WIESBADEN (ots) -
- Jugendämter melden für 2024 rund 72 800 Kindeswohlgefährdungen
- Behörden prüften im Vorfeld fast 239 400 Verdachtsmeldungen
- Vernachlässigungen und psychische Misshandlungen besonders häufig
Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland hat das dritte Mal in Folge einen neuen Höchststand erreicht: Im Jahr 2024 stellten die Jugendämter in Deutschland bei rund 72 800 Kindern oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt fest. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg die Zahl der Kindeswohlgefährdungen damit binnen fünf Jahren um fast ein Drittel (+31 %) oder 17 300 Fälle. Im Jahr 2019 - dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie - hatte das Niveau noch bei rund 55 500 Kindeswohlgefährdungen gelegen.
Anstieg gegenüber Vorjahr bei schätzungsweise 8 %
Auch im Vergleich zum Vorjahr hat die Fallzahl in 2024 deutlich zugenommen: Im Jahr 2023 wurden von den Behörden rund 63 700 Kindeswohlgefährdungen gemeldet. Da damals aber verschiedene Jugendämter keine Daten liefern konnten, hatte das Statistische Bundesamt eine Schätzung vorgenommen, die für 2023 von etwa 67 300 Kindeswohlgefährdungen ausgeht. Gegenüber diesem Schätzwert stieg die Fallzahl im Jahr 2024 deutlich, und zwar um 8 % oder 5 500 Fälle. Im Vergleich zu den im Jahr 2023 gemeldeten Fällen lag das Plus in 2024 sogar bei 14 % (+9 100 Fällen).
Betroffene Kinder waren im Durchschnitt 8,3 Jahre alt
Etwa jedes zweite (52 %) von einer Kindeswohlgefährdung betroffene Kind war jünger als neun Jahre, jedes dritte (33 %) sogar jünger als sechs Jahre. Im Schnitt lag das Alter bei 8,3 Jahren. Die meisten betroffenen Minderjährigen wuchsen bei beiden Eltern gemeinsam (38 %) oder einem alleinerziehenden Elternteil (37 %) auf. 14 % lebten bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft und 10 % in einem Heim, bei Verwandten oder an einem anderen Ort. In knapp jedem dritten Fall (32 %) war mindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft (im Ausland geboren) und die Familiensprache nicht Deutsch.
Zur Beendigung der Gefährdungssituation wurde in 91 % der Fälle im Anschluss eine Hilfe oder Schutzmaßnahme vereinbart. Dazu hatten die Jugendämter in 18 % der Kindeswohlgefährdungen das Familiengericht angerufen. Familiengerichte werden zum Beispiel dann eingeschaltet, wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr für das Kind abzuwenden, etwa weil sie angebotene Hilfen ablehnen.
Besonders häufig: Vernachlässigungen und psychische Misshandlungen
In den meisten Fällen von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden Anzeichen von Vernachlässigung festgestellt (58 %). In 37 % fanden sie Hinweise auf psychische Misshandlungen. In weiteren 28 % der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und in 6 % für sexuelle Gewalt. Während von Vernachlässigungen (53 %) und körperlichen Misshandlungen (51 %) Jungen etwas häufiger betroffen waren, galt das im Fall von psychischer (51 %) und vor allem sexueller Gewalt (67 %) für die Mädchen.
Dabei ging die Kindeswohlgefährdung in 75 % aller Fälle - ausschließlich oder hauptsächlich - von einem Elternteil aus. In weiteren 4 % war es ein Stiefelternteil, die neue Partnerin oder der neue Partner eines Elternteils und in 6 % eine sonstige Person, wie zum Beispiel eine Tante, der Pflegevater, ein Trainer bzw. Trainerin oder ein Erzieher bzw. Erzieherin. In 8 % der Fälle konnte zwar angegeben werden, dass die Gefährdung von mehreren Personen ausging, aber keine Hauptperson. Und in ebenfalls 8 % war gänzlich unbekannt oder unklar, von wem die Kindeswohlgefährdung ausging.
Weiterer Höchststand: Behörden prüften im Vorfeld 239 400 Verdachtsfälle
Im Vorfeld hatten die Jugendämter 2024 rund 239 400 Verdachtsfälle durch eine Gefährdungseinschätzung geprüft. Damit nahmen die Gefährdungseinschätzungen binnen fünf Jahren um 38 % zu - also noch stärker als die Kindeswohlgefährdungen - und erreichten ebenfalls einen neuen Höchststand. Dabei stellten die Behörden in 78 000 weiteren Fällen zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber einen Hilfebedarf fest.
