Während die Eindämmungsmaßnahmen gegen die Pandemie die Staus auf den Straßen verschwinden lassen, bilden sich im Gegenzug gewaltige Staus in der Ölinfrastruktur. So werden beim aktuellen Rohölüberschuss sämtliche Speicherkapazitäten in der Welt bis zum Ende des 2. Quartals gefüllt sein. Für viele Ölunternehmen ist das eine existenzbedrohende Entwicklung. Aktien aus dem Energiesektor gehören deshalb zu den größten Verlierern an den Börsen seit Jahresanfang. Und bei den Unternehmenanleihen signalisieren stark steigende Risikoaufschläge die wachsende Besorgnis der Investoren über die Solvenz des Sektors. Über die Osterfeiertage haben die größten Ölfördernationen der Welt ein Abkommen über die Drosselung der Produktion geschlossen - aber wird es genug sein den Ölmarkt wieder in eine Balance zu bringen? Und was sind die Implikation für die Anleger?.
Die COVID-19 Pandemie hat weltweit zu Eindämmmungsmaßnahmen gegen die weitere Ausbreitung des Virus geführt. Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen haben allein im 1. Quartal die Ölnachfrage um 5,6 Millionen Barrel Rohöl pro Tag (mb/d) reduziert. Den maximalen Einbruch werden wir weltweit im April und Mai erleben mit einem durchschnittlichen Einbruch der Nachfrage von 20 mb/d. Das entspricht ziemlich genau 20 Prozent des täglichen weltweiten Bedarfs von 2019. Selbst wenn die Eindämmungsmaßnahmen schrittweise bis Ende Mai gelockert werden und es gelingt, die Weltwirtschaft zu normalisieren, rechnen die großen Energieagenturen mit einem Rückgang der Nachfrage für 2020 zwischen 5,2 mb/d und 9,3 mb/d.
Um diese Zahlen besser einordnen zu können: In 2009, dem Jahr der letzten globalen Rezession, ging die Ölnachfrage um 0,8 mb/d zurück. Der aktuelle Rückgang ist umso dramatischer als in einer "normalen" Rezession, da 57 Prozent der Ölnachfrage durch den Treibstoffbedarf für den Verkehr verursacht werden. Die Reisebeschränkungen haben allein bis März den weltweiten Flugverkehr um 30 Prozent einbrechen lassen und der Straßenverkehr ist durch Quarantänemaßnahmen um bis zu 40 Prozent zurückgegangen. Das hat zu einem starken Nachfrageeinbruch bei Kerosin, Benzin und Diesel geführt.
Die Ölschwemme wurde Anfang März noch verstärkt durch einen Preiskrieg zwischen Russland und Saudi Arabien. Der Absturz des Ölpreises und die sich verschärfende Situation bei den Lagerkapazitäten haben nun zu einer historischen Vereinbarung zwischen der OPEC und den anderen großen Ölförderländern geführt. Die Produktion wird ab Mai für zwei Monate um 9,7 mb/d gekürzt und für den Rest des Jahres werden die Kürzungen auf 7,6 mb/d gelockert. Von Januar 2021 bis zum Ende des Abkommens im April 2022 werden die Kürzungen weiter auf 5,6 mb/d gedrosselt.
Trotz des historischen Ausmaßes sind die Kürzungen aber wohl nicht genug, kurzfristig die Balance zwischen Angebot und Nachfrage wiederherzustellen. So werden sich trotz des Abkommens in den nächsten zwei Monaten die Lager vorerst weiter füllen und der Ölpreis bleibt unter Druck. Doch unter der Vorraussetzung, dass sich alle Parteien an die vereinbarten Kürzungen halten und es den großen Volkswirtschaften gelingt, die Corona-Maßnahmen ab Juni zu lockern, sollte sich die Nachfrage nach Rohöl beginnen zu normalisieren. Im Idealfall könnte sich der Ölmarkt dann im September 2020 wieder im Gleichgewicht befinden.
Für Aktien- und Anleiheninvestoren im Energiesektor bedeutet das ein anhaltend schwieriges und volatiles Umfeld in den nächsten Monaten, mit fundamentalem Gegenwind und schlechter Nachrichtenlage. Unternehmensgewinne dürften weiter kräftig fallen und die Sicherstellung von Liquidität bleibt oberstes Gebot der Stunde.
Doch gerade in schwierigen Zeiten wie diesen wird das Fundament für den nächsten Aufschwung gelegt. Schwache Unternehmen werden vom Markt verschwinden und die Investitionen zur Erkundung neuer Ölvorkommen werden kräftig gekürzt. Diese Kapazitäten werden in drei Jahren fehlen. So werden Unternehmen, die den schwarzen Tsunami überleben, in den kommenden fünf Jahren einen deutlich balancierteren Ölmarkt vorfinden, als in den vergangenen fünf Jahren.
Für längerfristig orientierte Anleger können die nächsten Monate die attraktivsten Einstiegsniveaus der letzen zwei Jahrzehnte bringen, doch die unternehmenspezifischen Risiken bleiben hoch.
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