
© Foto: Foto von Anna Tarazevich auf Pexels
Der Titel des Düsseldorfer Pharmazulieferers ist in eine dramatische Abwärtsspirale geraten.
Seit dem Höchststand hat die Aktie über 70 Prozent an Wert eingebüßt und notiert auf dem tiefsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt. Die technischen Indikatoren senden widersprüchliche Signale, während sich Anleger fragen: Handelt es sich um eine historische Kaufchance oder drohen weitere Verluste? Der RSI verharrt seit Wochen im überverkauften Bereich, doch beide wichtigen gleitenden Durchschnitte zeigen unbeirrt nach unten. Gleichzeitig gibt es erste zaghafte Erholungsversuche und einen Führungswechsel an der Konzernspitze. Die Analysten sehen Potenzial von über 30 Prozent, aber der Markt scheint skeptisch zu bleiben. Was ist dran an den verschiedenen Szenarien und wie sollten Anleger jetzt reagieren?
Krisenstimmung
Die Lage bei Gerresheimer hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch zugespitzt. Der Kurs ist von über 80 Euro im März auf unter 25 Euro abgestürzt. Ein paar Monate zuvor im Jahr 2022 war der Kurs sogar bei über 120 Euro. Das entspricht einem heftigen Verlust in nur wenigen Monaten. Mehrere Gewinnwarnungen haben das Vertrauen der Anleger erschüttert. Die Jahresprognose musste mehrfach nach unten korrigiert werden. Statt des ursprünglich geplanten Wachstums von bis zu 2 Prozent rechnet Gerresheimer nun mit einem Umsatzrückgang von bis zu 4 Prozent. Auch die erwartete EBITDA-Marge wurde gesenkt. Zusätzlich belasten Vorwürfe wegen fehlerhafter Buchungen das Image. Die BaFin untersucht mögliche Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften. Es geht dabei um etwa 3 Millionen Euro bei sogenannten Bill-and-Hold-Vereinbarungen, also verkauften aber noch nicht ausgelieferten Waren.
Neuer Chef soll das Ruder herumreißen
Das Unternehmen hat auf die Krise reagiert und das komplette Management ausgetauscht. Seit dem 1. November ist Uwe Röhrhoff zurück an der Spitze. Der ehemalige CEO soll als Interim-Vorstandsvorsitzender das verlorene Vertrauen wiederherstellen. Die Wahl eines Managers, der das Unternehmen aus früheren Zeiten kennt, wird von Beobachtern positiv bewertet. Röhrhoff wird sich zunächst auf die Aufklärung der Buchungsvorwürfe konzentrieren müssen. Daneben stehen auch strategische Weichenstellungen an. Der Verkauf des Moulded-Glass-Geschäfts ist für 2026 geplant, um die Bilanz zu entlasten. Gleichzeitig investiert Gerresheimer massiv in die Zukunft. Rund 140 Millionen Euro fließen in den Ausbau des Standorts in Skopje, Nordmazedonien. Dort sollen künftig hochwertige Produkte wie Glasspritzen und GLP-1-Injektionssysteme gefertigt werden.

Charttechnik
Der RSI liegt seit Wochen im Bereich von 30 und signalisiert damit Überverkauftheit. Normalerweise lockt so ein Niveau Schnäppchenjäger an. Doch die bleiben bislang aus. Beide wichtigen gleitenden Durchschnitte, die 50-Tage-Linie und die 200-Tage-Linie, zeigen klar nach unten. Die 200-Tage-Linie verläuft bei knapp 48,48 Euro, also etwa 46 Prozent über dem aktuellen Kursniveau um 26 Euro. Das verdeutlicht, wie dramatisch der Absturz ausgefallen ist. Ein klarer Abwärtstrend ist intakt, von einer Bodenbildung keine Spur. Die wichtige Marke von 25 Euro wurde unterschritten. Der nächste Halt könnte das 52-Wochen-Tief bei 23 Euro sein. Dennoch gab es zuletzt zaghafte Erholungsversuche. Am Freitag sprang die Aktie nach oben, am folgenden Montag kam zeitweise ein Plus hinzu. Das könnte ein erstes Signal dafür sein, dass der kurzfristige Abwärtstrend an Schwung verliert. Das Oktober-Monats-Candle formte eine kleine Hammerformation mit einem Tief bei 23 Euro, dem niedrigsten Stand seit mehr als 10 Jahren. Einige Anleger nutzten dieses Niveau offenbar für erste Käufe. Für Trader ergeben sich theoretisch interessante Setups mit einem engen Stopp.
Was tun?
Die Analysten bleiben trotz aller Turbulenzen verhalten optimistisch. Das durchschnittliche Rating lautet "Halten", die Kursziele liegen zwischen 29 und 34 Euro. Die UBS sieht den fairen Wert bei 29 Euro, die Berenberg Bank bei 30 Euro und Jefferies sogar bei 34,10 Euro. Das würde vom aktuellen Niveau aus ein deutliches Potenzial bedeuten. Fundamental wirkt die Bewertung durchaus attraktiv. Allerdings nur, wenn das Unternehmen seine Probleme in den Griff bekommt und die Prognosen erfüllen kann. Die Situation bleibt hochriskant. Der intakte Abwärtstrend und das fehlende Vertrauen in die aktuelle Strategie sprechen eine deutliche Sprache. Wer jetzt einsteigt, greift womöglich ins fallende Messer. Erst eine nachhaltige Rückeroberung der 30-Euro-Marke würde das Bild aufhellen. Andererseits ist auf dem jetzigen Niveau bereits viel Negatives eingepreist. Für hochrisikobereite Anleger könnten sich auf dem aktuellen Niveau Chancen bieten. Alle anderen sollten besser abwarten, bis sich die Lage stabilisiert hat und erste positive Signale erkennbar werden.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
Haftungsausschluss/Disclaimer
Die hier angebotenen Artikel dienen ausschließlich der Information und stellen keine Kauf- bzw. Verkaufsempfehlungen dar. Sie sind weder explizit noch implizit als Zusicherung einer bestimmten Kursentwicklung der genannten Finanzinstrumente oder als Handlungsaufforderung zu verstehen. Der Erwerb von Wertpapieren birgt Risiken, die zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals und - je nach Art des Investments - sogar zu darüber hinausgehenden Verpflichtungen, bspw. Nachschusspflichten, führen können. Die Informationen ersetzen keine auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete fachkundige Anlageberatung. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit, Angemessenheit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen sowie für Vermögensschäden wird weder ausdrücklich noch stillschweigend übernommen. Finanznachrichten.de hat auf die veröffentlichten Inhalte keinerlei Einfluss. Finanznachrichten.de hat bis zur Veröffentlichung der Artikel keine Kenntnis über Inhalt und Gegenstand der Artikel. Die Veröffentlichungen erfolgen durch externe Autoren bzw. Datenlieferanten. Infolgedessen können die Inhalte der Artikel auch nicht von Anlageinteressen von Finanznachrichten.de und/oder seinen Mitarbeitern oder Organen bestimmt sein.



