14.01.2022
Bärenstark
Diese Woche fällt mir kein besseres Adjektiv zur Börse ein als bärenstark. Gleich der Wochenauftakt hat mit einem ordentlichen Rückgang klargemacht, dass wir in ein neues Regime eingetreten sind. Wir befinden uns jetzt in einem Zinserhöhungszyklus. Und die US-Notenbank hat dies am Mittwoch bestätigt. Voraussichtlich im März wird man damit beginnen, die Zinsen in einem ersten Schritt um 0,25% anzuheben. Damit findet ein großes Re-Pricing von Aktien statt. Der Faktor Zinsen ist eine der wichtigsten Determinanten zur Bewertung von Wertpapieren. Je mehr Zinsen es gibt, desto eher gibt es Alternativen zu Aktien und desto weniger sind Gewinne in der Zukunft heute wert. Die weltweiten Börsen haben genau dies in den letzten drei Wochen eingepreist. Mehr als ein Drittel der Nasdaq 100 Unternehmen liegen 33% unter ihrem 12-Monatshoch. Der Russell 2000, ein US-Nebenwerteindex mit 2000 Aktien, notiert mehr als 20% unter seinem Novemberhoch und befindet sich damit definitionsgemäß in einem Bärenmarkt. Viele Börsianer machen damit erstmals die Erfahrung, dass ihre Aktien länger anhaltende Kursverluste erfahren. Aus Gesprächen weiß ich, dass dies für viele nicht einfach ist. Auch Investoren müssen manchmal bärenstark sein.
Mittelmäßig
Dementsprechend fielen die Gegenbewegungen der Börsen in dieser Woche auch eher mittelmäßig aus. Zwar gab es insbesondere in den USA starke Intraday-Erholungen, wenn ich allerdings auf meine 30-jährige Börsenerfahrung zurückblicke, dann gleichen diese Erholungen mehr einer Bärenmarktrally, denn einem Befreiungsschlag. Noch kämpft die Börsengemeinde zwischen "Buy the dip" und "Sell on good news". Dazu kommen durchwachsene Ergebnisse bei einigen Quartalszahlen und die nach wie vor schwierige Situation bei Lieferketten und schwelende politische Risiken. Eines allerdings stimmt mich ganz zuversichtlich: C(r)ashprophet Dirk Müller hat sich wieder aus der Deckung gewagt und prophezeit den großen Knall. Sein jüngstes Video stimmt seine Jünger auf den nahenden Kollaps ein. Brauchen Sie sich nicht anschauen, ist auch eher mittelmäßig. Der Begriff "mittelmäßig" ließe sich aber auch noch anders interpretieren. Gerade Börsen haben lange Historien und damit gut bestimmbare Mittelwerte was Bewertungen, Volatilitäten und Marktpreise betrifft. Was der anglophile Wirtschaftsinteressierte als "Mean Reversion" kennt, sollte der germanophile Börsenliebhaber als "Mäßigung zur Mitte" nicht verschmähen - mittelmäßig eben.
Sackschwach
Ich möchte allerdings nicht verschweigen, dass es diese Woche auch saustarke Meldungen von Unternehmen gab. Da steht ganz weit vorne das Tech-Urgestein Microsoft. Die Cash-Maschine hat im 4. Quartal einen Nettogewinn von sage und schreibe 18,8 Mrd. USD erzielt. Eine Marge von 36%. Trotzdem gab es Kursrückgänge bei Microsoft, denn in unsicheren Marktphasen nimmt man gerne die sicheren Gewinne mit. Wir haben diese Gelegenheit genutzt, um unsere Positionen weiter zu erhöhen. Ebenso bei SAP, die diese Woche ebenfalls sehr gute Zahlen gemeldet haben und trotzdem an der Börse abgestraft wurden. Das viel beobachtete Cloud-Geschäft konnte bei SAP um 28% wachsen und auch beim Gewinn konnte SAP die Prognosen toppen. Trotzdem verlor die Aktie mehr als 8%. Das halte ich für übertrieben und freue mich über einen guten Nachkauf an dieser Stelle. Manchmal ist saustark eben auch, an einem sackschwachen Tag mutig zu sein.
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