Die meisten Hinweise auf eine mögliche Gefährdungssituation hatten 2024 Polizei und Justiz an die Jugendämter weitergeleitet (31 %). Etwas seltener kamen die Hinweise aus der Bevölkerung - also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym (21 %). Dahinter folgen die Kinder-, Jugend- oder Erziehungshilfe (13 %) und die Schulen (12 %). Nur in etwa einem Zehntel der Fälle stammten die Hinweise aus den Familien selbst, also von den betroffenen Minderjährigen (2 %) oder deren Eltern (7 %).
Methodische Hinweise:
Eine (akute oder latente) Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf durch eine Gefährdungseinschätzung abzuschätzen und einer Gefährdung entgegenzuwirken (§ 8a SGB VIII). Zu den Personen, von denen die Kindeswohlgefährdung ausgeht, gehören nicht nur diejenigen, von denen aktiv eine Gefahr für das Kind ausgeht, sondern auch Sorgeberechtigte, die eine Gefährdung nicht abgewendet haben. Bei den Angaben dazu handelt es sich um eine subjektive Einschätzung zum Zeitpunkt der Beendigung der Gefährdungseinschätzung durch die Fachkräfte im Jugendamt. Informationen zu weiteren Definitionen, Inhalten und der Qualität der Statistik enthält der neue Qualitätsbericht.
Weitere Informationen:
Detaillierte Ergebnisse der Statistik zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, einschließlich Angaben nach Bundesländern, stehen in der Datenbank GENESIS-Online (Tabellen 22518) und auf der Themenseite "Kinderschutz und Kindeswohl" im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes bereit. Weiterführende Daten bietet der neue Statistische Bericht "Statistik zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung".
Diese Pressemitteilung ist, gegebenenfalls ergänzt mit weiteren Informationen und Verlinkungen zum Thema, veröffentlicht unter www.destatis.de/pressemitteilungen.
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Weitere Auskünfte:
Kinder- und Jugendhilfe, Bundeselterngeld
Telefon: +49 611 75 8231
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Original-Content von: Statistisches Bundesamt, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/32102/6179072
- Jugendämter melden für 2024 rund 72 800 Kindeswohlgefährdungen
- Behörden prüften im Vorfeld fast 239 400 Verdachtsmeldungen
- Vernachlässigungen und psychische Misshandlungen besonders häufig
Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland hat das dritte Mal in Folge einen neuen Höchststand erreicht: Im Jahr 2024 stellten die Jugendämter in Deutschland bei rund 72 800 Kindern oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt fest. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg die Zahl der Kindeswohlgefährdungen damit binnen fünf Jahren um fast ein Drittel (+31 %) oder 17 300 Fälle. Im Jahr 2019 - dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie - hatte das Niveau noch bei rund 55 500 Kindeswohlgefährdungen gelegen.
Anstieg gegenüber Vorjahr bei schätzungsweise 8 %
Auch im Vergleich zum Vorjahr hat die Fallzahl in 2024 deutlich zugenommen: Im Jahr 2023 wurden von den Behörden rund 63 700 Kindeswohlgefährdungen gemeldet. Da damals aber verschiedene Jugendämter keine Daten liefern konnten, hatte das Statistische Bundesamt eine Schätzung vorgenommen, die für 2023 von etwa 67 300 Kindeswohlgefährdungen ausgeht. Gegenüber diesem Schätzwert stieg die Fallzahl im Jahr 2024 deutlich, und zwar um 8 % oder 5 500 Fälle. Im Vergleich zu den im Jahr 2023 gemeldeten Fällen lag das Plus in 2024 sogar bei 14 % (+9 100 Fällen).
Betroffene Kinder waren im Durchschnitt 8,3 Jahre alt
Etwa jedes zweite (52 %) von einer Kindeswohlgefährdung betroffene Kind war jünger als neun Jahre, jedes dritte (33 %) sogar jünger als sechs Jahre. Im Schnitt lag das Alter bei 8,3 Jahren. Die meisten betroffenen Minderjährigen wuchsen bei beiden Eltern gemeinsam (38 %) oder einem alleinerziehenden Elternteil (37 %) auf. 14 % lebten bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft und 10 % in einem Heim, bei Verwandten oder an einem anderen Ort. In knapp jedem dritten Fall (32 %) war mindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft (im Ausland geboren) und die Familiensprache nicht Deutsch.
