BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Ministerpräsident Donald Tusk leiten heute die 17. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen, die zur weiteren Vertiefung der Partnerschaft beider Länder führen sollen. Zu den Hauptthemen werden die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine gehören. Es gibt aber auch einige Fallstricke für die Gespräche im Berliner Kanzleramt - sie sind vor allem in der deutsch-polnischen Kriegsvergangenheit zu finden.
Was sind Regierungskonsultationen?
Regierungskonsultationen sind gemeinsame Kabinettssitzungen, an denen auf beiden Seiten zwar nicht alle, aber immer mehrere Ministerinnen und Minister teilnehmen. Sie werden von der Bundesregierung unterschiedlich häufig mit besonders engen Partnern (zum Beispiel Frankreich, Polen und Italien) oder besonders bedeutenden Ländern (zum Beispiel China) durchgeführt. Mit Polen sind es schon die 17. Regierungskonsultationen seit 1991.
Wie steht es um die deutsch-polnischen Beziehungen?
Seine ersten beiden Auslandsreisen unternahm Merz im Mai am ersten Tag nach seiner Vereidigung nach Paris und Warschau um zu zeigen, dass ihm die Beziehungen zu diesen beiden Nachbarländern besonders am Herzen liegen. Bei den Regierungskonsultationen soll der Anspruch einer vertieften Partnerschaft nun in die Tat umgesetzt werden. Geplant ist eine Abschlusserklärung, die vor allem die Bereiche Sicherheit, Verteidigung und Wirtschaft abdecken soll.
Was sorgt weiterhin für Probleme?
Der Umgang mit den dramatischen Folgen der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg ist ein Dauerthema in den Beziehungen beider Länder. Weiterhin stehen polnischen Reparationsforderungen in Billionenhöhe für die damals angerichteten Schäden im Raum, die zuletzt im September von Polens Präsidenten Karol Nawrocki bei seinem Antrittsbesuch in Berlin erhoben und von Merz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erneut zurückgewiesen wurden.
Anders als der rechtskonservative Präsident Polens thematisiert die Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk die Reparationsfrage nicht mehr offensiv - sie erwartet von der Bundesregierung aber eine Geste der Unterstützung für die noch lebenden Opfer der deutschen Besatzung. Die war bei den letzten Regierungskonsultationen im Juli 2024 vom damaligen Kanzler Olaf Scholz (SPD) auch versprochen worden. Bisher ist aber noch nichts passiert. Und die noch lebenden Opfer - Mitte 2024 war noch von 40.000 die Rede - werden von Tag zu Tag weniger.
Wie läuft es in der Ukraine-Politik?
Die Bedrohung durch Russland hat Deutschland und Polen in den vergangenen Jahren enger zusammengeschweißt. Anfang Mai war Merz zusammen mit Tusk, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer in Kiew, um die Solidarität mit der Ukraine zu demonstrieren. Den aktuellen Verhandlungsprozess über einen Friedensplan führen nun aber Deutschland, Frankreich und Großbritannien ohne Polen, das lediglich konsultiert wird - obwohl Polen als Nachbarland der Ukraine und Russlands besonders von dem Krieg betroffen ist.
In Polen sorgt das für Enttäuschung und Entsetzen. "Derzeit sieht es so aus, als wären wir bei den Verhandlungen überflüssig", schrieb die "Gazeta Wyborcza", eines der wichtigsten polnischen Medien, in der vergangenen Woche. "Kiew hat entschieden, dass es ohne unsere Unterstützung zurechtkommt, die europäischen Akteure arbeiten ohne polnische Hilfe, das Weiße Haus nimmt uns überhaupt nicht wahr. Von einem Land, das der wichtigste europäische Akteur in der Ukraine-Frage sein sollte, sind wir zu einer beratenden Stimme geworden."
Was ist mit den Grenzkontrollen?
Die verschärften Grenzkontrollen zur Eindämmung illegaler Migration hatten den Antrittsbesuch von Merz in Polen im Mai überschattet. Tusk hatte auf offener Bühne seinem Ärger darüber Luft gemacht. "Wenn jemand eine Kontrolle an der polnischen Grenze einführt, wird Polen auch eine solche Kontrolle einführen. Und das macht auf lange Sicht einfach keinen Sinn", sagte er damals.
Die Grenzkontrollen auf beiden Seiten gibt es heute immer noch. Polen hat sie zuletzt bis zum 4. April 2026 verlängert. Offenen Streit zwischen beiden Regierungen darüber gibt es aber nicht mehr. Inzwischen scheint man sich mehr oder weniger daran gewöhnt zu haben./mfi/dhe/DP/zb