Der Präsident des Bundesfinanzhofs, Rudolf Mellinghoff, hat die Politik scharf angegriffen: Die verzögerte Neubesetzung hoher Richterstellen sei ebenso verfassungswidrig wie die Einsparung des Präsidentenpostens am Finanzgericht von Mecklenburg-Vorpommern. In einer Rede auf dem Deutschen Finanzgerichtstag in Köln, die der F.A.Z. vorliegt, beklagte Mellinghoff eine Gleichgültigkeit gegenüber der Justiz, wenn nicht sogar deren "Missachtung".
Und der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, sagte der F.A.Z. (Mittwochsausgabe): "Die Belange der Justiz spielen offensichtlich keine Rolle mehr." Mellinghoff kritisierte die Praxis, herausgehobene Stellen in der Gerichtsbarkeit verspätet zu besetzen. "Dabei treten die Vakanzen in aller Regel nicht unvorhersehbar und plötzlich auf - normalerweise steht der Zeitpunkt der Pensionierung eines Gerichtspräsidenten oder eines Vizepräsidenten eines Gerichts Jahre vorher fest." Aktuelle Beispiele dafür seien die Posten der Präsidenten am Bundesgerichtshof und am Bundesverwaltungsgericht.
Beide Amtsinhaber - Klaus Tolksdorf in Karlsruhe und Marion Eckertz-Höfer in Leipzig - treten Ende Januar in den Ruhestand, doch noch seien keine Nachfolger in Sicht. Mellinghoff gab zwar zu, dass dies angesichts der langwierigen Regierungsbildung im Bund nachvollziehbar sei. Doch auch vor seiner eigenen Ernennung sei seine Stelle an der Spitze des Bundesfinanzhofs neun Monate lang vakant gewesen. Ebenso sei die Position des Vizepräsidenten am Bundesverwaltungsgericht fast zwei Jahre lang nicht besetzt worden.
Das ist auch aus den Ländern bekannt: Besonders dramatisch ist die Lage aus Mellingshoffs Sicht in Mecklenburg-Vorpommern. Vier Monate lang habe es am dortigen Finanzgericht keinen Präsidenten gegeben und eineinhalb Jahre lang keinen Vizepräsidenten: "Über Monate gab es an diesem Gericht nur einen einzigen Vorsitzenden Richter, der eigentlich alle drei Senate dieses Gerichts hätte leiten müssen."