Moneycab.com: Herr Lang, Ende April hat Coop angekündigt, seinen Marktplatz Siroop per Ende Jahr einzustellen. Der Schritt dürfte Sie nicht überrascht haben…
Thomas Lang: Doch, er hat mich in der Tat überrascht, weil ich den beiden Initiatoren Swisscom und Coop deutlich mehr Schnauf und Ambitionen zugetraut hätte. Insofern hat mich das (zu) frühe Aus von Siroop überrascht.
Was ist falsch gelaufen und was dürfte Coop das Abenteuer gekostet haben?
Von aussen betrachtet ist das sehr schwierig zu beurteilen. Das Marktplatz-Geschäft ist sehr komplex, hat seine Tücken und ist ertragsschwach. Erfahrungen mit diesem habenbislang innerhalb der involvierten Konzerne gefehlt. Aus Kundenperspektive ist es aus meiner Sicht nicht gelungen, ein Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten. Also das "WHY", warum soll der Kunde bei Siroop kaufen und nicht anderswo. Das hat mir einerseits auf verschiedenen Ebenen gefehlt. Anderseits war die Plattform noch jung und ich hätte ihr mehr Zeit gegönnt, dass sie ihr "WHY" findet und sich profiliert.
Über Kosten kann man nur mutmassen. Alleine die Werbekosten dürften im Bereich von 20-30 Mio Franken liegen, die Personalkosten nochmals in der Region plus Infrastruktur etc. Wir hatten letzten Sommer mal geschätzt, dass ein solches, rein auf Provisionen basierendes Modell erst ab einem vermittelten Umsatz (sog. GMV) von gegen 1 Mrd Franken profitabel sein kann, ohne weitere Erlösquellen. Und das schafft noch keine Handelsplattform in der Schweiz. Insofern kam für mich der Ausstieg viel zu früh, weil es für ein solch ambitioniertes Modell viel mehr Schnauf braucht.
Aber man hat nun zumindest Erfahrungen gesammelt.
Ja, der wahre Wert von Siroop liegt für mich nach wie vor nicht in der Profitabilität, die anscheinend zum Verhängnis wurde. Die Erfahrung mit neuen Geschäftsmodellen, neuen Unternehmensformen und Technologien etc ist nicht zu unterschätzen und erspart manch eine Safari ins Silicon-Valley. Kommen die vielen Spezialisten hinzu, die man rekrutieren konnte.
Und die Frage aller Fragen überhaupt: was darf ein Marktanteil kosten? Marktanteile, die durch Digitec Galaxus von der Migros, internationalen Playern wie Alibaba und demnächst noch verstärkter Amazon für sich beansprucht werden. Modelle wie Siroop treten an mit einer radikalen Wachstums- und Marktanteils-Strategie. Da fragt niemand nach den Kosten sondern nach den mittel- bis langfristigen Perspekten. Ein Blick auf Amazon oder Zalando genügt, die heute profitabel sind oder sein könnten, wenn sie wollten.
"Die Ambitionen und Entwicklungen bei Digitec Galaxus sind in der Tat bemerkenswert und suchen ihresgleichen in der Schweiz wie auch fast in Europa."
Thomas Lang, Thomas Lang, Gründer und CEO Carpathia
Sie haben die Migros-Tochter Digitec Galaxus angesprochen: Der mit Abstand grösste Schweizer Online-Händler baut sein Sortiment massiv aus, bereits Mitte Jahr sollen es zwei Millionen Artikel sein. Vor allem die Expansion im Modebereich mit der Anbindung zahlreicher Anbieter sticht hervor. Wie sehen Sie die Chancen, Zalando, das auch im 1. Quartal massiv gewachsen ist, erfolgreich Paroli zu bieten?
Die Ambitionen und Entwicklungen bei Digitec Galaxus sind in der Tat bemerkenswert und suchen ihresgleichen in der Schweiz wie auch fast in Europa, wenn man das Marktpotential in Relation mit dem erzielten Umsatz setzt (834 Mio Umsatz bei einem Land mit 8 Mio Einwohner - da findet sich kaum etwas anderes in Europa).
Im Fashion-Bereich kann ich mir nicht vorstellen, dass man da auch nur annährend Zalando gefährden kann. Dafür ist Zalando schon zu weit und mittlerweile der grösste Mode-Händler der Schweiz - noch vor H&M! Der Einstieg in Fashion durch Digitec Galaxus macht jedoch Sinn, um ihr Sortiment abzurunden und das Ziel des Onlinewarenhauses zu verfolgen. Sie sind jedoch auch so clever, dass sie die Mode-Händler nur im Marktplatz-Modell aufschalten und nicht selber zum Händler werden. Denn Mode ist äusserst Retouren-intensiv und damit scheint man sich (vorerst) ...
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