28.01.2021 - Die Unkenrufe am Kapitalmarkt hinsichtlich zu hoher Aktienmarktbewertungen sind ein altbekanntes Thema, dem auch wir uns nicht verschließen. Der Blick auf die Aktienmarktentwicklung seit Februar 2020 im Vergleich zum wirtschaftlichen Zustand vieler Länder lässt uns immer wieder die Stirn runzeln.
Auf der anderen Seite ist es nicht ganz trivial, die aggressive Geldpolitik und das wirtschaftspolitisch günstige Umfeld für viele Unternehmen in diese Gleichung mit aufzunehmen. Aktienbewertungen spiegeln neben der aktuellen wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens auch dessen mögliche Zukunft wider. Darüber hinaus sind Aktien für viele Anleger in diesen liquiditätsreichen Zeiten einfach zu erwerben und in Ermangelung renditestarker Alternativen "alternativlos".
Sind die aktuellen Aktienbewertungen dann vielleicht doch nicht so übertrieben wie immer wieder behauptet wird?
Eine endgültige Antwort haben wir auf diese Frage nicht, aber mit dem Start der Berichtssaison für das 4. Quartal 2020 in den USA bekommen wir zumindest ein Gefühl dafür, ob die Erwartungen an die Unternehmen von diesen erfüllt werden können, und wie die Reaktion der Anleger auf Überraschungen ausfallen. Vorneweg, die Messlatte für die Gewinnerwartungen lag für das vergangene Quartal aufgrund der Pandemie vergleichsweise niedrig.
Diese niedrigen Erwartungen wurden allerdings bis jetzt deutlich übertroffen. Bis zum heutigen Tag hat über ein Fünftel der Unternehmen im amerikanischen Leitindex S&P 500 ihre Daten bereits veröffentlicht und die Gewinnerwartungen um 20,3% übertroffen. Laut den Recherchen des Finanzdatenspezialisten FactSet wäre ein derart hoher Wert am Ende der Berichtssaison eine der höchsten Abweichungen zwischen Erwartung und Ergebnis seit 2008.
Die Gewinne liegen somit zwar weiterhin unterhalb der Ergebnisse vom 4. Quartal 2019, sind aber immerhin viel besser als befürchtet. Am Aktienmarkt, der bekanntlich stark von Erwartungen getrieben ist, sollte dies eigentlich positiv aufgenommen werden. Dem ist aber bis jetzt nicht so.
Aktuell liegt der S&P 500 fast unverändert auf dem Niveau vom Berichtssaisonstart. Dies könnte ein erster Hinweis auf die alte Börsenweisheit "Buy the rumor sell the fact" ("Kaufen Sie bei Gerüchten, verkaufen Sie bei Fakten") sein, es könnte aber einfach auch sein, dass den Aktien nach der außergewöhnlichen Rallye im November und Dezember ein wenig die Puste ausgeht. Es bleibt abzuwarten, ob es sich hierbei nur um eine Verschnaufpause handelt.