bundestag beschlossen wird. Auch die geplante erweiterte Mütterrente soll damit ab 1. Januar gelten, die ein CSU-Anliegen war. Außerdem planen Union und SPD unter anderem eine Aktivrente für steuerfreies Arbeiten im Rentenalter nach einer CDU-Idee.
Auch längeres Arbeiten kommt in die Debatte
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte einen Stopp des umstrittenen Rentenpakets. "Kabinettsbeschlüsse können geändert werden", sagte Dulger. "Wenn sie falsch sind, dann muss das Parlament sie ändern." Die jungen Kritikerinnen und Kritikerinnen in der Unionsfraktion hätten seine "volle Unterstützung". Dulger lehnt aber das gesamte Paket ab. "Vielleicht würde der Politik in dieser Situation eine Denkpause helfen, um danach klug zu entscheiden."
Dagegen setzte Dulger die Forderung nach einem höheren Rentenalter. "Wenn die Menschen älter werden, muss auch die Regelaltersgrenze schrittweise angehoben werden", sagte er. Da es an Fachkräften fehle, dürfe es zudem keine vorzeitige abschlagsfreie sogenannte "Rente mit 63" mehr geben.
Ähnlich äußerte sich auf dem Arbeitgebertag Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Für die Zeit nach dem Jahr 2031 plädierte Reiche für eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die gestiegene Lebenserwartung. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD festgeschrieben: "Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit."/bw/DP/stw