18.02.2019
Die Experten von ODDO BHF haben untersucht, was passiert, wenn Großbritannien und die EU es nicht schaffen, sich auf einen sanften Brexit zu verständigen. Chefvolkswirt Bruno Cavalier fasst die Ergebnisse zusammen: "In Großbritannien würde dies einen starken Rückgang des Handelsvolumens, eine Unterbrechung der Produktionsketten, erheblichen finanziellen Stress, und, kurz gesagt, eine Rezession auslösen. Der Schock würde auch das übrige Europa betreffen, wenn auch in geringerem Maße." Stephane Houri, Leiter "Equity Sector Research" bei ODDO BHF, ergänzt: "Zu den stärksten betroffenen Branchen würden nach unseren Berechnungen die Automobil-, Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie, Fluggesellschaften und Banken gehören."
Wenn die Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union über die Unterzeichnung eines Ausstiegsabkommens und die Eröffnung einer Übergangsphase zu einem neuen Handelsabkommen scheitern, wird das Vereinigte Königreich (UK) aus Sicht der EU über Nacht zu einem Drittland. Diese Frist endet am 29. März 2019. Ab dem darauffolgenden Tag würde der Handel zwischen den beiden Zonen den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) unterliegen. Dies bedeutet eine Erhöhung der Zölle und, noch schlimmer, die Einführung vieler nichttarifärer Handelshemmnisse. Nach 46 Jahren in der EU wäre dies eine grundlegende Veränderung für die Handelsbeziehungen.
Etwa die Hälfte der britischen Exporte von Waren und Dienstleistungen geht in die EU. Auf den britischen Markt entfallen etwa 7 Prozent der deutschen und französischen Exporte, aber fast 15 Prozent der irischen. Das Verhältnis ist somit sehr asymmetrisch. Im Falle eines "No-Deal-Brexit" würde der Handel massiv zurückgehen, was zu einer Störung der britischen Wirtschaft und einer drastischen Verschärfung der finanziellen Bedingungen führen würde. Verglichen mit dem Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU, beziffern diverse Modelle verschiedener Think-Tanks und Wirtschaftsorganisationen die negativen Auswirkungen eines ungeordneten Brexit auf das BIP in Großbritannien auf mittlere Sicht mit durchschnittlich 5 Prozent. Es wäre damit ein Ereignis mit makroökonomischen Folgen, das fast so schwerwiegend wäre wie die Finanzkrise 2008 und die darauffolgende Rezession. Angesichts des geringeren Engagements Europas auf dem britischen Markt ist mit einem negativen Schock für das europäische BIP von etwa einem Punkt zu rechnen. Aufgrund des derzeit schwachen Geschäftsklimas und der Konjunkturzyklen in der Eurozone könnte ein solcher Schock kurzfristig zu einer moderaten Rezession führen.
Automobil, Luft-, Raumfahrt und Verteidigung, Fluggesellschaften und Banken am stärksten betroffenZu den am heftigsten betroffenen Branchen eines "No-Deal-Brexit" gehören der Automobilsektor (Automobilhersteller wie Peugeot, BMW, VW und Daimler sowie Automobilzulieferer mit Valeo, Faurecia und Plastic Omnium), Luft-, Raumfahrt und Verteidigung (Leonardo, Airbus, Rolls Royce), Fluggesellschaften (Ryanair, EasyJet) und Banken (Société Générale, Deutsche Bank, Credit Suisse, UBS und italienische Banken). Signifikante negative Auswirkungen bestehen zum Beispiel in Sektoren wie Hotels (Whitbread), Reiseveranstalter (TUI, Thomas Cook), Personalwesen (Adecco) und Technologie (IT-Software und -Dienstleistungen, Halbleiter). Andere Sektoren sind weniger betroffen. Es gibt teilweise positive Effekte für britische Unternehmen, die den größten Teil ihres Geschäfts im Ausland generieren, wie Compass und WPP aufgrund von Deviseneffekten. Im Getränkebereich würden Diageo und Pernod (als Produzenten von Scotch und Gin) wahrscheinlich profitieren, während die Champagnerhersteller leiden könnten. Schließlich würden die britischen Telekommunikationsdienste als einziger Sektor in Europa von einem leicht positiven Effekt profitieren, wenn die Roaming-Vereinbarungen mit dem Vereinigten Königreich auslaufen würden.