Frankfurt, 14. Mai 2019 - Aufgrund schwacher Konjunkturdaten aus Deutschland und den USA sanken die Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen Ende März unter das Niveau der 3-Monatsrenditen - die Zinsstrukturkurve hat sich invertiert. Dieses Phänomen ist nun erstmals seit 2006 wieder zu beobachten.
"Zwar hat sich die US-Zinsstrukturkurve seit vielen Jahrzehnten als eine Art Leuchtfeuer für Investoren etabliert", erklärt Tilmann Galler, globaler Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. "Wann immer sich die Kurve invertierte, galt dies als ein zuverlässiges
Warnsignal, dass die Aktienmärkte auf eine Klippe zusteuern und eine Rezession bevorsteht.
Aber es gibt auch falsche Leuchtfeuer, die einen Irrweg anzeigen. So gilt es auch aktuell, die Dinge differenziert zu betrachten", betont Galler. Anleger sollten daher keine übereilten Schlüsse ziehen.
In einer normalen Anleihenmarktweltorientieren sich die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen amWirtschaftswachstum. Ein Rückgang der US-Renditen ist daher normalerweise einklares Indiz für eine abschwächende Wirtschaft. In der Tat verliert die US-Wirtschaftderzeit an Tempo. Das Quartalswachstum hat sich vom dritten auf das vierteQuartal 2018 von annualisiert 3,4 Prozent auf 2,2 Prozent verlangsamt. "Wirsehen das Ausmaß des Renditerückgangs jedoch als übertrieben an. Eskorrespondiert nicht mit einer US-Wirtschaft, die 2019 auf Kurs ist, zumindestein Wachstum von 2 Prozent zu erreichen", unterstreicht Tilmann Galler.
Quelle: Bloomberg, J.P. Morgan Asset Management. Guide to the Markets - Europa. Stand der Daten: 31. März 2019.
Doch die heutigen Anleihenmärkte verhaltensich seiner Meinung nach nicht mehr normal, sondern werden vielmehr durch dieGeldpolitik manipuliert. Die Zentralbanken in Europa und Japan verankern dieAnleihenrenditen in ihren Heimatmärkten aufgrund der anhaltend expansivenGeldpolitik auf historisch niedrigen Niveaus. "Dreißig Prozent allerStaatsanleihen weltweit haben nach wie vor eine negative Rendite. Das trägt zueiner kontinuierlichen Auslandsnachfrage nach US-Anleihen bei und lässt derenRendite zusätzlich fallen", erläutert Galler. So habe der jüngste Renditerückgang,der zur Invertierung geführt hat, demnach nicht nur die Ursache im schwächerenUS-Wachstum, sondern auch in der anhaltenden internationalen Nachfrage nach denvergleichsweise hohen US-Renditen.Ein weiteres Argument, weshalb die jüngsteInvertierung als Fehlsignal gedeutet werden kann: Im Gegensatz zu früherenEpisoden hat sich die Kurve nicht komplett invertiert. ModerateInflationsrisiken haben die Renditen der 2-jährigen US-Staatsanleihenkontinuierlich unter der 10-Jahresrendite gehalten.
Anleger sollten auf eineausgewogene Balance setzenNach Ansicht von Tilmann Galler bestehtfür Investoren deshalb aktuell keine Notwendigkeit, das Steuer zur Reduzierungdes Risikos herumzureißen: "Wer diesmal dem Leuchtfeuer der Zinsstrukturkurvefolgt, läuft Gefahr, auf Renditechancen zu verzichten. Niedrige Zinsen und dieAbwesenheit unmittelbarer Rezessionsrisiken dürften vorerst die Wertentwicklungvon Aktien, Immobilien und Unternehmensanleihen unterstützen. Dennoch befindenwir uns im Konjunkturzyklus und an den Aktienmärkten in einer fortgeschrittenenSpätphase, weshalb eine ausgewogene Balance zwischen sicheren und risikoreichenAnlagen weiter gebotenist."
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