Zur Beendigung der Gefährdungssituation wurde in 91 % der Fälle im Anschluss eine Hilfe oder Schutzmaßnahme vereinbart. Dazu hatten die Jugendämter in 18 % der Kindeswohlgefährdungen das Familiengericht angerufen. Familiengerichte werden zum Beispiel dann eingeschaltet, wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr für das Kind abzuwenden, etwa weil sie angebotene Hilfen ablehnen.
Besonders häufig: Vernachlässigungen und psychische Misshandlungen
In den meisten Fällen von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden Anzeichen von Vernachlässigung festgestellt (58 %). In 37 % fanden sie Hinweise auf psychische Misshandlungen. In weiteren 28 % der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und in 6 % für sexuelle Gewalt. Während von Vernachlässigungen (53 %) und körperlichen Misshandlungen (51 %) Jungen etwas häufiger betroffen waren, galt das im Fall von psychischer (51 %) und vor allem sexueller Gewalt (67 %) für die Mädchen.
Dabei ging die Kindeswohlgefährdung in 75 % aller Fälle - ausschließlich oder hauptsächlich - von einem Elternteil aus. In weiteren 4 % war es ein Stiefelternteil, die neue Partnerin oder der neue Partner eines Elternteils und in 6 % eine sonstige Person, wie zum Beispiel eine Tante, der Pflegevater, ein Trainer bzw. Trainerin oder ein Erzieher bzw. Erzieherin. In 8 % der Fälle konnte zwar angegeben werden, dass die Gefährdung von mehreren Personen ausging, aber keine Hauptperson. Und in ebenfalls 8 % war gänzlich unbekannt oder unklar, von wem die Kindeswohlgefährdung ausging.
Weiterer Höchststand: Behörden prüften im Vorfeld 239 400 Verdachtsfälle
Im Vorfeld hatten die Jugendämter 2024 rund 239 400 Verdachtsfälle durch eine Gefährdungseinschätzung geprüft. Damit nahmen die Gefährdungseinschätzungen binnen fünf Jahren um 38 % zu - also noch stärker als die Kindeswohlgefährdungen - und erreichten ebenfalls einen neuen Höchststand. Dabei stellten die Behörden in 78 000 weiteren Fällen zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber einen Hilfebedarf fest.
Die meisten Hinweise auf eine mögliche Gefährdungssituation hatten 2024 Polizei und Justiz an die Jugendämter weitergeleitet (31 %). Etwas seltener kamen die Hinweise aus der Bevölkerung - also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym (21 %). Dahinter folgen die Kinder-, Jugend- oder Erziehungshilfe (13 %) und die Schulen (12 %). Nur in etwa einem Zehntel der Fälle stammten die Hinweise aus den Familien selbst, also von den betroffenen Minderjährigen (2 %) oder deren Eltern (7 %).
Methodische Hinweise:
Eine (akute oder latente) Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf durch eine Gefährdungseinschätzung abzuschätzen und einer Gefährdung entgegenzuwirken (§ 8a SGB VIII). Zu den Personen, von denen die Kindeswohlgefährdung ausgeht, gehören nicht nur diejenigen, von denen aktiv eine Gefahr für das Kind ausgeht, sondern auch Sorgeberechtigte, die eine Gefährdung nicht abgewendet haben. Bei den Angaben dazu handelt es sich um eine subjektive Einschätzung zum Zeitpunkt der Beendigung der Gefährdungseinschätzung durch die Fachkräfte im Jugendamt. Informationen zu weiteren Definitionen, Inhalten und der Qualität der Statistik enthält der neue Qualitätsbericht.
Weitere Informationen:
Detaillierte Ergebnisse der Statistik zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, einschließlich Angaben nach Bundesländern, stehen in der Datenbank GENESIS-Online (Tabellen 22518) und auf der Themenseite "Kinderschutz und Kindeswohl" im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes bereit. Weiterführende Daten bietet der neue Statistische Bericht "Statistik zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung".
Diese Pressemitteilung ist, gegebenenfalls ergänzt mit weiteren Informationen und Verlinkungen zum Thema, veröffentlicht unter www.destatis.de/pressemitteilungen.
+++ Daten und Fakten für den Alltag: Folgen Sie unserem neuen WhatsApp-Kanal. +++
Weitere Auskünfte:
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Telefon: +49 611 75 8231
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