BERLIN (dpa-AFX) - Die Grünen sehen sich durch die jüngsten Erkenntnisse über russische Einflussoperationen im Bundestagswahlkampf in ihrer Einschätzung bestärkt, dass die aktuellen Maßnahmen zum Schutz der parlamentarischen Demokratie nicht ausreichen. "Dass unsere Demokratie und ihre Institutionen zunehmend hybriden Angriffen autoritärer Regime ausgesetzt sind, kann spätestens seit den jüngsten und deutlichen Warnungen der Spitzen unserer Nachrichtendienste und der Einbestellung des russischen Botschafters niemand mehr bestreiten", sagt der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz.
Dieser bedrohlichen Kombination aus "anhaltend großer Verwundbarkeit und zunehmender Gefahren" müsse die schwarz-rote Koalition endlich entschlossen entgegentreten.
Vorgaben nur für Bundestagsverwaltung - nicht das Parlament selbst
Zwar hätten die Regierungsfraktionen den schlechten Entwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der europäischen NIS-2-Richtlinie zum Schutz der kritischen Infrastruktur vor Cyberangriffen so überarbeitet, dass hiervon nun auch die Bundesverwaltung und die Verwaltung des Bundestages umfasst seien. Der Bundestag selbst, inklusive der Fraktionen und Abgeordneten mit ihren Wahlkreisbüros, gehöre aber nicht zum Geltungsbereich.
Es sei "geradezu absurd", dass der Bundestag als "Herzstück der Demokratie" bisher nicht als kritische Infrastruktur eingestuft sei, obwohl er seit Jahren immer wieder angegriffen werde, sagt der Grünen-Politiker, der dem Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste angehört.
NIS-2-Richtlinie der EU umgesetzt
Am 6. Dezember ist das Gesetz in Kraft getreten, mit dem die NIS-2-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird. Das Gesetz erhöht die Anforderungen an die Cybersicherheit der Bundesverwaltung sowie bestimmter Unternehmen, die als wichtig für das Gemeinwesen gelten. Dazu zählen etwa Telekommunikationsanbieter und Energieversorger.
Für sie gelten jetzt strengere Vorgaben in puncto IT-Sicherheit sowie die Pflicht, erhebliche Sicherheitsvorfälle dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu melden.
Cyberattacke und Desinformation
Die Bundesregierung wirft Russland eine massive Cyberattacke sowie Falschinformationen im jüngsten Bundestagswahlkampf vor und hatte deshalb vergangene Woche Konsequenzen angedroht. Die "gezielte Informationsmanipulation" reihe sich in eine Serie von Aktivitäten ein, die das Ziel hätten, das Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse in Deutschland zu untergraben, teilte das Auswärtige Amt mit. Der russische Botschafter wurde daher ins Ministerium einbestellt.
Konkret gehen nach Überzeugung der Bundesregierung zwei hybride Angriffe auf das Konto des russischen Militärgeheimdienstes GRU.
IT der Flugsicherung betroffen
Zum einen könne ein Cyberangriff gegen die Deutsche Flugsicherung (DFS) im August 2024 klar der russischen Hackergruppe "Fancy Bear" und dem GRU zugeordnet werden.
Zum anderen könne man nun verbindlich sagen, dass Russland mit der Kampagne "Storm 1516" versucht habe, "sowohl die letzte Bundestagswahl als auch fortlaufend die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen und zu destabilisieren".
Im Fokus standen vor der Bundestagswahl unter anderem der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck und der damalige Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU). Um sie in Misskredit zu bringen, wurden unter anderem falsche Zeugenaussagen produziert und ins Netz gestellt sowie Websites mit erfundenen Inhalten aufgesetzt./abc/DP/stk