Moneycab.com: Frau Denk, welches sind die grössten Herausforderungen für den Schweizer Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren?
Myriam Denk: Einerseits verändern sich aufgrund der Automatisierung die Kompetenzanforderungen auf dem Arbeitsmarkt ständig, was laufende Anpassungen bei der Aus- und Weiterbildung erfordert. Andererseits führt der demographische Wandel und die Überalterung der Gesellschaft zu einer Verschiebung beim Arbeitskräfteangebot. Zusammen birgt dies die Gefahr, dass es auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zu einem Mangel an Arbeitskräften kommen wird. Entgegenwirkende Massnahmen wie die Erhöhung des obligatorischen Rentenalters oder die verstärkte Zuwanderung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte sind aktuell politisch nicht mehrheitsfähig.
Sie regen in der Studie "Die Stimme der Arbeitnehmer in der Schweiz" an, das bestehende Arbeitskräftepotenzial besser zu nutzen. Um wen handelt es sich bei der "stillen Reserve"?
Genau: Wir sehen in dem bestehenden aber untergenutzten Arbeitskräftepool ein enormes Potenzial. Dieses liegt hauptsächlich bei der "stillen Reserve" und bei den Erwerbstätigen, die Teilzeit arbeiten und ihr Pensum erhöhen könnten. Die "stille Reserve" umfasst zwei Gruppen. Die erste Gruppe besteht aus arbeitssuchenden Personen, die jedoch zurzeit nicht verfügbar sind, sei es etwa infolge familiärer Gründe oder einer Ausbildung. Laut dem Bundesamt für Statistik waren dies im Jahr 2017 rund 63'000 Personen.
Die zweite Gruppe ist mit 198'000 Personen deutlich grösser. Sie umfasst die Personen, die nicht aktiv nach Arbeit suchen, grundsätzlich aber gerne erwerbstätig wären und verfügbar sind. Fast die Hälfte davon sind über 55 Jahre alt, viele von ihnen haben auch bereits das Rentenalter erreicht und sind wegen der Pensionierung nicht mehr aktiv auf Arbeitssuche, könnten sich aber vorstellen zu arbeiten. Mit 60% ebenfalls deutlich übervertreten sind Frauen. Bei ihnen sind vor allem familiäre Gegebenheiten ausschlaggebend dafür, dass sie nicht aktiv nach Arbeit suchen.
"Ein Drittel der befragten Führungskräfte in Schweizer Unternehmen nimmt ältere Arbeitnehmer als Wettbewerbsnachteil wahr."
Myriam Denk, Leiterin Future of Work bei Deloitte Schweiz
Nicht nur, aber besonders gegenüber älteren Arbeitnehmern, bestehen aber nach wie vor viele Vorurteile…
Allerdings. Gemäss den Human Capital Trends 2018 von Deloitte nimmt ein Drittel der befragten Führungskräfte in Schweizer Unternehmen ältere Arbeitnehmer als Wettbewerbsnachteil wahr. Das ist deutlich mehr als der internationale Durchschnitt von 20%. Vorurteile reichen von fehlender Motivation über zu geringe Flexibilität bis hin zu veralteten Fachkenntnissen. Man muss von diesen Vorurteilen und Klischees wegkommen, dass ältere Arbeitskräfte nicht lernfähig und flexibel sind, die Praxis belegt häufig das Gegenteil. Das ist nicht eine Frage des Alters, sondern eine der Mentalität.
Ihre Studie zeichnet ein ganz anderes Bild der älteren Arbeitnehmer. Was zeigen die Resultate auf?
Das stimmt. Unsere Studie zeigt, dass ältere Arbeitskräfte nicht nur überdurchschnittlich viel ungenutztes Arbeitspotenzial aufweisen, sie sind auch überdurchschnittlich qualifiziert und motiviert. 85% der Schweizer Befragten aus der Alterskategorie 55+ fühlen sich motiviert bei der Arbeit, 89% mögen ihre Arbeit und 81% denken, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Das sind alles höhere Zahlen als bei den anderen Altersgruppen. Und motivierte Mitarbeiter sind einerseits loyaler gegenüber ihrem Unternehmen und andererseits ...
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