08.05.2020 - Der Aktien-Rallye in der Vorwoche folgte eine Verschnaufpause an den Börsen, die in den USA bereits am Freitag begann. Der US-Leitindex S&P 500 drehte im Wochenverlauf dann aber wieder in den positiven Bereich (+1,8 %), Euro Stoxx 50 und DAX 30 weisen dagegen aktuell ein Minus von 1,6 % und 0,9 % aus. Als Störfaktor lässt sich das Aufflackern des US-chinesischen Handelskonflikts ausmachen, der angesichts der neuen Zolldrohungen aus dem Weißen Haus (siehe unten) auf den Radarschirm der Anleger zurückgekehrt ist. Vergleichsweise robust zeigte sich in dieser Phase jedoch die US-Technologiebranche, der Sektor gilt als Gewinner im S&P 500.
Bund und Länder einigen sich auf Corona-Lockerungen
Erfreuliche Nachrichten gab es in dieser Woche aus der Politik. Angesichts der im internationalen Vergleich durchaus wirksamen Eindämmung des Coronavirus in Deutschland entschieden sich Bund und Länder für eine Lockerung der Corona-Maßnahmen. So dürfen beispielsweise Geschäfte unabhängig der Quadratmetergröße der Ladenfläche wieder öffnen, und der Betrieb in der Gastronomie und Hotels soll schrittweise wieder aufgenommen werden. Zur Freude der Fußballfans darf die Fußball-Bundesliga die unterbrochene Saison zu Ende spielen, wenn auch vor leeren Rängen. Neben rückläufigen Neuinfektionszahlen sind die einsetzenden Lockerungen der Beschränkungen ein wichtiger Unterstützungsfaktor für die Aktienmärkte, da sie eine Grundvoraussetzung für die Wiederbelebung der Wirtschaftsaktivität darstellen.
Bundesverfassungsgericht: Überraschendes Urteil zu EZB-Staatsanleihekäufen
Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht über den Vorwurf entschieden, die Europäische Zentralbank (EZB) habe durch das im Jahr 2015 aufgelegte Staatsanleihe-Kaufprogramm außerhalb der ihr zustehenden Kompetenzen gehandelt. Den Währungshütern wird von den Klägern und anderen Kritikern unter anderem vorgeworfen, mit den Anleihekäufen monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben. Bereits zweimal wurde die Beschwerde vom Europäischen Gerichtshof abgewiesen, das oberste deutsche Gericht kam aber überraschenderweise zu einem abweichenden Urteil: Es entschied, dass die Käufe teilweise verfassungswidrig seien. Bundesregierung und Bundestag hätten die Pflicht, die Verhältnismäßigkeit der geldpolitischen Maßnahmen zu prüfen; ungeprüft würden die Käufe gegen das Grundgesetz verstoßen; den Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung bestätigten die Verfassungshüter in ihrem Urteil allerdings nicht.
Sollte der EZB-Rat innerhalb der nächsten drei Monate keinen neuen Beschluss vorlegen, aus welchem hervorgeht, dass die im Zuge des Kaufprogramms ergriffenen Maßnahmen keine unverhältnismäßigen Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik haben, müsste die Bundesbank von dem "Public Sector Purchasing Programme (PSPP)" der Währungsgemeinschaft zurücktreten. Der Ball liegt nun also in der Spielhälfte der EZB und der Bundesbank. Welche der beiden Institutionen der Aufforderung des Gerichts nachkommen soll, ist bisher unklar. Wir rechnen jedoch damit, dass die Verhältnismäßigkeit, von wem auch immer, dargelegt werden kann. Bis dahin können die Anleihekäufe im Rahmen des PSPP jedenfalls wie gehabt fortgeführt werden.
