05.07.2021 - Wir schreiben den 22. Mai 2013. Ben Bernanke - seines Zeichens Chef der US-Notenbank - spricht vorm US-Kongress, um Rechenschaft über die geldpolitische Strategie der Federal Reserve abzulegen. In seiner Rede deutet er an, die Anleihekäufe der US-Notenbank im Rahmen des damaligen QE-Programms bald zu reduzieren. Was damals folgte, ging in die Geschichtsbücher der Finanzmärkte als "Taper Tantrum" ein. Wer die deutsche 1:1- Übersetzung nachschlägt, stößt auf einen eher sperrigen Ausdruck: Reduktions-Wutanfall!
Wer kleine Kinder hat, versteht anhand einer Analogie jedoch sofort, worum es geht: Eine Reduktion der Zuckerzufuhr ruft in der Regel unmittelbare und wütende Reaktionen auf Seiten des Nachwuchses hervor.
Kaum eine Assetklasse blieb 2013 von diesem gleich mehrere Monate anhaltenden
"Wutanfall" verschont. Die Kurse von Aktien und Anleihen fielen auf breiter Front. Die Renditen zehnjähriger Treasuries stiegen innerhalb von wenigen Monaten von rund 1,6% auf knapp 3,0%. Kaum ein Anleger erinnert sich gerne an diese Zeit zurück.
Rund acht Jahre später heißt der Chef der Fed Jerome Powell. Und auch er steht vor der schwierigen Aufgabe, den Märkten ein baldiges Ende eines rekordträchtigen Anleiheankaufprogramms beizubringen. Sein Vorteil: Er weiß aufgrund der Erfahrung aus 2013, dass dabei Vorsicht und Samthandschuhe allein nicht ausreichen. Also erfindet er unter anderem neue rhetorische Gebilde, die es so wohl nur in der Welt der Finanzmärkte gibt ("wir denken (noch) nicht darüber nach, darüber nachzudenken, die Ankäufe zu reduzieren"). Trotz oder gerade Dank dieser Schleifen kommuniziert er zeitig und äußerst transparent - und das in Zeitlupe.
Mit Erfolg!
Ein "Wutanfall" wie im Jahr 2013 ist bislang an den Märkten ausgeblieben - obwohl bereits intensiv über eine mögliche Reduktion der Anleihekäufe berichtet und spekuliert wird.
Zugegeben: Die Fed unter Powell ist noch nicht an dem Punkt, an sie unter Bernanke im Mai 2013 war. Der Fokus der Medien auf das Thema Tapering ist allerdings bereits mit der damaligen Situation vergleichbar (siehe Chart des Monats).
Kurzum: Die Fed hat die sich anbahnende "Zuckerreduktion" bislang sehr geschickt eingefädelt. So geschickt sogar, dass die Renditen zehnjähriger Treasuries seit der landläufig als "hawkish" interpretierten Fed-Sitzung im Juni gefallen - und nicht etwa gestiegen sind. Die Märkte dürfen das durchaus mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen! Anlegern sollte dennoch bewusst sein, dass selbst mit einer langsamen "Zuckerreduktion" die Gefahr einer leichten Unterzuckerung einhergeht. Anstelle eines Wutanfalls rechne ich am Markt jedoch "nur" mit einer Phase länger anhaltender schlechter Laune. Vergleichbar in etwa damit, wenn sie ihrem Nachwuchs statt eines Schokoladeneises ein Stück Müsliriegel mit Bio-Rohrzucker anbieten.
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