Für die übrigen nationalen Notenbanken der Währungsunion sowie für die EZB selbst ist das Urteil im Übrigen nicht bindend. Sollte die Bundesbank also nicht mehr als Käufer im Rahmen des PSPP infrage kommen, könnten die verbleibenden Notenbanken und auch die EZB selbst die anstehenden Transaktionen übernehmen. Brisant ist das Urteil deshalb vor allem aus politischer Sicht als Signal der Desintegration der Währungsgemeinschaft. Zudem könnten weitere (EU-kritische) Nationalstaaten dem deutschen Beispiel folgen und sich gegen das geltende EU-Recht stellen - ein Risiko, das nicht unterschätzt werden sollte.
Trump und die Macht der Gewohnheit
Nach der Einigung im Handelsstreit zwischen den USA und China im Januar hat US-Präsident Trump am Wochenende erneut mit einer Welle von Strafzöllen gedroht. Die US-Regierung sieht Peking als hauptverantwortlich für die Ausbreitung des Coronavirus, weswegen Trump die Aufkündigung des Abkommens angedroht hatte. Präsident Trump möchte nun prüfen, ob China sich an die Vereinbarung gehalten hat, den Import von US-Gütern hochzufahren (Ziel: Anstieg um 200 Mrd. US-$ binnen zwei Jahren). Im Zuge der Drohungen aus dem Weißen Haus soll es in der kommenden Woche auch zu einem Treffen zwischen Handelsvertretern der beiden Seiten kommen. Angesichts der bevorstehenden Rezession ist es fraglich, inwiefern ein wiederaufflammender Handelskonflikt im Interesse der US-Regierung ist. An den Finanzmärkten sorgte das Säbelrasseln zwischenzeitlich für erhöhte Risikoaversion mit entsprechendem Verkaufsdruck an den globalen Börsen.
Unklar ist, ob es bei Trumps Vorgehen tatsächlich um eine Bestrafung Chinas für die Handhabung der Corona-Ausbruchs geht, oder ob es ein Versuch, im Vorfeld der im November stattfindenden Präsidentschaftswahlen in der Wählergunst zu steigen. Der "rally u2018round the flag"-Effekt zeigt beispielsweise, dass die Zustimmung gegenüber der Exekutive in Krisenzeiten enorm steigen kann. Auch Trump erzielte Ende März, trotz scharfer Kritik von außen, seinen höchsten Zustimmungswert von 49 %. Verglichen mit der Zustimmung, die andere Präsidenten während einer Krise erfuhren (beispielsweise erreichte George W. Bush einen Wert von 89 % nach den Ereignissen des 11. September) scheint dies aber kein außerordentliches Vertrauen zu signalisieren. Ob diese Werte also eine zweite Amtszeit ab November sichern ist unklar. Das lässt vermuten, dass Trump wieder auf das altvertraute Mittel des "China-Bashing" setzen wird, um seine Chancen auf den Wahlsieg zu verbessern.
"Harte" Konjunkturindikatoren dürften Ausmaß der Pandemie verdeutlichen
In den USA wird mit dem Arbeitsmarktbericht für den Monat April heute Nachmittag ein wichtiger Datenpunkt veröffentlicht. Wie die wöchentlich berichteten Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung seit dem Virusausbruch andeuten, ist mit einem rasanten Beschäftigungsrückgang zu rechnen. Laut Bloomberg-Umfragen wird geschätzt, dass außerhalb der Landwirtschaft über 21 Millionen Stellen gestrichen wurden, so dass die US-Arbeitslosenquote auf über 15 % anspringen könnte (zuvor: 4,4 %).
Eine Woche später, also am kommenden Freitag, steht dann die Veröffentlichung des vorläufigen deutschen Bruttoinlandsprodukts für des erste Jahresquartal an. Die ergriffenen Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie dürften sich auch hier in den Zahlen bemerkbar machen, wie stark der Einbruch ausfällt, ist unklar, schließlich erfolgten die Beschränkungsmaßnahmen ab Mitte März und somit gegen Quartalsende. Die soeben veröffentlichte Schätzung der EU-Kommission veranschlagt einen Rückgang um 1,7% gegenüber dem vierten Quartal, was im Vergleich mit den bekannten Ergebnissen der großen europäischen Nachbarn noch recht moderat wäre.
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